Der chinesische Versicherungsriese Anbang hat Probleme, und die sind offenbar größer als zunächst gedacht. Anbang-Chefaufseher Wu Xiaohui, der das Unternehmen von einem unbedeutenden Autoversicherer zu einer der wertvollsten Marke in der Assekuranz aufbaute, wurde allem Anschein nach vergangene Woche verhaftet. Die offizielle Version: Wu kann seine Aufgaben als CEO aus persönlichen Gründen nicht länger wahrnehmen. Chinesische Medien berichten allerdings übereinstimmend, dass dem Manager des mit Kundenvermögen von geschätzt 300 Milliarden US-Dollar Branchendritten in China ein Korruptionsverfahren droht.

Die Umstände von Wus Festnahme bleiben dubios. Sein Abgang nährt die Angst, dass weitere Branchenchefs verhaftet werden könnten – und dass bei Anbang selbst ein Lehman-Szenario droht. Mehrere chinesische Banken haben den Vertrieb von Anbang-Produkten wie Lebensversicherungen und Graumarktfonds aus Risikoerwägungen heraus komplett eingestellt, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Genau damit refinanziert sich der Versicherer aber. Im vergangenen Jahr wurden rund 90 Prozent der Policen über chinesische Banken verkauft.

Überteuerte Einkaufstour im Ausland?
Anbangs Geschäftsmodell ist offenbar schon länger unter Druck. Daten der chinesischen Regierung zeigen, dass bereits im April die Umsätze mit Lebensversicherungen und spekulativen Vermögensverwaltungsprodukten im Vergleich zum Vorjahresmonat eingebrochen waren. Gerät der Konzern noch stärker in Schieflage, könnte das erhebliche Auswirkungen auf andere Länder haben. Denn Anbang war zuletzt im Ausland massiv auf Einkaufstour gegangen.

In den USA kaufte der Versicherer im Jahr 2015 das New Yorker Luxushotel Waldorf Astoria. In Deutschland gehört der Konzern zu den kolpotierten Interessenten für die HSH Nordbank, die auf Druck der EU-Kommission bis Februar 2018 verkauft werden muss. Nun könnte es vorbei sein mit der internationalen Expansion. Was passiert, wenn Anbang seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann, ist unklar. Möglich, dass dann der Staat einspringt, anders als bei Lehman. Chinas Regierung hat bisher aber kein Wort zum Fall Anbang verlauten lassen. (fp)