Österreichs Politiker setzen beim Pensionssystem trotz der Bevölkerungsalterung unbeirrt fast ausschließlich auf die umlageorientierte Ausrichtung, wonach die arbeitende Bevölkerung die Rentner finanziert. Über 90 Prozent der Pensionszahlungen im Land werden durch die erste Säule geleistet, betonte Stephan Korinek, stellvertretender Bereichsleiter der Versicherungs- und Pensionskassenaufsicht in der FMA, unlängst bei einer Diskussion im Rahmen der FMA-Aufsichtskonferenz.

Dass Änderungsbedarf besteht, verdeutlichte auch Valérie Mariatte-Wood, Leiterin der Abteilung Verbraucherschutz in der europäischen Versicherungs- und Pensionskassenaufsicht (Eiopa), mit neuen exklusiven Zahlen. In der freiwilligen betrieblichen Pensionsvorsorge liege Österreich zwar ungefähr im Mittelfeld der EU-Staaten. Doch während rund 25 Prozent der Männer in ein freiwilliges betriebliches Vorsorgeschema eingebunden sind, sind es nur 18 Prozent der Frauen. Eine extrem starke Kluft, die auf EU-Ebene nicht existiert: Europaweit besteht mit 26 versus 25 Prozent nur ein geringer Geschlechter-Unterschied.

In Österreich müssen zwar alle Arbeitgeber verpflichtend in die von den Vorsorgekassen verwaltete Abfertigung Neu einzahlen. Doch dies sind nur 1,53 Prozent vom Bruttolohn. In den freiwilligen betrieblichen Pensionskassen sind hingegen nur rund eine Million Menschen im Land erfasst. Die zweite Säule der betrieblichen Vorsorge hat sich damit bisher nicht zu einem Pensionszusatz entwickelt, der der Bevölkerung flächendeckend substanzielle Vorsorge gewährt.

Verpflichtende bAV gefordert
Damit mehr Österreicher eine betriebliche Pensionszusage erhalten, müssten sich vor allem mehr kleinere Unternehmen dafür interessieren, forderte Günther Schiendl, Vorstand der VBV-Pensionskasse. "Die betriebliche Altersvorsorge ist von oben nach unten getröpfelt. Die großen Unternehmen haben begonnen. Was fehlt ist, dass auch die Kleineren ihren Mitarbeitern eine betriebliche Altersvorsorge anbieten", so Schiendl.

Er forderte eine verpflichtende betriebliche Vorsorge des Arbeitgebers, wie sie auch in anderen Ländern üblich sei. Eine höhere betriebliche Vorsorge bedeute auch, dass die Menschen in der privaten Investmententscheidung entlastet werden und das Geld in ein sicheres, von der Aufsicht kontrolliertes System fließt. Die Branche deponiere seit Langem ihre Reformvorschläge wie einen Koffer bei den politisch Verantwortlichen. Es brauche oft nur kleine technische Änderungen in den Gesetzen, um mehr Flexibilität in die zweite Säule hineinzubringen, etwa ein nahtloser, steuerfreier Übertrag von der Vorsorge- in die Pensionskasse. Auch die Branche selbst kann laut Schiendl Verbesserungen vornehmen – etwa indem man einfachere Verträge anbietet.

Stabile Pensionen
Schiendl kritisierte, dass in Diskussionen über die Pensionskassenperformance angesichts der schwierigen Nullzinsjahre häufig Investmentreturn, Rechnungszins und tatsächliche Pensionsleistung vermischt würden. Es sei die Pensionsleistung, die für die Berechtigten von Bedeutung ist. "Seit 2020 gab es jedes Jahr ein Black-Swan-Ereignis. Pandemie, Lieferkettenproblematik, Zinsanstieg, Kriege", so Schiendl. Bei Verträgen mit einem Rechnungszins von drei oder zwei Prozent sei die Pensionsentwicklung trotz dieser Turbulenzen "sehr stabil". Dass hingegen bei vor 30 Jahren abgeschlossenen Verträgen die damaligen Ertragserwartungen angesichts des Tief- und Negativzinsumfelds der vergangenen Jahre schwer erfüllt werden können, sei klar.

Sein Renditeausblick fällt positiv aus: Das momentane, steigende Zinsniveau, das drei Prozent für deutsche Staatsanleihen und fünf für EU-Investmentgrade-Anleihen biete, sei "kein schlechtes für die Pensionskassen", die traditionell hoch in Anleihen veranlagt sind. Der Renditesprung erleichtere das Veranlagungsgeschäft, so Schiendl.

Dritte Säule in Österreich im EU-Schnitt
Erstaunlich waren die Zahlen, die Eiopa-Vertreterin Mariatte-Wood zur dritten Säule in Österreich präsentierte. Obwohl oft für die mangelnden Möglichkeiten kritisiert, liegt Österreich bei der individuellen privaten Vorsorge ebenfalls im europäischen Durchschnitt. 24 Prozent der Männer haben eine private Vorsorge, etwa als Versicherung oder in Form eines anderen Kapitalmarktprodukts, bei den Frauen sind es 22 Prozent. Der Gender-Gap ist hier kaum ausgeprägt, während es auf EU-Ebene umgekehrt ist, wo 23 Prozent der Männer, aber nur 16 Prozent der Frauen eine Privatvorsorge haben. Dass insgesamt EU-weit etwa 80 Prozent keinen Pensionsplan nach der zweiten oder dritten Säule haben, sei zu wenig, so die Expertin.

Sie betonte, dass sich die Eiopa auch die Produkte der Anbieter ansehe. Es gebe Fälle, wo Transparenz und die Offenlegung nur mittelmäßig sind. Angesichts der Dauer von Pensionsinvestments sei es besonders wichtig, von Beginn weg die richtige Entscheidung zu treffen. "Hier sind Fehlentscheidungen wirklich kostspielig", so Mariatte-Wood. Sie warnte auch vor der Auswirkung der Inflation, die zum einen eine Erosion der Ersparnisse zur Folge haben kann und zum anderen die Menschen davon abhalten kann, weiter zu sparen.

Eigenverantwortung
Aufseher Stephan Korinek betonte, es sei Ansatz der FMA in Österreich, darauf zu achten, dass bei der Altersvorsorge "Kunden Eigenverantwortung übernehmen können". Insofern sei es wesentlich auf Informationspflichten zu achten. Die FMA kann zwar wie die Eiopa den Staaten nicht vorschreiben, wie sie ihre Pensionssysteme ausrichten. Aber: "Unser Beitrag ist es, mitzuwirken, dass es eine stabile zweite oder dritte Säule gibt", so Korinek. Man achte darauf, dass realistische Sachen angeboten werden.

Einen Ausbau der privaten Vorsorge wünscht sich auch Judit Havasi, Generaldirektorin der Donau Versicherung. Vom Gesetzgeber fordert Havasi, dass dieser die Versicherungssteuer für nachhaltige und für langfristige Versicherungslösungen reduziert und dass die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge (PZV) wieder attraktiviert wird.

Hoffen auf Aufschwung der PZV
Nach Recherchen der Redaktion wurden im Vorjahr nur noch gut 6.000 PZV-Neuverträge verkauft; gerade vier Anbieter sind seit Einführung im Jahr 2003 übergeblieben (darunter die Donau und andere im VIG-Konzern). Mit dem Zinsanstieg sei "ein neuer Schwung" für die PZV da, so Havasi. In ihrem Unternehmen hätten die PZV-Verträge langfristig gute Returns geliefert.

Die Donau-Chefin forderte außerdem, dass der Gesetzgeber die betriebliche Vorsorge nach §3 EStG anpassen solle, bei die Arbeitgeber 300 Euro im Jahr steuerfrei einzahlen können. Im Jahr 1975 habe der Steuerfreibetrag noch bei 4000 Schilling gelegen. "Wenn wir das umlegen, dann wären heute 1.000 oder 1.200 Euro im Jahr genauso angemessen", so Havasi.

Lebensversicherung für Junge attraktiver machen
Sie betonte, dass man in der Lebensversicherung die Risiken, die im Unterschied zu anderen Investmentprodukten abgedeckt werden können, wieder mehr in den Vordergrund stellen müsse. "Ein Versicherungsprodukt kann nicht mit Anlageprodukten in einen Topf geworfen werden", so Havasi. Versicherungen hätten zwar bei Jungen kein besonders modernes Image. Doch "die Lebensversicherung ist aus unserer Sicht die beste Vorsorge neben der staatlichen Pension, um Altersarmut vorzubeugen", so Havasi. Sowohl während der Ansparphase als auch danach können nur von einer Versicherung Themen wie Invalidität, Ableben oder Berufsunfähigkeit abgesichert werden. (eml)