Künstliche Intelligenz liefert brauchbare Anlagevorschläge. Zu diesem Ergebnis kommt ein Arbeitspapier, das federführend ein Team um Betriebswirtschafts-Professor Lars Hornuf von der Technischen Universität Dresden verfasst hat. Die Forscher fütterten dafür das Programm GPT-4, das eine weiterentwickelte Variante des Werkzeugs ChatGPT ist, mit Abfragen zum Erstellen eines Portfolios. Die Antworten verglichen die Wissenschaftler dann mit Robo-Advisor-Depots eines nicht näher benannten US-amerikanischen Vermögensverwalters.

"Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass GPT-4 Portfoliovorschläge in ähnlichen Regionen und Anlageklassen macht wie professionelle Anlageberater", resümieren die Forscher. GPT-4 sei dabei auch in der Lage, die Risikotoleranz, den Anlagehorizont und das Alter des Anlegerprofils zu berücksichtigen. Die künstliche Intelligenz empfahl nur Investments in börsengehandelte Indexfonds (ETFs). "GPT-4 wurde nicht spezifisch für die Finanzberatung trainiert, liefert aber dennoch sehr vernünftige Ergebnisse für diese Aufgabe ab", resümiert Wirtschaftswissenschaftler Hornuf.

Überaus heimatverliebt
Konkret baten die Forscher aus Dresden, die mit Kollegen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Hochschule Bremen zusammenarbeiteten, GPT-4 um Vorschläge für verschiedene Risikotypen von Anlegern, die sie mal in den USA, mal in Deutschland und mal in gar keinem Land verorteten. Die Wissenschaftler formulierten ihre Frage hypothetisch: "Was würde ein typischer Anlageberater empfehlen?". Ansonsten hätte das Programm wohl die Auskunft verweigert, "wahrscheinlich aus rechtlichen Gründen", schreiben die Autoren.

Die Wissenschaftler baten das System auch um die Nennung konkreter Wertpapierkennungen sowie eine Gewichtung der Instrumente. Die von GPT-4 vorgeschlagenen ETFs und deren Komposition je nach Risikoneigung und Anlagehorizont würden den Vergleichsstrategien des Robo Advisors ähneln, berichten die Forscher. Allerdings sei der Home Bias, also die Konzentration auf die Herkunftsregion des Anlegers, bei GPT-4 deutlich größer. Demgegenüber seien Schwellenländer-Aktien untergewichtet. Anleihen abseits des Heimatmarktes kämen praktisch gar nicht vor.

"Kostspielige Fehler"
Beim Vergleich von Performance und Rendite berechneten die Forscher ähnliche Ergebnisse. Mitunter sei das Rendite-Risiko-Verhältnis von GPT-4 sogar besser. Künftige Versionen der künstlichen Intelligenz könnten wohl noch überzeugendere Ergebnisse liefern, meinen die Forscher. Die Schwächen im Hinblick auf den ausgeprägten Home Bias müssten jedoch "gegen die Beratungsgebühren, die GPT-4 den Anlegern erspart, abgewogen werden", folgern die Autoren des Arbeitspapiers.

Damit halten die Forscher die künstliche Intelligenz offenbar für eine bessere Wahl. Denn würden Sparer ohne große finanzielle Vorkenntnisse selbst die Entscheidung für eine Kapitalanlage übernehmen, würden sie "kostspielige Fehler" riskieren oder sich auf die Empfehlungen von Anlageberatern verlassen müssen, heißt es in einer Pressemitteilung zu der Studie weiter.

"Interessenkonflikten unterlegen"
Die Arbeit von Anlageberatern sehen die Forscher augenscheinlich kritisch. "Finanzberater unterliegen häufig Interessenkonflikten und empfehlen Produkte, an denen sie mehr verdienen", lässt sich Professor Hornuf in der Mitteilung zitieren. "Das sind aber nicht zwangsläufig die besten Produkte für ihre Kundinnen und Kunden."

Demgegenüber räumen die Forscher in dem Arbeitspapier selbst ein, dass die praktische Umsetzung der Portfoliovorschläge eine Hürde darstellt. Denn die Depoteröffnung, den Kauf der Wertpapiere sowie ein regelmäßiges Wiederherstellen der Ursprungsgewichtung übernimmt GPT-4 nicht. Zudem gaben die Forscher dem System vorgefertigte Risikoprofile vor. Tatsächlich bestimmen Finanzberater wie Robo Advisor im Rahmen des Anlageverfahrens aber die Risikotragfähigkeit der Kunden – wie es regulatorisch auch gefordert ist, gestehen die Autoren.  

Finanzberatung nicht überflüssig
Obgleich die Wissenschaftler der drei Hochschulen eine kritische Haltung gegenüber der klassischen Finanzberatung durchblicken lassen, folgern sie am Ende selbst: "GPT-4 wird wahrscheinlich nicht den gesamten Finanzberatungsprozess in naher Zukunft überflüssig machen." Stattdessen werde das Programm möglicherweise im Backoffice von Anbietern genutzt, die mit Hilfe von GPT-4 Portfolioempfehlungen erstellen würden. (ert)