Spricht man dieser Tage mit den Verantwortlichen der heimischen Finanzvertriebsszene, so hat man unweigerlich den Eindruck, dass die Coronakrise trotz ihrer ernsten Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Gesamtwirtschaft eine positive Dynamik in den Markt gebracht hat. Die Digitalisierungsbemühungen der vergangenen Jahre zahlen sich für die Unternehmen nun aus, und die große Stärke der Berater – die Kommu­nikation mit Kunden – ist in Krisenzeiten gefragter denn je.

Hoher Digitalisierungsgrad hat geholfen
Rasch haben sich die Wertpapierfirmen und die angeschlossenen Vertriebspartner auf die neue Situation eingestellt, trotz des persönlichen Kontaktverbots mit den Kunden konnte der Informationsfluss per Mail, Telefon, Videokonferenzen und Webinaren aufrechterhalten bleiben. In vielen Fällen hat die virusbedingte Isolation geradezu als Beschleuniger der weiteren ­Digitalisierung gewirkt. So berichtet Alexander Varga, Geschäftsführer bei Jung, DMS & Cie.: "Die Krise hat gezeigt, wozu man in der Lage ist, wenn die Situation außergewöhnlich ist. Durch Corona hat sich der Digitalisierungsgrad in vielen Bereich unglaublich schnell weiterentwickelt."

Ähnliches berichtet Finanzadmin-Geschäfts­führer Reinhard Magg, auch die Österreich-Tochter der deutschen Fondskonzept profi­tierte in den vergangenen Monaten von den Investitionen und Bemühungen bei der Digitalisierung: "Sehr viele unserer Berater verwenden nahezu ausschließlich unsere App für die Abwicklung von Kundenaufträgen. In Kombination mit dem Kundenzugang beziehungsweise mit der Kunden-App ist dies eine sehr gute Möglichkeit, Anleger auch in diesen schwierigen Zeiten vollumfänglich zu betreuen". Im Detail konnte das Unternehmen so seit dem Beginn der Coronakrise mehr als 1.000 Unterlagen pro Woche digital ver­arbeiten. Im Vergleich zum März des ­Vorjahres wurde eine Steigerung von 25 Prozent erzielt.

Situation genutzt
Insgesamt bestätigen Varga und Magg, dass viele Kunden die Situation genutzt haben, um ihre Veranlagung zu optimieren. „Bei der Analyse der verarbeiteten Unterlagen fällt eine Vielzahl von Nachzeichnungen auf. Daraus lässt sich ablesen, dass einige Kunden die Kurseinbrüche an den weltweiten Börsen als Kaufgelegenheiten genutzt haben", so Magg. Es zeigt sich also, dass es trotz des Wegfalls des physischen Kundenkontakts keine massiven Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf gab. Allerdings setzt das laut Varga schon voraus, dass die Berater proaktiv auf den Kunden zugehen: "Unsere Vertriebspartner haben in dieser Zeit stark mit Mailings und Webinaren gearbeitet und sind dadurch laufend mit den Kunden in Kontakt geblieben." Dieser Einsatz ging jedoch weder an den Mitarbeitern der Wertpapierfirma noch an den Vertriebspartnern spurlos vorüber. So zeigt sich laut Varga, dass die letzten Wochen an die Substanz der Leute gegangen sind. "Mittlerweile merkt man schon gewisse ­Erschöpfungszustände. Wir hatten phasenweise 50 bis 70 Prozent mehr Anträge als in ­einem durchschnittlichen Monat, und die Bearbeitung erfolgte im Homeoffice", beschreibt er die Situation. 

Steigerung im Neugeschäft
Am Ende hat sich der Einsatz jedenfalls vorläufig ausgezahlt. So berichtet Varga, dass bei JDC allein im März so viel Neugeschäft gemacht wurde wie im gesamten ersten Quartal 2019. Ähnlich stellte sich die Situation auch im April dar, hier kam allerdings hinzu, dass während am Anfang der Krise vor allem mit Bestandskunden Geschäft gemacht wurde, die neuen Lösungen im Bereich der Legitimations- und Identifikationsprüfung dann auch Umsatz mit Neukunden ermöglichten. Inwieweit nun die Einbrüche an den Kapitalmärkten sich dieses Jahr auf die Bestandsprovisionen auswirken werden und ob diese durch das Neugeschäft ausgeglichen werden können, wird sich laut Varga jedoch erst zeigen. "Vielleicht kommen wir mit einem blauen Auge davon", hofft der JDC-Geschäftsführer. 

Mitgliederstatistik der Wirtschaftskammer
Entwarnung gibt vorerst auch ein Blick auf die aktuelle Mitgliederstatistik der Wirtschaftskammer. Per Ende März zeigt sich hier noch kein deutlicher Einbruch gegenüber dem Vorjahr. Zwar bestätigt Fachgruppenobmann Hannes Dolzer, dass etliche Berater mit dem Thema Neukundenakquise zu kämpfen hatten: "Da war die Einschränkung schon sehr groß.“ Große Umsatzeinbrüche hat Dolzer bisher ­allerdings bei seinen Mitgliedern nicht erkennen können. Wie erwartet ist daher der bisherige Rückgang bei den Betrieben mit "aktiver Gewerbeberechtigung“ moderat ausgefallen: "Ein Minus von zwei Betrieben zwischen 31. 12. 2019 und 31. 3. 2020, und bei den Ver­mögensberatern sind es um 35 weniger, da setzt sich aber einfach der Trend der letzten Jahre fort. Insofern sehen wir einen moderaten Rückgang", so Dolzer. (gp)


Den gesamten Artikel finden unsere Leser in der aktuellen Heftausgabe 02/2020 von FONDS professionell beziehungsweise angemeldete User im E-Magazin