Immer noch legen nur wenige Deutsche ihr Geld in Aktien an. Das Sparkonto, Lebensversicherungen oder Immobilien stehen in ihrer Gunst weit oben. In einem Gespräch mit dem Berliner "Tagesspiegel" spricht Erik Podzuweit, Gründer und Co-Chef des Online-Vermögensverwalters und Neobrokers Scalable Capital, über die Gründe für die Zurückhaltung der Deutschen bei Aktien, was der Staat ändern kann und warum die EU im Begriff ist, hier einen schweren Fehler zu begehen.

Der Scalable-Co-Chef räumt in dem Interview auch mit einer irrigen Annahme auf: "Dass die Deutschen ängstlicher wären, ist ein Vorurteil." Es sei vielmehr so, dass man lange schlicht keine Aktien für die Altersvorsorge gebraucht habe. "Wenn ich auf die Generation meiner Eltern schaue: Da stimmt das Versprechen 'Die Rente reicht' noch, weil sie aus den enorm bevölkerungsreichen Nachkriegsjahrgängen kommen", so Podzuweit. Das sei in anderen Ländern nicht so. In England verlasse sich schon seit 20 Jahren niemand mehr auf die staatliche Rente. Private Geldanlage sei dort immer schon ein Muss gewesen.

Keine Steuern für freie Anleger!
Der Staat könne die Nachfrage nach Aktien aber mit einem einfachen Schritt schlagartig erhöhen: An der Steuerschraube drehen. "Was machen die Bürger hier und in anderen Ländern am liebsten?" fragt Podzuweit rhetorisch und liefert die Antwort direkt hinterher: "Steuern sparen." In Großbritannien zahle der Normalsterbliche faktisch keine Steuern auf Aktiengewinne oder Kapitalerträge, das sei ein staatliches Anreizprogramm für die private Geldanlage. "So etwas fehlt hierzulande einfach."

Dabei schwebt Podzuweit konkret eine Erhöhung des Freibetrages auf Kapitalerträge auf bis zu 20.000 Euro im Jahr vor – und nicht in kleinen Schritten von etwa 700 auf 1.000 Euro. Diese Erhöhung würde zwar die bestehenden, in der Regel gut situierten Aktienbesitzer nicht dazu verleiten, mehr zu investieren. Anders sehe das aber bei der Verkäuferin aus dem Supermarkt aus: Für diese und viele andere Kleinanleger würde es einen großen Unterschied machen. Selbstlos ist der Vorschlag nicht: Scalable lockt Kunden mit günstigen oder gar kostenlosen Wertpapiertransaktionen.

Kein Verbot von "Payment for Order Flows"
Daher wehrt sich Podzuweit auch vehement gegen Pläne der EU-Kommission, Rückvergütungen für Scalable & Co. durch die Handelsplätze zu verbieten, denen die Broker Transaktionen vermitteln. Die EU sieht in diesem "Payment for Order Flow" einen Interessenskonflikt. "Wenn das verboten wird, ist der Privatanleger gekniffen", zitiert der "Tagesspiegel" den Scalable-Co-Chef. Wenn diese Vergütungen wegfielen, werde es teurer für die Kunden. "Die durchschnittliche Order kostet dann schnell zehn oder 20 Euro, an der Auslandsbörse bis zu 50 Euro." Das würde viele Leute vom Kapitalmarkt abschneiden, so seine Befürchtung. (jb)