Die Raiffeisen KAG wurde beim diesjährigen Fondsfrauen-Award als "Company of the Year" ausgezeichnet. Das Unternehmen ist die zweitgrößte Fondsgesellschaft Österreichs mit einem verwalteten Vermögen von 35,5 Milliarden Euro und einem nationalen Marktanteil von 19,5 Prozent. Die KAG ist Teil der Dachmarke RCM (Raiffeisen Capital Management), zu der des Weiteren die Raiffeisen Immobilien KAG und die Raiffeisen Salzburg Invest gehören. Die Raiffeisen KAG gehören zur börsenotierten Raiffeisen Bank International (RBI).


Herr Schnabl, die Raiffeisen KAG hat beim Fondsfrauen-Award in der Kategorie Unternehmen gewonnen. Unter anderem lobt die Jury einen Anteil von 40 Prozent an weiblichen Führungskräften. Der Vorstand ist aber rein männlich. Können Sie genauer aufschlüsseln, welche Führungsposten in der Raiffeisen KAG weiblich besetzt sind?

Rainer Schnabl: Generell haben wir in der Raiffeisen KAG einen Frauenanteil von knapp unter 50 Prozent. Wir sind stolz darauf, dass auf der Ebene unter dem Vorstand von elf Führungskräften vier weiblich sind. Das wird sich in den kommenden Monaten in Richtung 50 Prozent bewegen. Das ist bei uns nichts, was wir uns vornehmen, weil es auf einem Zettel steht. Wir besetzen nach Leistungskriterien. Mann oder Frau macht für uns keinen Unterschied. Bei gleicher Qualifikation nehmen wir aber die Kollegin. Wir können auf diese Weise wirklich Zahlen sprechen lassen.

Wodurch soll sich das Verhältnis bald ändern?

Schnabl: Es wird in der Raiffeisen KAG in den nächsten Monaten zu einer wesentlichen personellen Veränderung kommen. Eine Kollegin, die sich über Jahre bewährt hat, wird eine neue Funktion einnehmen.

Bei wem ist das Thema Diversität in der Raiffeisen KAG verankert? Nehmen Sie das selbst in die Hand, oder wird ein Plan der Mutter RBI umgesetzt?

Schnabl: Natürlich setzen wir in der Raiffeisen KAG auch die Diversitäts-Policy der RBI um. Wir haben die vorgegebenen Zahlen erreicht, ruhen uns darauf aber nicht aus. Es kommt durchaus aus der Nachhaltigkeitspositionierung der Raiffeisen KAG, dass das für uns eine Normalität ist, die wir täglich leben. In der KAG nehme ich die Funktion des Diversitätsbeauftragten wahr. Da geht’s auch um viele andere Dinge. Man muss die Unterschiedlichkeit der Kollegen im Unternehmen so zusammenzuführen, dass für die Organisation etwas Produktives daraus entsteht.

Welche Faktoren spielen abseits von Gender-Diversität noch eine große Rolle?

Schnabl: Wir sind ein Unternehmen, das in unterschiedlichsten Kulturen und Ländern mit unterschiedlichen Lebensweisen zuhause ist. Dann arbeiten wir auch daran, Menschen mit Behinderung ins Unternehmen zu integrieren, was auch gut funktioniert.

Sie haben erwähnt, bei gleicher Qualifikation komme eine Mitarbeiterin zum Zug. Welche Maßnahmen braucht es noch, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis herzustellen?

Schnabl: Ich glaube, das fängt einmal bei den Bewerbungsprozessen an. Wir haben in der Gruppe seit Jahren einen Bewerbungsprozess, der in gewisser Weise anonym abläuft, so dass man als Entscheider nicht weiß, ob es sich um einen Mann, eine Frau oder drittes Geschlecht handelt. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Dann gilt es natürlich, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Kolleginnen ihre Aufgaben wahrnehmen können. Da traue ich mich zu sagen, dass wir als Raiffeisen KAG sehr flexibel sind, zum Beispiel bei Homeoffice-Regelungen.

Flexiblere Arbeitszeiten kommen nicht nur Frauen zugute. Gerade Jüngere legen heute sehr viel Wert auf Work-Life-Balance. Für Väter ist es immer wichtiger, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Gibt es eine Strategie, die darauf abzielt, generell Führungskräfte zu halten, die eine Familie gegründet haben?

Schnabl: Es gibt keinen speziellen Plan. Aber unsere Rahmenbedingungen gelten auch für Männer. Da geht es um Papamonat oder Karenzlösungen für männliche Kollegen. Sobald das angesprochen wird, wird das sehr positiv bewertet. Die letzten Monate haben ja auch gezeigt, dass wir unsere Arbeit teils im Homeoffice erledigen können. Wenn wir überlegen, wie eine künftige Arbeitswelt ausschaut, da muss man eine Balance schaffen zwischen daheim und Office. Wir haben einen sehr offenen Zugang zu diesem Thema. Da geht es nicht nur um Work-Life-Balance, sondern auch um die Tatsache, dass ich mir viel Weg spare, wenn ich teilweise im Homeoffice bin. Die Fluktuation bei uns ist sehr gering, und das hängt auch mit unserem Arbeitsumfeld zusammen.

Gibt es einen Anspruch auf den Papamonat? Oder es wird die Inanspruchnahme gefördert?

Schnabl: Laut geltendem Banken-Kollektivvertrag besteht unter gewissen Voraussetzungen ein Anspruch darauf. Und fast jeder, der in letzter Zeit Vater geworden ist, hat einen Papamonat genommen oder eine Karenzlösung. Wir gehen das sehr offen an. Wenn man so etwas nicht offen adressiert, wird man am Arbeitsmarkt unattraktiv, das spricht sich sehr schnell herum.

Coach und Autorin Verena Florian hat kürzlich in einer vielbeachteten Umfrage unter erfolgreichen Männern erhoben, dass die Hälfte derer, die in Karenz gehen, Konsequenzen tragen müssen: keine Beförderungen, keine Vorrückungen oder Boni. In wie fern wird vorher in einem Strategiegespräch festgehalten, wie die Karriere nachher ausschaut?

Schnabl: Bei uns wird mit jeder Kollegin und jedem Kollegen, die oder der das Unternehmen für eine Karenz verlässt – egal ob für eine Familien oder Bildungskarenz – vereinbart, was nachher passiert. Auch wir müssen ja planen. Bei Boniprogrammen sind wir generell sehr kulant.

Was heißt kulant?

Schnabl: Wenn jemand für zwei Monate in Bildungskarenz ist, dann hat das auf den Bonus keine Auswirkung. Bei einem ganzen Jahr kann man natürlich keinen Bonus lukrieren.

Es gibt Unternehmen, die eine Väterkarenz ausdrücklich wünschen, weil man sagt, es werden in einer Karenz neue Fähigkeiten erworben…

Schnabl: Wir sehen es als persönliche Entscheidung des Individuums, ob jemand in Karenz gehen möchte. Das kann ich als Unternehmen nicht verordnen. Was wir schon tun, ist dass wir sagen, wir haben alle Rahmenbedingungen und es hat keine negativen Folgen. Ich halte persönlich viel davon; Jede Karenz ist horizonterweiternd – ob eine familiäre oder eine Bildungskarenz.

Ein Research-Paper der Agenda Austria zeigt, dass der Gender-Pay-Gap im Wesentlichen ein Motherhood-Pay-Gap ist. Frauen, die ein Kind bekommen haben, verdienen in Österreich zehn Jahre nach der Geburt 51 Prozent weniger als Männer mit Kind. Schauen Sie auf  solche harten Zahlen – also etwa: wie viel verdient eine Mitarbeiterin Jahre nach einer Karenz im Vergleich?

Schnabl: Wir haben in der Raiffeisen KAG ein sehr transparentes Gehaltsmodell, das sich an der Position orientiert, in der jemand arbeitet – unabhängig davon, ob jemand in Karenz war. Für eine gewisse Position gibt es ein Salary Band. Das wird verglichen mit Marktzahlen. Mit diesem System machen wir sehr gute Erfahrungen. Es gibt diese Gaps nicht, weil wir positionsbezogen entlohnen.

Jetzt hängt ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis ja nicht nur am Unternehmen sondern ist auch eine politische Sache. Machen Sie Lobbying, oder sprechen Sie bei politischen Terminen an, was nötig wäre?

Schnabl: Als Raiffeisen KAG tragen wir solche Dinge in die Gruppe und die Gruppe lobbyiert. Es macht Sinn, hier als größere Einheit aufzutreten. Darüber hinaus ist unsere Belegschaftsvertretung sehr aktiv, wenn es um Kinderbetreuung nah am Bürostandort geht. Das ist sicher wichtig für den Wiedereinstieg. Wenn ein Kind kommt, verändert das jeden, da steht die Frage, des Aufwachsens und der Betreuung im Vordergrund. Man muss der Arbeit mit einem guten Gewissen nachgehen können.

Und abseits der unternehmerischen Maßnahmen? Nehmen wir an, Sie treffen den Bundeskanzler. Was, sagen Sie ihm, wäre von oberster Wichtigkeit?

Schnabl: Ich würde sagen, dass man den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze intensivieren muss. Und, dass man stark in die Richtung Ganztagesschule gehen sollte.

Wie viele Frauen gibt’s eigentlich im Fondsmanagement der Raiffeisen KAG?

Schnabl: Der Frauenanteil beträgt ungefähr 25 Prozent. Und auf Führungsebene im Fondsmanagement ist das Verhältnis 50:50.

Da ist es offenbar schwieriger, Frauen zu finden. Muss man jemanden überreden?

Schnabl: Man müsste schon viel früher anfangen. Wenn ich auf die universitäre Ausbildung schaue und dort auf Kapitalmarkttheorie-Veranstaltungen, sind diese leider sehr männerlastig. Es gibt Initiativen, mehr Frauen in technische Berufe zu bringen, warum nicht auch Initiativen für den Kapitalmarkt?

Welche in- und externen Hürden sehen Sie als größte für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis? Und was würden Sie Unternehmen raten, die da noch nicht so drinnen sind?

Schnabl: Unternehmen, die darauf keinen Wert legen, vergeben eine Riesenchance. Wir merken das selbst. Wenn man ein ausgewogenes Verhältnis hat und zwar über alle Ebenen, hat man eine ganz andere Gesprächs- und Lösungskultur.

Und die größten Hürden?

Schnabl: Die größte Hürde ist sicher, dass es noch eine gewisse Voreingenommenheit bei Entscheidungsträgern gibt, die sich das nicht vorstellen können, ohne sich jemals damit beschäftigt zu haben. Aus unserer Sicht ist es sogar so, dass wir sehr viel gelernt haben. Wir mussten zum Beispiel eine Führungsposition nachbesetzen, die wir als Vollzeitstelle ausgeschrieben hatten. Schlussendlich haben wir dafür aber eine Kollegin gewählt, die aufgrund ihrer persönlichen Situation nur Teilzeit arbeiten wollte. Wir kannten die Mitarbeiterin schon aus der Gruppe. Sie ist jetzt seit zweieinhalb Jahren bei uns und beide Seiten sind sehr froh: Wir, weil es super funktioniert, und sie, weil sie fachlich ausreichend gefordert ist. In ihrem alten Posten hat es geheißen: Führung geht nicht in Teilzeit. Wir sind über diese Hürde gesprungen, haben Zuständigkeiten leicht umstrukturiert. Das klingt einfach, ist aber damals durchaus diskutiert worden. Nun werden die Kinder der Kollegin größer, sie wächst ganz normal in die Vollzeit hinein. Das ist der springende Punkt.

Das heißt, man sollte sich bei Stellenausschreibungen nicht so sehr vom Wort Vollzeit abschrecken lassen. Man muss es einfach probieren, wenn man das Gefühl hat, es passt fachlich?

Schnabl: Sie sprechen etwas Wichtiges an. Auch für uns stellt sich die Frage, müssen wir eine Stelle immer als Vollzeit ausschreiben? Da fallen Leute weg, die gut wären. Diese Kollegin war halt so selbstbewusst und hat gesagt, da bewerb' ich mich trotzdem. Kann sein, dass da viele sagen, das versuche ich gar nicht.

Wenn man so vorgeht, hat man jedenfalls nicht einen Führungskräftenachwuchs aus Leuten, die halt immer da waren, sondern einen, der dem Unternehmen auch qualitativ reinpasst.

Schnabl: Genau. Da müsste man schon in der Ausschreibung flexibler sein, weil man sonst Potenzial liegen lässt. Das sind die positiven Erfahrungen, die wir machen, die uns das Thema so einfach machen. Das ist jetzt keine große Diskussion mehr.

Vielen Dank für das Gespräch. (eml)