Offiziell bekommen Medien von Wirecard derzeit keine Antworten. Der insolvente Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München ließ Anfragen der Redaktion bisher entweder ins Leere laufen oder wies sie zurück. Einen kleinen Einblick lieferte nun ein Insider dem "Handelsblatt". Laut einem Bericht der Zeitung herrscht im Hauptbüro Hochbetrieb. Einerseits, weil Kunden, die dem Zahlungsabwickler offenbar in Scharen davonlaufen, sreviciert oder beruhigt werden müssen, und andererseits, weil eine hohe Anzahl an Anfragen von Interessenten eintrifft, die die "Filet-Stücke" von Wirecard kaufen möchten. Laut einem Bericht des Insolvenzverwalters Ende der Vorwoche gab es über 100 Interessenten. Wie das "Handelsblatt" aus informierten Kreisen erfahren hat, ist die Zahl inzwischen deutlich gestiegen, es gebe nahezu stündlich neue Anfragen.

Unterdessen nimmt von juristischer Seite die Dynamik im Fall Wirecard ebenfalls zu. Mindestens zwei Kanzleien haben in den USA Sammelklage eingereicht. Die New Yorker Kanzlei Rosen Law Firm hat laut dem Wirtschaftsmagazin "Capital" am 7. Juli 2020 im US-Bundesstaat Pennsylvania gegen Wirecard, seine Topmanager sowie den langjährigen Wirtschaftsprüfer des Unternehmens EY Klage eingereicht. Hagens Berman aus San Francisco kündigte demnach ebenso an, seine seit Mai 2019 laufende Sammelklage gegen Wirecard zu ergänzen. Auch die Kanzlei Robbins Geller Rudman & Dowd sucht dem "Handelsblatt" zufolge nach Mandanten. Für EY und alle anderen Genannten gilt die Unschuldsvermutung.  

Rolle der Finanzaufsicht rückt erneut ins Licht
Das Licht fällt aber nicht nur auf die Wirtschaftsprüfer von EY, die Wirecard den Bestätigungsvermerk verliehen hatten. Auch die Rolle der deutschen Finanzaufsicht Bafin rückt nach Bekanntwerden neuer Details wieder in den Fokus: Einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) zufolge soll sich die Führungsspitze der Bafin erst kurz vor der Pleite des Unternehmens in den Fall eingeschaltet haben.

Bafin-Präsident Felix Hufeld soll nach dem Bericht der Zeitung erstmals Mitte Juni 2020 und damit wenige Tage vor dem Insolvenzantrag mit Spitzenmanagern von Wirecard telefoniert haben. Er soll dabei mit dem neu installierten Vorstandschef James Freis sowie mit Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann gesprochen haben, wie die FAZ aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf Anfragen der Bundestagsfraktionen von Bündinis 90/Die Grünen und der Linken zitiert. Bafin-Vizepräsidentin Elisabeth Roegele und der für die Bankenaufsicht verantwortliche Bafin-Direktor Raimund Röseler sollen nach dem Bericht hingegen keine direkten Gespräche mit Vorständen und Aufsichtsräten von Wirecard geführt haben. (eml)