Treffpunkt ist um 14 Uhr auf der Brücke, die nahe dem Kunst­museum über den Münchner Eisbach führt. Genau an der Stelle im Englischen Garten, an der Surfer zu jeder Jahreszeit versuchen, die erstaunlich ­hohe Welle des Bachs zu bezwingen. Bis 13.55 Uhr ist noch keine Limousine vorgefahren, auch kein Taxi hat ihn zur Eisbachwelle gebracht. Ein paar Minuten später steigt jemand vom Fahrrad und stellt sich vor: "Jan Ehrhardt, freut mich!"

"Sehr viel Zeit für Sport habe ich nicht mehr, deshalb fahre ich wenigstens mit dem Fahrrad in die Firma und zurück", berichtet der Portfoliomanager. Rund zehn Kilometer sind es von seiner Münchner Wohnung bis nach Pullach, dem Sitz des Vermögensverwalters DJE Kapital. 2003 ist er in das ­Unternehmen eingestiegen, das sein Vater Jens Ehrhardt 1974 gegründet hat.

Mit der Börse aufgewachsen
Den Weg durch den Englischen Garten, den sich Jan Ehrhardt für den heutigen Spaziergang ausgesucht hat, geht er gern. Er liebt München. Ganz in der Nähe ist er geboren, da war die Dr. Jens Ehrhardt Vermögensverwaltung, wie DJE Kapital ursprünglich hieß, schon ein Jahr alt. Ist der Sohn des Firmengründers also praktisch mit Aktienkursen, Börsenhochs und -abstürzen aufgewachsen?

"Ja", sagt Ehrhardt. "Ich habe schon als Kind in den Büros der Firma gespielt." Etwas anderes als Fonds managen wollte er beruflich eigentlich nie anfangen. "In der zwölften Klasse habe ich in meiner Facharbeit einen Vergleich zwischen dem FMM-Fonds und anderen Fonds angestellt", berichtet Ehrhardt. Den FMM-Fonds hatte Vater Jens 1987 als erstes Portfolio aufgelegt. Nach dem Abitur studiert Jan Ehrhardt ­Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen, seine Diplomarbeit behandelt die Performancemessung von Investmentfonds. Sein erster Job führt ihn nach New York, wo Ehrhardt für die Credit Suisse Technologieaktien analysiert. Anfang 2003 kehrt er schließlich nach Deutschland zurück.

Völlige Freiheit
Am 27. Januar 2003 legt die Vermögensverwaltung den Fonds DJE Dividende & Substanz auf. Mit einem Volumen von 15 Millionen Euro geht er an den Start, heute sind es rund 1,1 Milliarden Euro. "Toll war, dass ich den Fonds von ­Anfang an ganz allein managen durfte", sagt Ehrhardt. "Mein Vater hat mir völligen Freiraum gelassen – auch die Freiheit, meine eigenen Fehler zu machen."

So gravierend können die Fehlentscheidungen nicht gewesen sein, denn heute bewegt Jan Ehrhardt neben dem Dividende & Substanz mit großem Erfolg den aktuellen Bestsellerfonds DJE  Zins & Dividende sowie den DJE Asia High Dividend, zudem den DWS Concept DJE Globale Aktien und zwei weitere Mandate für große Kunden. 

Im Frühjahr geht’s nach Asien
Am Fuße des Chinesischen Turms, einer 25 Meter hohen Pagode aus dem Jahr 1790, herrscht Hochbetrieb. Der Biergarten hat zum ers­ten Mal in diesem Jahr geöffnet. "Jedes Jahr, wenn es wärmer wird, freue ich mich", sagt Ehrhardt. "Ich weiß dann, dass es bald wieder so weit ist, dass ich nach Asien fliegen kann", erklärt er. Dieses Jahr ist Hongkong das Ziel, dort wird er Firmen besuchen. 

"Auf Treffen mit Unternehmen verwende ich den größten Teil meiner Arbeitszeit", sagt Ehrhardt. Kürzlich sollte er einer Ärztin erklären, was er beruflich eigentlich macht. Die Arbeit eines Fondsmanagers sei für viele Leute doch recht abstrakt. "Ich habe gesagt, dass ich im Wesentlichen versuche, Firmen zu verstehen, zu begreifen, wie sie ticken, wie es ihnen geht, ob sie für die Zukunft gut aufgestellt sind", berichtet er. Im Schnitt 180 Unternehmen besucht Jan Ehrhardt pro Jahr. 

Immer weiter Fonds managen
Und wenn er in Pullach ist? Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Vater, dem Firmengründer und Urgestein der Branche? Wird Ehrhardt junior eines Tages ganz in seine Fußstapfen treten und die Vermögensverwaltung übernehmen? "Da bin ich mir, ehrlich gesagt, noch nicht sicher", sagt er. 

Zum einen sei sein Vater mit 76 Jahren absolut fit und hinke auch neuen Entwicklungen keineswegs hinterher. "Aber auch wenn ich sehr weit in die Zukunft schaue, muss ich sagen, dass ich wirklich gern weiterhin Fonds managen möchte", erklärt Ehrhardt. Wenn das nicht mehr möglich wäre, weil andere Aufgaben zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden, das fände er schade. Sagt's, steigt aufs Fahrrad – und strampelt nach Pullach. (am)


Das vollständige Portrait von Jan Ehrhardt finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 1/2019 von FONDS professionell, die Ende März erschienen ist. Angemeldete KLUB-Mitglieder können den Beitrag auch ab Seite 96 im E-Magazin lesen.