Dass die Kapitalmarktunion nicht so funktioniert, wie sie sollte, und dass europäische Anleger nur bedingt vom Binnenmarkt profitieren können, das wird seit Jahren kritisiert. Auch neue Zahlen der europäischen Marktaufsicht ESMA zu Wertpapierdienstleistungen wie Anlageberatung verdeutlichen das. Demnach bieten in der EU beziehungsweise im Europäischen Wirtschaftsraum nur 380 Firmen grenzüberschreitende Wertpapierdienstleistungen für Retailkunden an. Die meisten davon, nämlich 59 Prozent, sind Wertpapierfirmen, 41 Prozent sind Banken. Zum Vergleich: Die EU-Kommission zählt in ihrem Gebiet rund 8.300 Banken und 6.000 Wertpapierfirmen.

Eine grenzüberschreitende Bereitstellung von Finanzdienstleistungen hätte Vorteile für Verbraucher und Unternehmen: Der Wettbewerb wird gefördert, und das Angebot für Verbraucher wächst genauso wie der Markt für Unternehmen.

Wenige Kunden werden vom Ausland aus betreut
In der Realität merkt man davon wenig. Nur 7,6 Millionen Kunden in der EU wurden laut ESMA im Jahr 2022 von einem Wertpapierdienstleister aus einem anderen EU-Staat serviciert. In der EU leben 447,7 Millionen Menschen.

Auch zeigen die Zahlen eine extreme Konzentration: Fast ein Viertel des Auslandsgeschäfts im Retail wird von Firmen aus der Steueroase Zypern getätigt. 16 Prozent der Services kommen aus Luxemburg, das ebenfalls mit vorteilhaften Finanzmarktbedingungen beziehungsweise einem großen Private-Banking-Angebot punktet.

Deutschland, Frankreich und Österreich aktiv
Nach diesen beiden Ländern haben Firmen aus Deutschland (13 Prozent), Frankreich (10 Prozent) sowie Österreich und den Niederlanden (je 5 Prozent) die größten Marktanteile beim grenzüberschreitenden Vertrieb. Gerechnet nach Retailkunden, die Zugang zu ausländischen Dienstleistungen haben, liegt nach Zypern das deutsche, schwedische und österreichische Publikum vorne.

Aus Sicht der ESMA ist zwar mehr Dynamik in dem Feld wünschenswert. Allerdings gibt es auch mahnende Worte. Die nationalen Finanzmarktaufseher müssten ihre Anstrengungen bei der Überwachung grenzüberschreitender Aktivitäten intensivieren, so die ESMA. Sie hat rund 5.700 Beschwerden untersucht. Am häufigsten beanstandeten Kunden Informationsdefizite bei ausländischen Anbietern. Häufig wurde zudem eine fehlende Übereinstimmung von Produkt und Anlegerbedürfnissen bemängelt. Auch Vertragsdetails und Gebühren waren häufig ein Thema.

Insgesamt hat die ESMA anhand von Daten aus 29 Jurisdiktionen den Markt für Kleinanlegerservices von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten untersucht. Firmen mit weniger als 50 Retailkunden im europäischen Ausland wurden nicht einbezogen. (eml)