Schon kleine Veränderungen der Leitzinsen würden der Deutschen Bank "sehr helfen". Das sagt John Cryan, Vorstandschef der Deutschen Bank, im Gespräch mit dem "Handelsblatt". "Im Moment müssen wir wegen der negativen Zinsen dafür zahlen, dass wir großzügig Liquidität vorhalten. Wir werden also dafür bestraft, dass wir unser Risiko minimieren", so Cryan. Ein rasanter Zinsanstieg werde das Wirtschaftswachstum allerdings stark belasten, zudem würden mehr Kredite ausfallen: "Wir sehen uns aber auch für ein solches Szenario gut gerüstet." 

Die Zinskurve werde irgendwann wieder steigen, erwartet der Bankchef: "Wenn die Zinsen wieder nach oben gehen, werden wir automatisch mehr verdienen, ohne dafür einen Cent ausgeben zu müssen." Derzeit habe die Deutsche Bank auf der rechten Seite der Bilanz 500 bis 600 Milliarden Euro an Einlagen stehen, an denen sie kaum etwas verdiene.

Grundsätzlich muss das Geldhaus seine Einnahmen in Zukunft steigern, denn das Ziel ist eine Eigenkapitalrendite von zehn Prozent. "Solche Renditen sind heutzutage durchaus noch realistisch", entgegnet Cryan auf Nachfrage des "Handelsblatts". Das gelte auch für den deutschen Markt. Dieser sei aktuell noch "ziemlich ineffizient", das ändere sich aber gerade. Um ihre Einnahmen zu steigern, will die Deutsche Bank neben Kostenkürzungen künftig auch Provisionen ein höheres Gewicht beimessen.

Weitere Kapitalerhöhungen nicht ausgeschlossen
Mit Blick auf die Strafzahlungen von 15 Milliarden Euro für diverse Skandale sagt Cryan, das Handelsgeschäft sehe nach den Anstrengungen der Regulierer heute ganz anders aus als noch vor einigen Jahren. "Früher ging es sehr viel stärker darum, Bewertungsunterschiede an den Märkten auszunutzen, das war ein extrem kurzfristiges Geschäft", sagt Cryan. Im heutigen Bankgeschäft sehe das komplett anders aus: "Wir bewirken Positives für den Kunden und bekommen dann etwas davon ab", fasst er die neue Mission zusammen.

Seit der Finanzkrise musste die Deutsche Bank ihre Aktionäre indes schon vier Mal zur Kasse bitten. Zuletzt überraschte das Geldhaus seine Investoren mit einer acht Milliarden Euro schweren Kapitalerhöhung. Im "Handelsblatt"-Gespräch will Cryan nicht konkret sagen, ob es sich hierbei um die erste und die letzte Erhöhung seiner Amtszeit handelt: "Man sollte niemals nie sagen."

Integration der Postbank dauert länger
Die nun beschlossene Zusammenführung der Postbank mit dem deutschen Privat- und Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank wird laut Cryan drei bis fünf Jahre in Anspruch nehmen: "Das ist zugegebenermaßen lang, und wir haben durchaus diskutiert, ob es auch schneller ginge. Am Ende haben wir uns auf diese Bandbreite geeinigt", erklärt der Bankchef. Die Integration werde allerdings unterm Strich weitere Jobs kosten – "wahrscheinlich mehr, als wir neue schaffen können", sagt Cryan. 

Grundsätzlich sollten Banken sich eher als Teil der Infrastruktur und als Versorger verstehen denn als große Innovatoren, findet Cryan, angesprochen auf den mangelnden Erfindergeist etablierter Banken: "Wir müssen unsere Produkte einfach und relevant halten." Auch deshalb sei die Deutsche Bank dabei, die Produktpalette im Privatkundengeschäft zu reduzieren: "Als ich vor fast eineinhalb Jahren als Vorstandschef begonnen habe, boten wir im Privatkundengeschäft etwa 140 Produkte an, das habe ich nie verstanden. Am Ende des Umbaus werden wir wohl bei 30 bis 40 Produkten ankommen", kündigte er an. (fp)