Mit frischen Ideen und digitalem Know-how greifen kleine Unternehmen die etablierten Größen in der Finanzbranche an. Die Start-ups dringen dabei nicht mehr nur in einzelne Bereiche, sondern auf breiter Front in das Geschäftsfeld traditioneller Geldhäuser vor. Das Researchhaus CB Insights zeigt am Beispiel des US-Großinstituts Bank of America, wie auf nahezu allen Ebenen Fintechs am Dienstleistungsangebot des Branchenriesen nagen.

Das fängt beim klassischen Einlagengeschäft und Zahlungsdienstleistungen an. Die Bank of America erzielte in den ersten drei Quartalen des Jahres 2020 einen Reingewinn von 3,3 Milliarden Dollar, so die CB-Insights-Analysten. Das macht die Sparte für Attacken attraktiv. Neo-Banken wie N26 oder Revolut zielen hier mit ihren Smartphone-Angeboten auf die Klientel der Zukunft. Den internationalen Zahlungsverkehr, eines der wenigen Felder in dem sich dank der Wechselkursgebühren noch ansehnliche Erträge erzielen lassen, nehmen Anbieter wie das britische Fintech Transferwise in die Zange.

Phalanx gebildet
Auch im Wertpapiergeschäft bildete sich eine Phalanx aus jungen Unternehmen, die klassische Bankdienstleistungen übernehmen. So bieten einige Apps Privatkunden einen einfachen Überblick über die persönlichen Finanzen. Andere Anbieter erobern den Wertpapierhandel. Direktbroker wie Robinhood oder die jüngst in Deutschland an den Start gegangene Trade Republic verlangen keine Handelsgebühren und hoffen so, in Scharen die Kunden zu locken. Sie verdienen lediglich an den Spreads mit.

Im Heimatmarkt der Bank of America buhlen im Vermögensverwaltungsgeschäft schon seit geraumer Zeit Robo Advisor wie Betterment oder Wealthfront um Kunden. Auch hierzulande wächst das Feld der digitalen Vermögensverwalter. Branchenprimus Scalable Capital etwa knüpfte ein Netz an Kooperationspartnern wie die ING, die Kunden zuliefern. Aber auch als White-Label-Produkt stellen die Frankfurter Dritten ihre Dienste zur Verfügung.

Tor geöffnet
Selbst in die Köngisdizsiplin, das Investmentbanking, dringen die Fintecs vor. Die Startbedingungen seien hier angesichts der hohen regulatorischen Hürden zwar schwieriger, räumen die Analysten von CB Insights ein. Dennoch fassen sogar in diesem Terrain die jungen Konkurrenten Fuß. Als Beispiel verweisen die Experten auf digitale Asset Manager wie Fount und die Berliner Gesellschaft Liqid. Deren Dienstleistungen zielen auch auf Geschäftskunden und institutionelle Investoren ab und stehen damit in Konkurrenz zu den Asset-Management-Einheiten traditioneller Banken.

Daneben öffnet ausgerechnet die Regulierung ein weiteres Tor. So müssen Finanzinstitute seit Inkrafttreten von Mifid II ihren Kunden die Kosten für Research in Rechnung stellen. Zuvor finanzierten die Investmentbanken Aktien-, Anleihen- und volkswirtschaftliche Studien über die Handelsgebühren. Diese Umstellung öffnet Raum für unabhängige Researchanbieter. In diesen stoßen auch Fintechs vor, die etwa Daten über Aktien- und Anleihenmärkte liefern, aus denen sich Anlageentscheidungen ableiten lassen. Die CB-Insights-Experten nennen dabei Firmen wie Sentieo und Koyfin.

Investmentbank mit Sparkonten
Die Dynamik im Finanzgeschäft reicht sogar soweit, dass traditionelle Akteure ihre Rolle überdenken und in neue Felder erschließen. So hatte sich der Branchenriese Goldman Sachs stets auf das Investmentbanking konzentriert. Doch mit der Digitalisierung steigen die New Yorker Elitebanker in das Privatkundensegment ein und bieten mit ihrer Online-Bank Marcus schlichte Sparkonten oder Kleinkredite. Und das mit Erfolg: in Großbritannien etwa nimmt Marcus seit dem Sommer keine Neukunden mehr an – wegen des großen Andrangs.(ert)