Sonja Laud, Chefanlagestrategin bei Legal & General Investment Management (LGIM), ist eine der wenigen Frauen in der Fondsbranche, die eine Top-Position innehaben. Seit 2019 steht sie an der Spitze des gesamten Investmentteams mit mehr als 300 Mitarbeitern in acht Einheiten. Laud ist Sponsorin des Programms für integrative Führung und Karriereförderung, kämpft mit der Kampagne "I am" gegen Diskriminierung und hat mit der Initiative "Women in Circles" ein Netzwerk für Frauen bei LGIM und darüber hinaus ins Leben gerufen. Nun ist sie mit dem Fondsfrauen Award in der Kategorie "Woman of the Year" 2021 ausgezeichnet worden.


Frau Laud, Sie waren bereits im vergangenen Jahr für den Fondsfrauen Award in der Kategorie "Woman of the Year" nominiert, 2021 haben Sie den Preis erhalten. Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?

Sonja Laud: Sie bedeutet mir wahnsinnig viel. Einmal ist der Preis für mich persönlich und den Weg, den ich gegangen bin, eine ganz tolle Anerkennung. Dann ist er natürlich auch für das Unternehmen eine Auszeichnung. Ich finde, wenn man einen solchen Preis verliehen bekommt, ist das auch ein guter Anlass, um einmal inne zu halten und zu schauen, was man selbst, das Unternehmen und auch die gesamte Fondsindustrie in Sachen Frauenförderung und Diversität erreicht hat – und was noch zu tun ist.   

Nach Stationen bei der DWS in Frankfurt sowie bei Schroders und bei Fidelity in London sind Sie seit Januar 2019 bei LGIM tätig. Seit Juni 2019 leiten sie als Chefanlagestrategin das gesamte Investmentteam mit mehr als 300 Mitarbeitern in acht Einheiten. War es schwierig, als Frau in eine solche Position zu gelangen?

Laud: Natürlich sind Frauen in Führungspositionen immer noch nicht so stark vertreten wie Männer. Aber ob es für mich nun schwerer war, in eine solche Position zu gelangen als für einen männlichen Kollegen, das ist schwierig zu beantworten. Es ist ja immer alles relativ. Womit man sich als Frau auseinandersetzen muss, ist die Tatsache, dass man sehr häufig die einzige Frau im Raum ist. Daran habe ich mich gewöhnt, aber man ist sich dessen trotzdem immer bewusst. Ich habe mir auch viele Gedanken darüber gemacht, ob ich für einen Werdegang in der Fondsbranche geeignet bin. Ich war schon immer ambitioniert und wusste auch, dass ich gern über die gesamte Investmentplattform tätig sein wollte. Daher habe ich viel darüber nachgedacht, wie ich dahin kommen könnte, welche Skills ich benötige, wie ich mich weiterbilden kann, um eine solche Position zu erreichen. Ich glaube, dass Frauen sich generell mehr Gedanken über diese Themen machen, während Männer eher sagen: "Das schaffe ich schon".    

Sie setzen sich mit verschiedenen Programmen und Initiativen aktiv für Frauenförderung, Geschlechtervielfalt, Diversity und gegen Diskriminierung ein. Was sind die Gründe dafür?

Laud: Wir engagieren uns für Geschlechtervielfalt und Diversität, weil wir wissen, dass dies einen positiven Einfluss auf unsere geschäftliche Tätigkeit und auf das Resultat hat. Es hat sich ja mittlerweile häufig genug erwiesen, dass gemischte Teams, also solche, in denen Männer, Frauen, verschiedene Nationalitäten, ethnische Minderheiten arbeiten, erfolgreicher sind. Es geht uns nicht nur um Gender Diversity, sondern um Vielfalt im Allgemeinen. Als großer Asset Manager setzen wir uns darüber mit den Unternehmen auseinander, in die wir investieren. Wenn wir von den Firmenchefs erwarten, dass sie in Sachen Vielfalt Verantwortung zeigen, müssen wir uns natürlich auch selbst entsprechend aufstellen.

Was hat LGIM genau gemacht?

Laud: Es nützt nichts, eine Quote einzuführen, damit zum Beispiel mehr Frauen in Führungspositionen, in den Vorstand oder den Aufsichtsrat kommen, wenn man weiß, dass gar nicht genügend Frauen für diese Positionen zur Verfügung stehen. Wenn man junge, begabte Leute für die Branche interessieren kann und sie fördert, dann steht dem Unternehmen ein viel größerer Talentpool zur Verfügung. Dieser macht es dann viel einfacher, Positionen auf Führungsebene oder im Aufsichtsrat divers zu besetzen. Hier haben wir viel getan. Gerade mit unseren Graduate Programmen und den Einstiegsprogrammen für junge Leute wollen wir einen fairen Wettbewerb schaffen. Das geht schon damit los, dass aus dem Lebenslauf die Angaben zur Herkunft, der Name und das Foto entfernt werden. Zudem hatten wir in London die Kampagne "#1000blackinterns" zur Förderung schwarzer Nachwuchstalente in der Vermögensverwaltung. Daran waren wir sehr stark beteiligt. 

Ist die Situation für Frauen im Asset Management in Großbritannien anders als in Deutschland?

Laud: Nein, die Zahlen sind nicht grundlegend anders. Die Problematik ist ähnlich und wird auch ähnlich diskutiert. Auch hier gibt es die Erkenntnis, dass die Sache nicht mit Quoten zu lösen ist, sondern dass viel mehr getan werden muss, um mehr Talent in die Industrie zu bekommen. 

Wie hat sich die Situation für Frauen in der Fondsbranche verändert, seit Sie selbst im Jahr 2001 eingestiegen sind?

Laud: Man schaut sich ja immer an, wie viel Vermögen von Frauen verwaltet wird und wie hoch die Anzahl der Fondsmanagerinnen ist. Wenn man sich auf diese Aspekte konzentriert, kann man nicht sagen, dass wir den Markt schon nachhaltig verändert hätten. Aber die Wahrnehmung des Problems, die Diskussion darüber und die ergriffenen Maßnahmen sind deutlich anders, als es in der Vergangenheit der Fall war. Ich habe immer schon gesagt, dass die notwendigen Veränderungen mit einem Marathon zu vergleichen sind und nicht mit einem Sprint. Wir versuchen ja die Anziehungskraft der Industrie zu erhöhen, unseren Talentpool zu erweitern. Das zu verändern, dauert. Ich denke aber, das flexible Arbeiten, das durch die Pandemie wesentlich normaler geworden ist, dürfte ein riesiger Vorteil sein. Zudem ist die ESG-Thematik, die sich stark in den Vordergrund geschoben hat, eine positive Veränderung. Ich glaube, das ist eine gute Mischung, um einen diverseren Talentpool aufzustellen.

Wie gelingt es Ihnen selbst, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen?

Laud: Es war und ist immer noch ein Balanceakt. Als ich meine Kinder bekommen habe, war flexibles Arbeiten nicht so gern gesehen. Wenn man da gefragt hat, ob es möglich ist, einen Tag in der Woche von zuhause aus zu arbeiten, wurde man schon schief angeguckt. Heute ist Homeoffice ganz normal. In der Pandemie haben wir alle bewiesen, dass mit dem flexiblen Arbeiten kein Produktivitätsverlust einhergeht. Wir haben dieses Arbeitsmodell von einem Stigma befreit, und das ist enormer Vorteil. Wenn ich zurückdenke, hätte ich das auch gern so gehabt. Heute können Partner sich zudem die Elternzeit teilen, auch das ist ein großer Schritt nach vorn. Natürlich gibt es auch bei mir immer wieder einmal die Situation, dass ein Kind krank ist oder die Nanny nicht kommen kann. In solchen Fällen muss man eben einspringen. Es ist wichtig, dass Arbeitgeber dann Flexibilität zeigen und ich denke, auch dazu hat die Pandemie beigetragen. 

Vielen Dank für das Gespräch. (am)