Die Uhr tickt: Am 2. August, also in nur wenig mehr als zehn Tagen, 240 Stunden oder rund 15.000 Minuten, müssen nicht nur Finanzberater in Banken, sondern auch Vermittler von Versicherungsanlageprodukten wie fondsgebundenen Lebensversicherungen ihre Kunden fragen, welche Nachhaltigkeitspräferenzen sie bei der Produktwahl berücksichtigt wissen möchten. Diese ESG-Wünsche müssen sie in die Geeignetheitsprüfung aufnehmen, wie die EU-Änderungsverordnung 2021/1257 vom 21. April 2021 es vorschreibt. Um den Vermittlern bei der Umsetzung der recht dürren Vorgaben in der Verordnung zu helfen, hat die EU-Versicherungsaufsicht Eiopa nun die endgültige Fassung ihrer im April zur Konsultation gestellten Leitlinien zur Abfrage veröffentlicht (externer Link).

Die Behörde macht insgesamt sieben Vorschläge, wie die Vermittler die Abfrage in der Praxis rechtskonform umsetzen sollen. Vor der eigentlichen Geeignetheitsprüfung sollten Berater die Kunden über die möglichen Nachhaltigkeitsausprägungen aufklären (Punkt 1). Da gibt es Produkte, die der Taxonomieverordnung entsprechen, solche, die einen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen im Sinne der sozialen und der Governance-Ziele gemäß der EU-Offenlegungsverordnung vorsehen, oder Produkte, bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (PAI) berücksichtigt werden. 

ESG am Schluss der Abfrage
Weiter rät die Eiopa (Punkt 2), dass Vermittler die Informationen zur Nachhaltigkeitspräferenz erst dann sammeln sollten, wenn alle andere Informationen wie Risikobereitschaft und Anlageziele im Rahmen der Geeignetheitsprüfungen eingeholt sind. Hierbei muss dann gefragt werden, welche der drei genannten Nachhaltigkeitsausprägungen der Kunde wünscht und wie hoch der Anteil der jeweiligen nachhaltigen Strategie an der Gesamtinvestition sein soll. Die Eiopa rät, dass stets nach Mindestanteilen statt nach festen Bandbreiten (von … bis … Prozent) gefragt wird.

Für den abschließenden Produktabgleich empfiehlt die Behörde (Punkt 5), dass Anlageprodukte zunächst auf Basis des Wissens, der finanziellen Situation und der Anlageziele ausgesucht werden. In einem zweiten Schritt sollen aus diesen solche gewählt werden, die den Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechen. Punkt 6 befasst sich mit der Frage, wie Änderungen der Nachhaltigkeitspräferenz des Kunden dokumentiert werden – vor allem, wenn kein passendes Produkt zu den ESG-Wünschen des Anlegers gefunden wurde.

Weiterbildungsanforderungen
Die in Frankfurt ansässige Aufsicht befasst sich ferner damit, wie regelmäßige Überprüfungen aussehen können, mit denen sichergestellt wird, dass die Produkte immer noch den Präferenzen entsprechen (Punkt 3). Unter Punkt 7 wird klargestellt, dass Vermittler sich vor dem 2. August entsprechend weiterbilden müssen, um die neue Abfrage auch inhaltlich bewältigen zu können. Wichtig ist ferner Punkt 4, in dem die Eiopa ausführt, wie und wo Vermittler die Angaben zur Nachhaltigkeitsausrichtung der Produkte selbst finden können. Hier gibt es eine Übergangsfrist bis Ende des Jahres, weil bis dahin keinerlei Angaben vorliegen werden, ob ein Produkt konform mit der Taxonomie ist.

All diese Vorschläge der Eiopa sind übrigens entgegen den ursprünglichen Plänen nicht verbindlich. Es handelt sich stattdessen um unverbindliche Hinweise. Darauf macht der deutsche Vermittlerverband Votum in einer Presseerklärung aufmerksam. Die Aufsicht möchte sich gewissermaßen zunächst an der Seitenlinie positionieren und die Umsetzung der Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenzen in der Praxis erst einmal beobachten.

Verband: Lernfähige Behörde
"Die Eiopa hat anerkannt, dass es aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Regulierungsinitiativen sowie der Tatsache, dass die Anwendung der Rechtsvorschriften zur Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen vor dem Inkrafttreten der Frist für die Meldung von Unternehmensdaten im Rahmen der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgt, aktuell noch deutlich zu früh ist, um eine verbindliche Leitlinie zu formulieren", so Votum-Vorstand Martin Klein. (jb)