Das Wiener Fintech Riskine hat innerhalb kurzer Zeit bei etlichen Banken und Versicherungen in Österreich und anderen Ländern angedockt, auch eine wachsende Zahl gewerblicher Berater arbeitet mit den Tools. Eine der Grundlagen des Erfolgs sind erstaunliche Umsatzsteigerungen bei den Kunden, wie FONDS professionell bei einem Blick hinter die Kulissen erfuhr.

Bis zu 40 Prozent plus
"Je nach Partner bringen unsere Produkte Steigerungen zwischen 25 und 40 Prozent pro Jahr im Cross-Selling, also bei der Anzahl der Verträge pro Kunde. Und bei der Prämiensteigerung liegt unsere Benchmark bei plus 20 bis 40 Prozent", sagt Geschäftsführer und Gründer Ralf Widtmann in einem Gespräch mit FONDS professionell. 


Der gesamte Artikel ist in der aktuellen Heftausgabe 01/2020 von FONDS professionell erschienen.


Im Kern ermitteln die Riskine-Lösungen zwei Dinge: erstens den individuellen Bedarf eines potenziellen Kunden im Versicherungs- oder Investmentbereich. Und zweitens schlagen sie darauf aufbauend passende Produkte vor. Die Riskine-Algorithmen berechnen anhand von Fragestrecken, welche Versicherung man braucht, in welche Anlageklassen man investieren soll, welcher Fonds geeignet ist, ob man besser mietet oder kauft und vieles mehr.

Direktinfo im Beratungsgespräch 
"Ein Vermittler hat bisher meist nur abstrakt über Risiken reden können. Ihm sagt ja niemand, wie die individuellen Risiken eines Kunden ausgeprägt sind. Jetzt hast du das in der Situation plastisch und übersichtlich vor dir", so Widtmann, der die Finanzbranche von mehreren Seiten kennt: Der studierte Betriebs- und Volkswirt war unter anderem für die Weltbank in Indien in der Mikrofinanzierung tätig, später Allianz-Vorstandsassistent in Wien, Roland-Berger-Berater und eine Zeit lang Vorstand der Bank für Gemeinwohl.

Die Zugkraft des Riskine-Konzepts wird deutlicher, wenn man einen Blick auf die konkreten Instrumente wirft, die seit Firmengründung im Jahr 2016 schrittweise entwickelt wurden. Auf der einen Seite steht ein "Baukasten-Set" einzelner Tools von der Risikoanalyse über den Kreditrechner bis zum Pensionsplaner. Riskine stellt solche Produkte entweder als reine Schnittstelle (API) zur Verfügung, an die man andocken kann, oder als fertige Lösung mit grafischer Oberfläche – diese können zum Beispiel gewerbliche Berater gegen monatliche Gebühr abonnieren. Das machen im Versicherungsbereich abseits der großen Assekuranzen und Pools derzeit auch rund 160 Einzelvermittler.

Größere Unternehmen können derartige Lösungen in ihre Kundenportale oder Apps einbauen, häufig programmiert Riskine hier aber Spezialanwendungen. So kann ein Partner etwa Infos zu seinen Fonds liefern, die von Riskine mit der Risikotoleranz des Kunden abgeglichen werden; dem Vertrieb werden darauf basierend die geeigneten Produkte angezeigt.

Künstliche Intelligenz
Parallel werden – und das ist mit Blick auf die Zukunft noch interessanter – KI-Anwendungen eingesetzt, die Neugeschäft an Land ziehen sollen. Zum Beispiel gibt es einen Chatbot mit dem Kunden unverbindlich über Finanzen sprechen können. Die Maschine erkennt im Gespräch etwa, wo das Schadensrisiko am größten ist und welche Versicherung das Gegenüber daher braucht. "Irgendwann gehst du ins echte Beratungsgespräch über. Das ist kein Tool, das den Berater ersetzt, sondern ein vorgelagertes", erklärt Widtmann. Bei der Texterkennung im Bereich Finanzberatung sei Riskine "im deutschsprachigen Raum am weitesten", gibt sich der Unternehmer überzeugt, der auch andere Fintechs beliefert. Abseits des Chatbots gibt es weitere KI-Anwendungen, wie eine laufende Visualisierung von Risiko-Nachrichten ("diese Probleme beschäftigen meine Kunden gerade") oder ein "Product Recommender" ("andere in der gleichen Situation haben auch das gekauft").

Wichtigster Trend, den das Unternehmen derzeit verfolgt, ist die ganzheitliche Beratung. Programmierte Riskine (Firmeneigene Ausspracheangabe engl.: "Riskein") anfangs vorwiegend Tools für Versicherungsrisiken, geht es zunehmend in Richtung Allfinanz-Beratung. Im Moment arbeite man an einem Gesamtsystem, das die drei Säulen der Pensionsvorsorge abbildet. "Wir sehen eine Renaissance der 360-Grad-Beratung und haben Projekte mit großen Playern zum ganzheitlichen Vermögensmanagement", so Widtmann.

Vermögensberatung als "heißes Thema" bei Versicherungen
Motor für diesen Trend zur Rundum-Beratung seien internationale Versicherer und nicht nur, wie man vermuten könnte, die Banken, deren Produktladen ja vom Kredit bis zur Vorsorge traditionell umfassend ist. Die Assekuranzen würden verstärkt Geschäftsmodelle für die ganzheitliche Finanzberatung sondieren und sich zunehmend in Richtung Bankgeschäft bewegen. "Das ist im deutschsprachigen Versicherungsraum gerade ein heißes Thema", sagt Widtmann.

360-Grad ist in diesem Fall auch zeitlich gemeint: In Zukunft sollen die Tools über den Lebenszyklus hinweg "mitdenken" und den Berater aktiv auf Änderungen hinweisen. "Die eventgetriebene Beratung ist momentan unser größtes Investment. Ich berate künftig nicht mehr zu einer bestimmten Versicherung, sondern zu dem Lebensevent, das ich identifiziere: Umzug, Jobwechsel, Kind", sagt Widtmann. (eml)