Im Jahr 2017 begann mit einer Kontensperre der deutschen Vertriebsgesellschaft IMS durch die Marktaufsicht Bafin der Glanz der vermeintlichen Kryptowährung Onecoin zu bröckeln. Wenig später sollte sich herausstellen, dass die behauptete Blockchain hinter dem System nicht existiert. International erlitten in dem von der Deutsch-Bulgarin Ruja Ignatova geschaffenen System Anleger Milliardenverluste. Ignatova, die sich "Krypto-Queen" nennen ließ und unter anderem im Londoner Wembley-Stadium für Onecoin vor Anlegern Werbung machte, ist seit 2017 untergetaucht. Am Freitag vergangener Woche (17.09.) startete vor dem Landgericht Münster der Prozess gegen drei Helfer Ignatovas.

Vor Gericht stehen das Ehepaar H. und R. so wie der Jurist B. Sie sollen in Deutschland Millionensummen aus dem Vertrieb der wertlosen Kryptowährung Onecoin zu unrecht entgegengenommen beziehungsweise transferiert haben, wie aus einer Mitteilung des Gerichts hervorgeht.

Finanzdienstleistungen ohne Erlaubnis
Den Eheleuten wirft die Staatsanwaltschaft vor, vorsätzlich ohne die dafür nötige Konzession Zahlungsdienste erbracht zu haben. Sie sollen laut den Angaben über eigens eingerichtete Konten für die OneCoin Ltd. insgesamt 88.158 Zahlungseingänge von Kunden mit einem Gesamtvolumen in Höhe von rund 320 Millionen Euro vereinnahmt haben. Ein Großteil der Gelder soll in der Folge weiter transferiert worden sein.

Dafür sollen die beiden Angeklagten eine Provision von einem Prozent der eingezahlten Kundengelder erhalten haben. Vorerst wird ihnen nur vorgeworfen, unerlaubt Zahlungsdienste erbracht zu haben. Beiden könnten laut Gericht aber zusätzlich noch wegen der Unterstützung des Onecoin-Systems wegen Beihilfe zum Betrug sowie Geldwäsche belangt werden.

Fonds auf den Cayman Island>
Dem Rechtsanwalt wirft die Staatsanwaltschaft vorsätzliche Geldwäsche in zwei Fällen vor. Zum einen soll er Gelder des Unternehmens der Eheleute in Höhe von rund 20 Millionen Euro auf seinem Konto entgegengenommen und diese anschließend im Auftrag Ignatovas an eine Londoner Rechtsanwaltsgesellschaft überwiesen haben. Ignatova besaß in Londoner Luxuslagen zwei Eigentumswohnungen. Außerdem soll der Anwalt bei der Verschiebung von Kundengeldern in Höhe von rund 75 Millionen Euro an einen Fonds auf den Cayman Islands "zur Verschleierung der Herkunft der Gelder wahrheitswidrige Angaben in Schreiben unter dem Briefkopf seiner Anwaltskanzlei gemacht und diese versandt haben".

Das "Handelsblatt", das den Gerichtsauftakt verfolgte, spricht von rund 60.000 Geschädigten in Deutschland. Die Verteidiger der Angeklagten betonen, ihre Mandanten seien kleine Fische und hätten nichts mit dem mutmaßlichen Betrug durch Onecoins zu tun. Auch in Italien wurde bereits ein Verfahren eröffnet. Geschädigte gibt es weltweit zwischen Mexiko und Indien. In Österreich etwa sehen BBC-Recherchen, die sich bereits vor Jahren intensiv mit dem Fall beschäftigten, Verluste von rund 50 Millionen Euro. Eine Strafverfolgung gibt es in Österreich allerdings nicht.

System läuft weiter
Wer auf Sozialen Medien nach Onecoin sucht, kann feststellen, dass das System trotz der international bekannten Ermittlungen noch immer nicht zum Erliegen gekommen ist. Unter anderem existieren in Österreich noch immer Vertriebsgruppen.

Dass Onecoin noch immer nicht tot ist, bestätigt auch ein Bericht des Handelsblatt über eine Forschungsgruppe um Michaela Hönig an der Frankfurt University of Applied Sciences. Eine Analyse der Onecoin-Aktivitäten von Nutzern auf Instagram, Facebook und dem Messengerdienst Telegram zeige, dass der Hype in über 40 Ländern weitergehe. Insbesondere komme es zum Vertrieb in geschlossenen Gruppen-Chats. "Eine wichtige Rolle spielen private Whatsapp-Gruppen, doch die Aktivitäten solcher Gruppen lassen sich nicht öffentlich einsehen", wird Hönig zitiert. Die Onecoin-Community habe sich Nachrichtenkanäle aufgebaut, die man sonst von Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern oder Extremistengruppen kennt.

Milliardenverluste
Wie viel Geld Anleger exakt verloren haben, ist nicht klar. US-Ermittler gingen einst von drei bis vier Milliarden Euro aus. Dem Anwalt eines Beschuldigten in den USA entschlüpfte bei einem veröffentlichten Gespräch allerdings die Zahl von 15 Milliarden.

Die Fortsetzung des Gerichtsprozesses in Deutschland ist für Dienstag, 21. September angesetzt. Für den Prozess wurden bis Ende Mai 2022 ungefähr 50 Verhandlungen anberaumt. (eml)