Österreich ist ein Land der Sparer und heimische Banken haben in der Vergangenheit mit ihrem Einlagengeschäft gut verdient. Durch die Negativzinspolitik der EZB der vergangenen Jahre machten Finanzinstitute in vielen Ländern Europas Verluste mit der Verwahrung der Geldvermögen der Privathaushalte. Dieser Trend dürfte sich laut einer aktuellen Analyse des Beratungsunternehmens Zeb nun umkehren. Durch die Zinswende wird das Sparen wieder attraktiver, auch wenn unklar ist, wie viel Haushalte angesichts der steigenden Inflationsraten tatsächlich an Rücklagen bilden können. Ungeachtet der aktuell hohen Teuerung könnten Einlagen von Privatkunden für Europas Banken wieder das werden, was sie einmal waren: eine lukrative Einnahmequelle. Welche Bedeutung das Einlagengeschäft für Banken hat, hängt vor allem vom Verhalten der Kunden ab.

Der Europavergleich zeigt: Sparen ist nicht überall so beliebt wie in Österreich. Private Haushalte in den Niederlanden halten gerade einmal 17 Prozent ihres Geldvermögens in Einlagen, in Schweden sind es gar nur zwölf Prozent. In Luxemburg (40 %), Polen (38 %), Österreich (37 %), Spanien (36 %) und Deutschland (35 %) spielen Einlagen bei Finanzinstituten eine weitaus bedeutendere Rolle in Bezug auf ihren Anteil am nationalen Geldvermögen der Haushalte, wie die Grafik zeigt. Zwischen den Jahren 2011 und 2021 ist der relative Anteil der Einlagen in den zehn untersuchten Märkten konstant geblieben, so die Analyse von Zeb.

Deutliches Wachstum im Einlagengeschäft möglich
"Jetzt, wo die Zinsen wieder steigen, können Banken zu einem gewissen Grad mit einer Trendwende rechnen. Das Einlagengeschäft könnte sogar kurz- und mittelfristig wieder einen zweistelligen Anteil an den wachsenden Gesamteinnahmen aus dem Privatkundengeschäft in den einzelnen Ländern haben", erwartet Michaela Schneider, Zeb Managing Partnerin Österreich.

Relevant dafür wird die Höhe des Durchreichens (Pass-Through) der Zinsen. In der Vergangenheit sind die europäischen Banken im Durchschnitt davon ausgegangen, dass etwa 50 Prozent der Zinserträge an ihre Kunden weitergegeben werden, mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Märkten. Derzeit agieren Banken eher vorsichtig. "Angesichts des aktuell unsicheren wirtschaftlichen Umfelds und den pessimistischen Wirtschaftserwartungen verwundert das nicht. Mit dem steigenden Zinsniveau ist die zuvor starke Nachfrage nach Krediten in Österreich eingebrochen und ein Anstieg der Kreditrisiken ist in naher bis mittlerer Zukunft sehr wahrscheinlich", analysiert Schneider.

Etablierte Banken bei Wettbewerb um Einlagen unter Druck
Der starke Anstieg der Zinsen in Europa erhöht auch die Wettbewerbsintensität im Einlagengeschäft. Etablierte wie neue Marktteilnehmer konkurrieren um Einlagen, wobei die Zahl der Marktteilnehmer deutlich gestiegen ist und die Akteure selbst viel vielfältiger geworden sind. Eher kleine Anbieter von Spezialfinanzierungen, Neo- und Online-Banken haben die Führung bei der Verzinsung von Einlagen übernommen. 

War das Einlagengeschäft bis vor einigen Jahren noch auf den nationalen Markt beschränkt, sind Banken nun mit Konkurrenz aus ganz Europa konfrontiert. Der Kampf um Marktanteile wird mittlerweile europaweit (oder sogar weltweit) ausgetragen. Plattformen wie Durchblicker oder Weltsparen ermöglichen es den Kunden, ihre Einlagen bequem bei Banken aus praktisch jedem Land in Europa zu deponieren. "Das macht es für Sparer einfacher, das beste Angebot zu finden. Dank der Einlagensicherung in der EU sind ihre Geldvermögen weitgehend abgesichert. Wenn sich Institute im Wettbewerb um die Einlagen aber übernehmen und wirtschaftliche Probleme bekommen, könnten andere Banken solidarisch für die angeschlagenen Institute haften müssen. Der intensivierte Wettstreit um die Einlagen hat also auch seine Schattenseiten", so Schneider.

Etablierte Finanzinstitute stehen vor der Herausforderung, dass potenzielle Cash-Abflüsse zu neuen Marktteilnehmern die Ertragswende im Einlagengeschäft bedrohen, stellen die Bankberater von Zeb fest. Die europäischen Banken müssen die richtige Balance finden: Kunden attraktive Renditen bieten und gleichzeitig ihre Margen so hoch wie möglich zu halten. Eine gute Preisstrategie, Kundenkommunikation und ein geschultes Vertriebsteam werden von größter Bedeutung sein, so die Zeb-Berater. (gp)