"Was muss ich tun, um innerhalb eines Jahres eine Million Euro zu verdienen?", wollte die Redaktion von der taufrischen Finanzinformations-KI der Erste Bank wissen. Der "Financial Health Prototype" bleibt angesichts der provokativen Frage entspannt: "Entschuldigen Sie bitte, aber ich wurde darauf trainiert, Ihnen bei finanziellen Gesundheitsthemen zu helfen. Das Erreichen von einer Million Euro innerhalb eines Jahres ist unrealistisch und kann zu riskanten oder nicht nachhaltigen Entscheidungen führen." Auf Anschlussfragen folgen zahlreiche vernünftige Tipps.

Während auf vielen Unternehmenswebseiten noch immer holprige Chatbots arbeiten, die selbst simple Fragen nicht richtig verstehen, kann man sich mit dem Erste-Bank-Tool wirklich vernünftig "unterhalten". Die Erste zählt mit dem Prototype zu den innovativeren Instituten, deren KI-Engagement auch nach außen hin sichtbar ist. Generell haben die Banken aber die rasanten Fortschritte, die es in den vergangenen Monaten bei der generativen KI gab, schneller aufgegriffen als andere Branchen, wie aus einem Artikel hervorgeht, der in voller Länge im neuen Heft von FONDS professionell erschienen ist.

Schub durch generative KI
Generative KI kann Sprache, Text oder Bilder interpretieren und daraus selbst neue Inhalte erzeugen. Wie fortgeschritten die Möglichkeiten sind, wurde den meisten erst durch die Veröffentlichung von ChatGPT (OpenAI / Microsoft) Ende 2022 bewusst. Am Banksektor schienen einige förmlich darauf gewartet zu haben. So zählt etwa die Erste Group zu den ersten Betrieben, die eine Testlizenz für den Microsoft Copilot nutzen dürfen, der ChatGPT in den Microsoft-365-Programmen anwendet.

Laut einer Studie von Accenture dürfen Kreditinstitute durch den Einsatz von KI mit Produktivitätssteigerungen von 20 bis 30 Prozent rechnen, weil in ihrem daten­getriebenen Geschäft die Einsatzbereiche besonders vielfältig sind. Moderne Sprachlösungen können zum Beispiel Kunden­anrufaufzeichnungen in Sekundenschnelle transkribieren und zusammenfassen. Und im Marketing ermögliche generative KI eine hochindividualisierte Produktgestaltung, die bisher wirtschaftlich nicht möglich war, wie aus der Accenture-Studie hervorgeht.

Wissen sammeln für Chatbots
Alle Banken Österreichs würden bereits an Wissensmanagementmodellen arbeiten, sagt Michael Ginner, Unternehmensberater bei KPMG. Dafür wird die generative KI mit sämtlichen internen Daten und Vorgaben gefüttert, damit sie dann Mitarbeitern oder Kunden gezielt Auskunft geben kann. Den Prozess beschreibt Bank99-Chefin Patricia Kasandziev. "Wir integrieren gerade unser gesamtes Wissen in eine KI-gestützte Datenbank. Es handelt sich um eine rein bankinterne Lösung, die nur intern antrainiert wird und dann auch nur auf dieses Wissen zugreift und nicht auf externe Daten", so Kasandziev. Was die KI im Training gelernt hat, soll in den kommenden Monaten schrittweise eingesetzt werden: im Callcenter, in Botlösungen auf der Website oder als Hilfestellung für Berater. Experimentiert werde ebenso mit Text-Bild-Generierung, die im Marketing eingesetzt werden könnte. Dazu kommen Daten- und Risikomodellanalysen. 

Ein Sprecher der Unicredit Bank Austria verweist ebenfalls auf das große Einsatzfeld: "Das große Nutzenpotenzial von KI-Anwendungen wird heute erst zu einem kleinen Teil ausgeschöpft." Das, obwohl das Kreditinstitut bereits seit Jahren etliche Hilfsmittel aus diesem Bereich einsetzt und etwa als erstes Institut in Österreich 2018 Amazon Alexa Skill verwendet hat. Der digitale Sprachassistent beantwortet aber bis jetzt eher einfache Fragen zu Öffnungszeiten oder Finanz-News.

Letzte Instanz ist der Mensch
Im Backoffice lässt sich die Bank Austria von der künstlichen Intelligenz unter anderem bei der Analyse von Firmenkunden­bilanzen helfen oder wenn es um Alarmfunktionen zur Betrugsprävention geht: Die KI erkennt zum Beispiel in Datensätzen Unregelmäßigkeiten, die dann in der letzten Instanz von menschlichen Experten geprüft werden können.

Auch in der Fondsbranche kommt der generativen KI zunehmend eine wichtigere Rolle zu. Die Raiffeisen KAG testet etwa seit vergangenem Jahr, ob generative KI das Fondsmanagement in der Administration oder beim Reporting unterstützen kann. Eines stellt eine Sprecherin jedoch klar: Im eigentlichen Asset-Management-Prozess sieht die KAG derzeit eher wenig Platz für KI-Tools. "Das Modell wird sehr schnell zu einer Blackbox, die zwar Signale generiert, wo aber nicht nachvollziehbar ist, wie es zu diesen kommt", heißt es gegenüber der Redaktion.

Im Fondsmanagement bleiben also vorerst eher Analysen und Zusammenfassungen interessant. So kann die KI etwa Audio­spuren von Analystencalls oder CEO-Ansprachen resümieren, was Portfoliomanagern Zeit spart und ihnen Dokumente aus vergangenen Jahren analytisch zugänglich macht. Große Häuser wie Goldman Sachs oder JP Morgan vertrauen längst auf solche Dienste.

AI Act bringt neue Pflichten
"Die Institute müssen sich auch fragen: Wie kann ich eine KI-Governance implementieren?", betont KPMG-Partnerin Karin Bruchbacher. Sie verweist damit auf den EU Artificial Intelligence Act (EU AI Act), der im März vom EU-Parlament formal verabschiedet wurde. Erste Regeln daraus sind schon kommendes Jahr anzuwenden. Sowohl die Fristerfüllung als auch die Einstufung, welches Risikosystem man betreibt, stellen eine Herausforderung dar. Die EU-Verordnung reguliert vor allem die Hochrisikosysteme. Darunter fällt etwa eine KI, die zur Bonitätsprüfung genutzt wird. Ob solche Tools eingesetzt werden, will momentan keine Bank sagen. (eml)


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