Marie Cardoen, seit November 2016 Leiterin des Drittvertriebes bei Goldman Sachs Asset Management (GSAM) in Deutschland und Österreich, musste in dieser Zeit bereits zwei Börsenkorrekturen gegenüber Kunden und Vertriebspartnern erklären. Im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE berichtet sie über die Auswirkungen der aktuellen Covid-19-Pandemie auf den Vertrieb von GSAM und was sie und Ihr Team aus der Krise für die eigene Arbeit daraus gelernt haben.


Frau Cardoen, wie haben Ihre Kunden und Vertriebspartner wie Banken und unabhängige Berater in der Corona-Krise reagiert?
Marie Cardoen: Sehr besonnen. Im Gegensatz zur Finanzkrise 2008/2009 gab es von Privatkundenseite keine Panikverkäufe, sodass wir nur sehr geringe Mittelabflüsse verzeichnet haben. Da muss ich unseren Partnern, allen voran den Privatbanken, ein großes Lob aussprechen. Sie haben Tolles geleistet und gemeinsam mit uns die Anleger umfassend beraten und gezielt unterstützt. Die Berater selbst haben viel mit uns in Austausch gestanden, auch wertvolle Fragen an die Portfoliomanager gestellt.

Ihre Fonds hatten also nicht mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen?
Cardoen: Überhaupt nicht. Die vom deutschen Gesetzgeber erlaubten Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität mussten wir nicht einmal erwägen.

Wie sieht die Nachfrage von Kundenseite aus, nachdem sich die Märkte beruhigt haben?
Cardoen: Institutionelle Anleger haben deutliches Interesse an Aktien gezeigt, vor allem an thematischen Fonds und Schwellenländer-Portfolios. Ebenso fragen sie nach alternativen, illiquiden Anlagemöglichkeiten wie Private Debt. Im Rentenbereich gibt es Anfragen zu Hochzinsanleihen und auch Portfolios, die in nachhaltige Anleihen investieren. Institutionelle Investoren haben bislang noch nicht viel nachgekauft, dies aber für das dritte oder vierte Quartal angekündigt. Private Anleger interessieren sich ebenfalls für Aktien, haben aber auch noch nicht in größerem Umfang geordert, sodass die Mittelzuflüsse derzeit nicht hoch sind.

Welche Produkte und Strategien empfehlen Sie selbst für das aktuelle Marktumfeld?
Cardoen: Da muss ich etwas ausholen. Die Pandemie hat überall auf der Welt zu strukturellen Veränderungen geführt, gerade auch bei der Lebensweise der Menschen. Das betrifft auch das Konsumverhalten, was wiederum Auswirkungen auf viele Branchen hat. Gestärkt werden Unternehmen, die auf einen Online-Vertrieb, aber auch solche, die auf Millennials oder die "Generation Y" setzen. Die hat trotz aktuell immer noch eine vergleichsweise hohe Kaufkraft beziehungsweise wird diese nach Ende der Krise wieder haben und ist online-affin. Daher sind Aktien von Firmen, die von den Lebensgewohnheiten der Millennials profitieren und ihre Produkte und Dienstleistungen auch online anbieten, eine gute Empfehlung. Ebenso Gesellschaften, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen sowie Schwellenländer. Grundsätzlich ist unsere Botschaft: Ruhig bleiben und bei Investments auf aktives Management setzen. Sie wollen schließlich Manager, die die langfristig erfolgreichen Firmen "herauspicken".

Soll heißen, dass sich diese Empfehlungen auch bei Ihren Vertriebsschwerpunkten in diesem Jahr niederschlagen werden?
Cardoen: Genau. Zudem werden wir in diesem Jahr auch das Geschäft mit börsengehandelten Indextrackern (ETFs) ausbauen, das wir 2019 gestartet haben.

Wie passen ETFs und der Rat zu aktivem Management zusammen?
Cardoen: In unserem Fall sehr gut! Wie setzten nicht auf einfache, passive Indextracker, sondern auf Produkte mit Smart-Beta-Strategien, die eine Outperformance gewährleisten. Abgesehen davon haben wir bisher drei ETFs lanciert, unter anderem zu China-Anleihen, für die es gute Kaufgründe gibt. Zum einen kann man nicht so einfach direkt in chinesische Anleihen investieren, über unsere ETFs geht das. Zum anderen hat das Land die Krise bislang recht gut überstanden, sieht Licht am Horizont langfristig.

Zurück zum Vertrieb: Wie kommen Sie im Marketing und in der Vertriebsbetreuung mit Homeoffice zurecht?
Cardoen: Ich denke, wir sind alle in gewisser Weise "Millennials" geworden. Aus jeder Krise lernt man was Neues. Wir haben erkannt, dass man im Homeoffice mit IT-Unterstützung, also Videokonferenzen oder Webinare, genauso gut kommunizieren kann wie persönlich von Angesicht zu Angesicht.

Das hört sich so an, als ob Sie das beibehalten werden…
Cardoen: Ja, einiges davon sicher.

Wir danken für das Gespräch. (jb)