Die von Gewerkschaften initiierte Volksinitiative für die zusätzliche Monatsrente – die aufs Jahr gerechnet einer 8,3-prozentigen Rentenerhöhung entspricht – erhielt die Zustimmung von 58 Prozent der Wähler und erhielt auch die nötige Zustimmung in der Mehrheit aller Schweizer Kantone. Eine zweite Initiative, mit der das Renteneintrittsalter erhöht und an die Lebenserwartung gekoppelt werden sollte, verfehlte hingegen die erforderliche Mehrheit deutlich und erhielt nur 25 Prozent der Stimmen.

Umfragen im Vorfeld hatten ein knapperes Resultat erwarten lassen. Die Gewerkschaften verwiesen auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten, die die Kaufkraft der Renten – in der Schweiz bekannt unter dem Kürzel AHV (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge) – geschmälert haben. 

Der Politikanalyst Georg Lutz sieht in der Annahme der Initiative eine "Zäsur" für die Schweiz. "Noch vor zehn Jahren hätten die bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbände – die gemeinsam dagegen sind – so eine Initiative im Schlafwagen versenkt", sagte er im Vorfeld der Abstimmung. 

"Wenn die sich bedienen, dann wollen wir auch etwas für uns"
In dem Ergebnis könnte sich auch die öffentliche Verärgerung über die Rettung der Credit Suisse im letzten Jahr ausdrücken, meint Michael Hermann, Chef des Meinungsforschungsinstituts Sotomo. "Viele finden, die Unternehmer und Manager hätten den ungeschriebenen Schweizer Gesellschaftsvertrag gebrochen: Dass die Chefs zurückhaltend sind mit Boni und Ausschweifungen, das Volk dafür auch zurückhaltend ist bei Sozialforderungen", sagte er der "Sonntags-Zeitung". "Man ist schon länger erzürnt über das Verhalten der Wirtschaft, die Abzocker, die Steuervermeider. Oft hört man nun: Wenn die sich bedienen, dann wollen wir auch etwas für uns."

Finanzierung durch Erhöhung der Mehrwertsteuer
Die Renten sollen laut dem Text der Initiative ab 2026 erhöht werden. Die geschätzten zusätzlichen Kosten für die Erhöhung machen 4,1 Milliarden Franken (rund 4,3 Mrd. Euro) aus. Der Bundesrat (die Regierung) muss nun sehen, wie sie das Geld dafür auftreibt. Sie hatte die Ablehnung der Initiative empfohlen.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter von der wirtschaftsliberalen FDP erklärte mit Verweis auf das Haushaltsdefizit, die Mittel würden voraussichtlich über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aufgebracht. Steuererhöhungen für Unternehmen zur Finanzierung der höheren Renten lehnt die FDP ab. 

Regional fand die Rentenerhöhung vor allem in den französisch- und italienischsprachigen und in den städtisch geprägten Kantonen großen Zuspruch, während die Wähler im deutschsprachigen Teil und in eher ländlichen Kantonen skeptischer waren. Die Wahlbeteiligung lag landesweit bei über 58 Prozent. (mb/Bloomberg)