Die Finanzmarktaufsicht FMA hat der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG am gestrigen Dienstag (14. Juli 2020), kurz vor Mitternacht, die Fortführung des Geschäftsbetriebes untersagt. Ab sofort führt per FMA-Bescheid der Wirtschaftsprüfer Bernhard Mechtler als Regierungskommissär das Kreditinstitut. Der gesamte Vorstand ist im Laufe des Mittwochvormittags zurückgetreten. Allen voran Vorstandschef und Aktionär Martin Pucher, der die Regionalbank vor 25 Jahren aus dem Raiffeisenverband herausgelöst hatte.

Laut dem Sprecher der FMA schöpfte die Behörde nach Vor-Ort-Prüfungen den Verdacht auf Unregelmäßigkeiten. Die Prüfer befürchten, dass wesentliche Positionen in der Bilanz nicht werthaltig sind, wie es gegenüber der Redaktion heißt. Die Bilanz könnte über Jahre hinweg frisiert worden sein.

Kritische Fragen an die Wirtschaftsprüfer 
Der Fall erinnert nicht nur deshalb an Wirecard. Eine weiterer Zufall: Bei der Commerzialbank Mattersburg hat – wie bei der ebenfalls pleite gegangenen österreichischen Wirecard CEE – der Wirtschaftsprüfer TPA seit vielen Jahren den Bestätigungsvermerk erteilt. Einmal mehr müssen sich damit innerhalb kurzer Zeit die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften kritische Fragen gefallen lassen. TPA hat vorerst nicht auf eine Anfrage der Redaktion geantwortet.

Wie die Einlagensicherung Austria (ESA) gegenüber FONDS professionell ONLINE bestätigt, habe die Commerzialbank Mattersburg den Sicherungsfall ausgelöst. Die ESA garantiert die Rückzahlung von Einlagen im Wert von 100.000 Euro je Person und Kreditinstitut. Laut Geschäftsführer Stefan Tacke könnten die geschützten Einlagen nach ersten Schätzungen zwischen rund 420 Millionen und 450 Millionen Euro liegen. Der ESA-Fonds, aus dem die Sicherung entnommen wird, ist 750 Millionen Euro schwer und kann damit die Auszahlung "leicht stemmen", wie Tacke sagt.

Einlagensicherung 2020 schon zum zweiten Mal ausgelöst
Die Commerzialbank Mattersburg ist heuer bereits die zweite Bank, die die Einlagensicherung auslöst. Im März hatte, zum ersten Mal nach fast zwei Jahrzehnten, die Insolvenz der Ex-Meinl Bank AAB (Anglo Austrian Bank) das Sicherungsnetz ausgelöst. Bei der AAB musste die ESA aber nur rund 60 Millionen Euro an geschützten Einlagen auszahlen. "Wir werden voraussichtlich am Montag auszahlungsbereit sein. Wir fahren die Systeme hoch, die Mitarbeiter werden aus dem Urlaub zurückgeholt", so Tacke. Bereits bei der AAB-Pleite hatte sich gezeigt, dass das ESA-Netz sehr rasch greift: Ein großer Teil der Beträge war innert zwei Wochen ausbezahlt.

Unmut über FMA-Vorgehen
Gleichzeitig herrscht, wie von einem Insider zu hören ist, bei der ESA einiger Unmut über das Vorgehen der FMA. Demnach erfuhr die Führungsebene der Einlagensicherung erst am Dienstagnachmittag vage, "dass etwas kommen könnte". Und erst kurz vor der offiziellen FMA-Aussendung sei die ESA über den Sicherungsfall informiert worden. Das ist laut dem Insider fragwürdig, weil es der gesetzliche Auftrag der FMA sei, die ESA rechtzeitig einzubinden. Wie der mit der Sache Vertraute der Redaktion sagte, kursierten Gerüchte über Unstimmigkeiten bei der Bank auf tieferer ESA-Ebene schon länger.

Den letzten Einträgen im Firmenbuch zufolge hatte die Bank per Ende 2018 Einlagen von rund 437,5 Millionen Euro. Dazu kommen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von 28,8 Millionen Euro. Die Bilanzsumme lag 2018 bei knapp 794 Millionen Euro.

Firmenimperium
Vorstandsvorsitzender Martin Pucher hatte 1995 die kleine Raika Zemendorf aus dem Raiffeisen-Sektor gelöst und daraus die Commerzialbank geformt. Neben der Zentrale in Mattersburg gibt es acht Filialen: Baumgarten, Draßburg, Forchtenstein, Hirm, Krensdorf, Loipersbach, Schattendorf, Zemendorf. Die Homepage der Bank war am Mittwoch (15. Juli 2020) nicht erreichbar.

Vorstandchef Pucher ließ am Vormittag über seine Anwälte verlautbaren, er sei an einer umfassenden und lückenlosen Aufklärung gegenüber den untersuchenden Behörden interessiert. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Nach mehreren Medienberichten investierte die Commerzialbank in ein "Mega-Umbauprojekt" in Mattersburg. Ein “Impulszentrum”, das den Umbau des Stadtplatzes und ein neues Rathaus beinhaltet, soll rund 30 Millionen Euro kosten. Einen Großteil davon finanziert laut Angaben von "Der Standard" die Commerzialbank, die Stadt steuert 5,5 Millionen Euro bei. Grundeigentümer ist demnach Pucher.

Weitere Kreise
Das Aus der Bank dürfte in der Region noch weitere Kreise ziehen. Pucher ist Präsident des Fußballvereins SV-Mattersburg, dessen Sponsor die Commerzialbank war. Unter dem 64-Jährigen spielt der Verein laut “Der Standard” seit 2003 in der Bundesliga, mit Ausnahme der Jahre 2013 bis 2015. 2005 bis 2009 war Pucher demnach auch Präsident der österreichischen Bundesliga. Das Budget des SV Mattersburg lag bei 6,5 Millionen Euro.

Pucher baute rund um den SV Mattersburg laut dem Bericht ein Firmenimperium auf. Dem Verein gehört demnach die Fußballakademie Burgenland GmbH zu 35 Prozent, 45 Prozent hält das Land und zehn Prozent die Stadtgemeinde Mattersburg. Pucher selbst ist auch Geschäftsführer der SVM Profisport GmbH, zu der unter anderem eine Sportstättenerrichtungs- und -betriebsgesellschaft gehört. (eml)