Die Vereinigten Staaten gelten als das Preisparadies für Fondsanleger. Europa hingegen haftet der Ruf an, teuer zu sein. Dies will der europäische Branchenverband Efama so jedoch nicht stehen lassen. In einer Analyse beleuchtet der Lobbyverband die Kosten auf den beiden Kontinenten und stellt die These auf, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind – sofern man alle Faktoren berücksichtigt.

Denn ein entscheidender Fakt bleibt oft unberücksichtigt: Während in den Anteilsklassen für Retailanleger von UCITS-Vehikeln meist die Kosten für die Finanzberatung enthalten sind, ist dies im überwiegenden Teil der US-Fonds nicht der Fall. Privatanleger zahlen für diese Dienstleistung extra. "Es ist wichtig, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen", betont Efama-Researchleiter Bernard Delbecque. Er stellt daher auf die Besitzkosten eines Fonds ab, die sowohl die reinen Produktkosten als auch Vertriebsaufwendungen, etwa für die Beratung, enthalten.

Schiere Größe
Bei einer Gegenüberstellung der reinen Produktkosten fällt auf, dass bei der Betrachtung des einfachen Kostenschnitts die US-Fonds sogar mit etwas höheren Preisen aufwarten als ihre europäischen Pendants. Betrachtet man jedoch die reinen Produktkosten nach dem Volumen gewichtet, zeigt sich ein anderes Bild. Hier weisen die US-Fonds ein deutlich geringeres Kostenniveau auf. In Nordamerika liegt also das meiste Geld in günstigen Fonds.

Die Erklärung für diese deutlichen Unterschiede liegt in der schieren Größe und Homogenität des US-Investmentmarktes. "Diese ermöglichen es den Fondsmanagern, von einem großen Kundenstamm zu profitieren und wichtige Skaleneffekte zu erzielen", erläutert Delbecque. "Anders ist die Situation in Europa, wo UCITS vor dem Hintergrund von 27 verschiedenen lokalen Regelwerken und verschiedenen Sprachen agieren."


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Um den unterschiedlichen nationalen Regeln und Gepflogenheiten gerecht zu werden, legen Anbieter mehr Fonds und Anteilsklassen auf als in Nordamerika. "Diese Verhältnisse verhindern das Entstehen von UCITS, die so groß sind wie ihre amerikanischen Pendants", erläutert der Efama-Mann. "Und es erklärt, warum die volumengewichteten Kosten von UCITS nur geringfügig niedriger sind als die einfachen Durchschnittskosten."

Überraschender Gleichstand
Im nächsten Schritt vergleichen die Efama-Analysten die Besitzkosten für ein Fondsinvestment. Für den UCITS-Markt ziehen die Autoren die laufenden Kosten heran, die ja die Vertriebskosten bereits enthalten. Für die USA stützen sie sich hingegen auf Daten von ISS Market Intelligence. Demnach beziffern sich die Gebühren für eine Finanzberatung auf bis zu 1,5 Prozent für Vermögen unter 100.000 US-Dollar. Bei einem Volumen von mehr als einer Million Dollar sinken die Sätze jedoch auf gut ein Prozent. Aus diesen Angaben leiten die Efama-Forscher die durchschnittlichen Besitzkosten eines Fonds für die USA ab.

Im Endergebnis ergeben sich für einen Fonds dies- und jenseits des Atlantiks Besitzkosten in exakt gleicher Höhe. Nach Volumen gewichtet sind es jeweils 1,61 Prozent, so das überraschende Ergebnis der Efama. Theoretisch haben in den USA Privatanleger zwar die Möglichkeit, in provisionsfreie Anteilsklassen zu investieren. "Eine sehr große Zahl von Anlegern bezahlt jedoch Vermittler für Beratung und Unterstützung aus ihrer eigenen Tasche", berichtet Delbecque. Angaben des ICI zufolge greifen 75 Prozent der US-Haushalte, die abseits von Betriebsrenten in Fonds investieren, auf die Unterstützung von Finanzberatern zurück. (ert)