Ferdinand Haas gilt als versierter Kenner des Fondsvertriebs: Der Betriebswirt startete seine Karriere bei der Deutschen Bank, bevor er fast fünf Jahre lang den Maklerpool BCA als Vertriebs- und Investment-Vorstand leitete. Im Herbst 2006 wechselte er zurück zur Deutschen Bank, wo er für die DWS die Produktstrategie verantwortete. Inzwischen ist er in dieser Funktion für den globalen Konzernbereich Deutsche Asset & Wealth Management tätig, in dem die Deutsche Bank ihr Fonds- und Vermögensverwaltungsgeschäft gebündelt hat. Er leitet den Vertrieb aktiv verwalteter Produkte in Europa und Asien und koordiniert die Produktstrategie. Mit FONDS professionell ONLINE spricht er über die Konkurrenz durch passive Indexfonds, den Kostendruck in der Branche und die Zukunft der Finanzberatung.

Herr Haas, der Fondsabsatz lief in den vergangenen Monaten branchenweit recht gut. Einmaleffekt oder Trendwende?

Haas: Der Trend pro Fonds ist auf jeden Fall intakt. Dabei habe ich allerdings weniger die jüngsten Monatszahlen im Blick als die längerfristigen Entwicklungen. Selbst wenn es am Aktienmarkt mal wieder runtergeht, der Trend hin zu privater Altersvorsorge verschwindet nicht. Und der Fonds erfüllt zwei wesentliche Anforderungen hierfür: Erstens ist er als Sondervermögen frei von einem konzentrierten Ausfallrisiko, das Sie sonst bei eigentlich jeder anderen Anlageform haben. Und zweitens haben Sie mit dem Fondsmanager jemanden, der das Portfolio steuert, der aktiv eingreifen und sogar die Strategie anpassen kann, wenn es nötig ist. Beides ist vor allem bei einem sehr langen Anlagehorizont unerlässlich.

Zeigt sich dieser Trend auch in den Zahlen der DWS?

Haas: Ja. Wir verwalten inzwischen rund 13 Milliarden Euro in Altersvorsorgelösungen, und jedes Jahr kommen rund zwei Milliarden Euro dazu.

Das klingt nach einem ordentlichen Wachstum in diesem Segment. Aber wie lange bleibt das so? Kostengünstige Indexfonds machen den aktiv verwalteten Produkten immer mehr Konkurrenz, auch die Deutsche Bank hat das aktive und das passive Management inzwischen unter einem Dach gebündelt. Haben Sie jetzt die Konkurrenz im eigenen Haus?

Haas: Auch ich traue den ETFs noch ein großes Wachstum zu. Der Wettbewerb ist gesund, auch wenn er Druck auf die Gebühren aktiv verwalteter Fonds ausübt. Das begrüßen sicherlich nicht alle in der Branche, aber die Fondsindustrie wird nicht umhinkommen, sich diesem Thema zu stellen. Im institutionellen Geschäft passiert das übrigens schon längst: Selbst für ein aktiv verwaltetes Frontier-Market-Mandat werden oft nur noch 0,75 Prozent Verwaltungsgebühr pro Jahr bezahlt. Ein Frontier-Market-ETF verlangt 0,5 Prozent. Aber gerade in diesen wenig entwickelten Märkten sollte sich aktives Management lohnen. Ich als Investor würde den Aufschlag von 0,25 Prozentpunkten in diesem Beispiel auf jeden Fall gerne bezahlen.

Im Retail-Geschäft liegen die Gebühren deutlich höher, vor allem wegen den Kosten für den Vertrieb. Finanzberater sind auf Provisionen angewiesen.

Haas: Hier wird der Kostendruck zunehmen, das steht außer Frage.

Werden Kickbacks bald auch hierzulande verboten, so wie schon in Großbritannien und den Niederlanden?

Haas: Das kann durchaus passieren. Die Diskussion, ob Provisionen fair sind oder nicht, läuft allerdings in die falsche Richtung. Entscheidend ist allein, dass der Kunde keinen falschen Eindruck davon erhält, was die Beratung ihn kostet. Letztlich ist das eine Frage der Transparenz und Offenlegung. Sind 0,75 Prozent Retrozessionen pro Jahr gerechtfertigt? Ein Kunde, der sich gut betreut fühlt, wird dem zustimmen – beim Vermögensverwalter würde er genauso viel bezahlen. Eines Tages wird die Produktprovision durch eine Beratungsgebühr ersetzt werden, auch wenn es bis dorthin noch ein langer Weg ist.

Wird die Beratungsgebühr im Schnitt genauso hoch liegen wie die Provision?

Haas: Wahrscheinlich nicht, aus zwei Gründen: Erstens zahlen Anleger oft aus psychologischen Gründen lieber eine "Dirty-Fee", die aus dem Produkt genommen wird, als eine separat ausgewiesene "Clean-Fee". Das gilt übrigens nicht nur für Privatanleger, sondern selbst für manche institutionelle Investoren. Zweitens wird das Renditeniveau am Kapitalmarkt auf absehbare Zeit deutlich niedriger liegen als in den vergangenen Jahrzehnten. Der Kuchen wird also kleiner, und der Verteilungskonflikt zwischen Anleger und Berater nimmt zu.

Was ist die Konsequenz daraus?

Haas: Eine Konsolidierung im Markt für Finanzberatung. Gerade die freien Berater werden es sehr schwer haben. Für die meisten lohnt sich einfach nicht mehr, einen Kunden zuhause zu besuchen, um bei ihm auf der Couch im Wohnzimmer ein Beratungsgespräch zu führen. Oder anders formuliert: Wenn Sie 10.000 Euro anlegen wollen und ein Vermittler dafür 30 Kilometer Anfahrt in Kauf nimmt, dann sollten Sie sich überlegen, wie hoch seine Marge ist. Das große Geld dagegen kann die Konditionen bestimmen: Wenn mich ein Kunde anruft, weil er eine Milliarde Euro investieren will, setze ich mich dafür gerne auch ein paar Stunden in den Flieger.

Und Beratung für Normalsterbliche findet künftig gar nicht mehr statt?

Haas: Wer kein nennenswertes Vermögen hat, darf nicht mehr darauf vertrauen, dass jemand zu ihm kommt. Er muss sich selbst bewegen. Das spricht ganz klar für das stationäre Geschäftsmodell, also für die Banken – ihre Bedeutung in der Finanzberatung wird wieder wachsen.

Die Banken haben in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Vertriebsskandalen für Schlagzeilen gesorgt. Haben die Anleger das schon wieder vergessen?

Haas: Die Denke in den Banken hat sich deutlich geändert. Heute ist die Zufriedenheit des Kunden ein wichtiges Kriterium in der Erfolgsmessung der Bank und des Beraters. Früher zählte nur der Umsatz.

Eine Lösung für alle bietet Bankberatung aber auch nicht: In Großbritannien lehnen einige Institute inzwischen Kunden ab, wenn sie nicht genug Geld mitbringen.

Haas: Wer weniger als 10.000 Euro zum Anlegen mitbringt, hat es in der Tat schwer. Der Anspruch, dieser Zielgruppe eine qualifizierte Beratung bieten zu können, ist meiner Meinung nach auch das einzige stichhaltige Argument, das für eine Vorprovisionierung spricht. (bm)