Sie gilt in Deutschland als Pionierin auf dem Gebiet der Mikrofinanzfonds für Privatanleger. Nun ist Edda Schröder, Gründerin und Inhaberin des Fondsanbieters Invest in Visions, mit dem Fondsfrauen Award in der Kategorie "Woman oft he Year" 2020 ausgezeichnet worden. Frauen in der Finanzbranche sollten noch viel klarer ihre eigenen Qualitäten herausstellen, erklärt Schröder im Interview mit FONDS professionell ONLINE.


Frau Schröder, Sie sind mit dem Fondsfrauen Award in der Kategorie "Woman of the Year" 2020 ausgezeichnet worden. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie davon erfuhren?

Edda Schröder: Ich habe gedacht: "Warum ich?" Ich sehe das, was ich mache, eigentlich nicht als etwas Besonderes an. Ich mache es einfach, weil es mir ein Anliegen ist. Deshalb hätte ich gar nicht damit gerechnet, diese Auszeichnung zu erhalten. Ich bin begeistert und freue mich riesig.

Sie haben sich 2006 aus einer Festanstellung bei Schroders heraus selbstständig gemacht und fünf Jahre später den IIV Mikrofinanzfonds aufgelegt. Das war in Deutschland der erste Fonds dieser Art, der auch Privatanlegern offensteht. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Schröder: Die Position als Geschäftsführerin bei Schroders war klasse, aber als ich 2005 durch die KfW auf das Thema Mikrofinanz aufmerksam wurde, hat mich das Konzept begeistert. Ich war schon seit meiner Studienzeit viel als Backpackerin unterwegs gewesen, auch in den Entwicklungsländern. Das mache ich heute noch gern. Da habe ich viel Schönes gesehen, aber auch viel Elend. Als die KfW dann den ersten Mikrofinanzfonds auflegen wollte, habe ich auf privater Ebene dabei ein bisschen unterstützt. Ich fand die Idee genial, diese Brücke zu schlagen: Anlegern eine Möglichkeit zu geben, eine finanzielle und soziale Rendite zu erzielen, und das Kapital Menschen zur Verfügung zu stellen, damit sie sich etwas aufbauen können. Hilfe zur Selbsthilfe, das ist das Wichtige, Unternehmertum in den Entwicklungsländern zu schaffen – und zwar gerade für Frauen.

Gerade für Frauen? 

Schröder: Der bengalische Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus, der einer der Begründer des Mikrofinanz-Gedankens ist und dafür 2006 den Friedensnobelpreis bekommen hat, hat das Geld über seine selbst gegründete Grammen Bank ausschließlich Frauen zur Verfügung gestellt, meistens als  Gruppenkredite für mehrere Frauen zusammen. Dieses Konzept hat sich sehr gut etabliert, die Rückzahlungsquoten lagen bei 98 Prozent und waren bis kurz vor der Corona-Pandemie noch immer ähnlich hoch. Das Modell der Mikrokredite hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, heute bekommen auch Männer solche Finanzierungen. Eine Ausnahme ist allerdings Indien: Hier werden Mikrokredite nach wie vor nur an Frauen vergeben. In unserem gesamten Portfolio liegt der Anteil von Finanzierungen für Frauen bei ungefähr 57 Prozent.

Wenn Sie einmal zurückblicken: Wie war es, sich 2006 als Frau in einer männerdominierten Branche selbstständig zu machen und dann auch noch mit einem damals exotischen Thema?

Schröder: Ich wurde von Kollegen aus der Asset-Management-Branche schon belächelt. So nach dem Motto: "Da kommt sie, die Grüne, bald trägt sie auch noch Poncho und Birkenstock-Latschen." Es gab auch sehr schwierige Phasen, ich habe immer wieder überlegt, wie lange ich das wirtschaftlich noch durchalten kann. Aber ich wollte meine Vision unbedingt umsetzen und bin hartnäckig drangeblieben, bis es lief. Meine Motivation und Hartnäckigkeit habe ich mir auch immer wieder durch die Besuche vor Ort in den Ländern erhalten. Als der IIV Mikrofinanzfonds dann ein gewisses Volumen hatte, habe ich plötzlich ganz andere Reaktionen von männlichen Kollegen bekommen. Da wurde ich mit meinem Fonds plötzlich interessant und bekam Aufmerksamkeit.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie inzwischen und wie viele sind Frauen?

Schröder: Im Team sind wir jetzt insgesamt 20 Mitarbeitende, davon sind über die Hälfte Frauen. Auf der Führungsebene sind wir zu dritt, und, ja, dort bin ich die einzige Frau. Wir haben acht Nationalitäten bei Invest in Visions. Das ist auch wichtig, denn zu den Menschen bei den Mikrofinanzinstituten vor Ort entsteht automatisch eine ganz andere Beziehung, wenn Gespräche in der Landessprache geführt werden können, die Mentalität und die Gepflogenheiten bekannt sind. Immerhin haben wir inzwischen 31 Länder im Portfolio.

Wie hat sich die Coronakrise auf den IIV Mikrofinanzfonds ausgewirkt?

Schröder: Während der schwierigen Phase des Lockdowns haben viele Länder Moratorien ausgesprochen, sodass die Endkunden ihre Darlehen zwischen drei und sechs Monaten nicht bedienen mussten. Das war auch gut so. Dementsprechend haben unsere Mikrofinanzinstitute die Kredite nicht zurückbekommen und wir haben die Finanzierungen auch gestundet. Seit Anfang Juni haben wir keine Stundungsanfragen mehr bekommen. Daher sind wir jetzt verhalten optimistisch, je nachdem wie sich die Pandemie weiter ausbreitet. Auf der Investorenseite haben wir geringfügige Rückflüsse gesehen, die allerdings von institutionellen Investoren ausgelöst wurden. Privatanleger waren loyaler. Ich denke, ihnen ist die soziale Rendite wirklich wichtig. Inzwischen hat der Fonds die Einbußen ohnehin wieder aufgeholt.

Werfen wir einmal einen Blick auf die Situation von Frauen in der Finanzbranche: Was hat sich verändert, seit Sie sich selbstständig gemacht haben?

Schröder: Es gibt inzwischen wesentlich mehr Frauen in der Finanzbranche, aber immer noch zu wenige. Wenn man sich zum Beispiel die Panels bei Veranstaltungen anschaut, dann ist es schon viel, wenn da mal zwei Frauen vertreten sind. Das ist schade. Ich finde, man kann nicht ständig auf ESG pochen, aber dabei nur das E, also den Umweltaspekt einbeziehen, und das Soziale und die Corporate Governance vergessen. Auf der anderen Seite muss ich auch sagen, dass Frauen sich oft nicht genug zutrauen, auch wenn sie die gleiche Qualifikation haben wie Männer Wir hatten gerade einen Einstellungsprozess und wollten ganz gern eine Mitarbeiterin nehmen. Aber Frauen bewerben sich oft gar nicht erst, wenn sie einen von zehn Punkten des Anforderungsprofils nicht erfüllen. Das ist bei Männern anders. Letztendlich haben wir trotzdem eine Frau gefunden.

Und was würden Sie gerade jungen Frauen in der Finanzbranche heute zurufen?

Schröder: Mutiger zu sein, sich selbst in Position zu bringen und die eigenen Qualitäten herauszustellen. Die Finanzdienstleistungsbranche, gerade der Vertrieb, ist immer noch eine Darstellungsbranche. Da müssen Frauen selbstbewusster auftreten, um auch in den ersten Ligen mitzuspielen. Denn das können sie!

Vielen Dank für das Gespräch. (am)