Per Privatjet in die Karibik oder zum Formel-1-Rennen sowie Abendessen auf der Superyacht – Mitarbeiter bis hin zur obersten Führungsetage des Investmenthauses H2O haben sich von dem schillernden deutschen Finanzier Lars Windhorst zu allerlei Annehmlichkeiten einladen lassen. Dies zeigt der Abschlussbericht der britischen Finanzaufsicht FCA, in dem die Behörde die Vorgänge rund um die Investments mehrerer H2O-Fonds in Wertpapiere aus dem Umfeld von Windhorsts Tennor Holding untersuchte. Der Bericht der FCA führt noch weitere, teils haarsträubende Verfehlungen auf.

Hintergrund der Ermittlungen sind die Investments der H2O-Fonds in Unternehmen, die Windhorst gehören oder für die er als Vermittler auftrat. Als die Engagements im Juni 2019 bekannt wurden, zogen Anleger gut acht Milliarden Euro aus den H2O-Fonds ab. Die Portfolios wurden 2022 in liquide und illiquide Fonds aufgeteilt. Die illiquiden Teile sind immer noch eingefroren und sollen abgewickelt werden. Die FCA erlegte H2O nun eine millionenschwere Zahlung an die Anleger eingefrorener H2O-Fonds auf. Die in London ansässige Gesellschaft gibt zudem ihre Lizenz ab. Das Haus unterhält noch Büros in Paris, Monaco sowie Genf und Singapur.

Dinner auf der Superyacht
Der Bericht dokumentiert die enge Verflechtung zwischen der H2O-Riege und Windhorst. So ließ sich etwa der H2O-Gründer und einstige Firmenchef Bruno Crastes mit seiner Familie zum Jahreswechsel 2018 auf 2019 per Linienflug und in Windhorsts Privatjet zwischen Großbritannien, Frankreich, den USA und der Karibikinsel St. Martin hin und her fliegen. Co-Gründer Vincent Chailley und seine Familie wurden 2015 zum Formel-1-Rennen in Silverstone per Helikopter eingeflogen. Mehrere H2O-Mitarbeiter erhielten Dinner-Einladungen auf Windhorsts Superyacht sowie in Restaurants oder Privatklubs.

Viele dieser Einladungen gab die in London ansässige Fondsboutique H2O nicht zu Protokoll, wie eigentlich erforderlich. Selbst auf Nachfragen der Finanzaufsicht räumte H2O zunächst nur einzelne Einladungen ein. Dabei war das H2O-Spitzenduo Crastes und Chailley, teils mitsamt Familien, mehrfach auf Windhorsts Superyacht zu Gast gewesen. Crastes und Chailley waren Passagiere in Windhorsts Privatjet oder flogen in einem von Windhorst organisierten Helikopter. Bedenken über mögliche Interessenkonflikte schien niemand einzuwenden. Bei niederrangigen H2O-Mitarbeitern führte das Haus dagegen durchaus Protokoll über Einladungen und Bewirtungen, beim Top-Management jedoch praktisch nicht, stellt die FCA fest.

"Wie eine erweiterte Familie"
Dabei hatte sich zumindest zwischen Crastes und Windhorst eine Beziehung entwickelt, die augenscheinlich über ein berufliches Maß hinausging. Die FCA zitiert als Beleg beispielhaft aus einer E-Mail, die Crastes im Januar 2019 an Windhorst schrieb: "Wir sind dabei, St. Martin zu verlassen, und ich möchte mich ganz herzlich für diese Traumwoche bedanken, die wir auf dem Schiff so sehr genossen haben. Alles war so exklusiv und so freundlich [...]. Wir fühlen uns wie eine neue Familie mit [...] Dir und es geht uns direkt ans Herz."

Windhorst antwortete noch am selben Tag: "Lieber Bruno. Ich habe gerade versucht, Dich anzurufen. Vielen Dank für diese sehr freundliche Nachricht! Ich fühle genau dasselbe, es ist mehr als nur eine enge Freundschaft zwischen uns, es fühlt sich auch für mich wie eine erweiterte Familie an!" Eine Anfrage der FCA aus dem November 2019, ob persönliche Beziehungen zwischen H2O-Mitarbeitern und Windhorst oder seinem Umfeld bestehen, verneinte H2O. Die Zeitungen "Financial Times" und "Wall Street Journal" hatten zuvor über persönliche Verflechtungen zwischen Windhorst und H2O-Angestellten berichtet. Erst 2021 habe H2O die Aufsicht vollumfänglich über die Einladungen und Bewirtungen von Windhorst informiert.

Erfundene Protokolle und nachträgliche Analysen
Der Bericht der FCA, der die Zeit von 2015 bis 2019 abdeckt, dokumentiert noch weitere, irritierende Praktiken. So keimte bei den Aufsehern 2019 der Verdacht auf, dass H2O bei einigen Investments keine zeitnahe Due-Diligence-Prüfung ausgeführt hatte. Die Behörde forderte in der Folge Unterlagen von H2O an. Daraufhin erstellte ein "führender Manager" nachträglich entsprechende Analyseberichte und schrieb Protokolle von Sitzungen, die aber nie stattgefunden haben – wie sich später herausstellte.

Diese fingierten Dokumente reichte der Manager dann bei der Aufsicht ein und machte "irreführende Angaben" über die erfolgte Due-Diligence-Prüfung, so die FCA. Der entsprechende Manager habe H2O 2021 verlassen. Zudem betont die Behörde, dass nicht alle H2O-Führungskräfte wussten oder hätten wissen müssen, dass die der Aufsicht vorgelegten Informationen falsch oder irreführend gewesen waren.

Dürftiges Research
Die Investmentanalyse der illiquiden Anleihen aus dem Windhorst-Umfeld war in Wahrheit dürftig ausgefallen, wie die FCA-Untersuchung ergab. Teils blieb sie auch ganz aus. "Für die Hälfte der Investitionen hatte H2O keine Aufzeichnungen über eine Due-Diligence-Prüfung, die zum Zeitpunkt der Investition durchgeführt wurde", heißt es in dem Bericht. In einigen Fällen beschränkten sich die eingeholten Informationen auf Anleihebedingungen, Nebenabreden, Investorenpräsentationen oder Jahresabschlüsse – und das auch nur uneinheitlich. In einem einzigen Fall sei ein Researchpapier eines Drittanbieters beigelegt worden.

Teils wurden Angaben und Zahlen schlicht aus Investorenpräsentationen übernommen, aber nicht genauer analysiert oder hinterfragt. "Diese Informationen reichten bei Weitem nicht an das heran, was H2O-eigenes Verfahren verlangte", urteilt die FCA. "Dieser mangelhafte Ansatz erscheint vor dem Hintergrund besonders gravierend, dass die H2O-Fonds in vielen Fällen der größte Investor bei den Schuldverschreibungen waren." Die Investmententscheidungen der H2O-Manager wurden also bei den Windhorst-Papieren praktisch kaum mit Daten belegt, geschweige denn kritisch überprüft.

Mängel in der Buchführung
Die Aufseher prangern in dem Bericht zudem eine mangelhafte Risikokontrolle an. Das Risiko- und Compliance-Gremium von H2O sollte eigentlich alle zwei Wochen tagen, traf sich in der ersten Jahreshälfte 2019 aber nur unregelmäßig. Und in den wenigen Sitzungen bis Juni 2019 waren die Investments in Windhorsts Tennor Holding kein Thema gewesen, obgleich sie deutlich höhere Risiken bargen als viele andere Investments von H2O. "H2O hat nicht versucht, die Risiken zu analysieren, die sich aus der Verbindung zu Herrn Windhorst ergeben", resümiert die FCA.

Zudem bemängeln die Aufseher die Aufzeichnungen von H2O. "Die Mängel in der Buchführung von H2O, insbesondere in der Aufzeichnung der Handelsdaten, sind so erheblich, dass die Behörde nicht in der Lage war, das genaue Engagement der H2O-Fonds in die Windhorst-Wertpapiere während des relevanten Zeitraums mit Sicherheit zu bestimmen", urteilt die FCA. Erst im Zuge der Trennung von liquiden und illiquiden Wertpapieren von August bis Oktober 2020 kam ein Volumen der Windhorst-Investments von rund 1,6 Milliarden Euro zustande. H2O hatte an diesem Punkt jedoch schon einen erheblichen Teil des Werts abgeschrieben.

Rekordbuße
Die Behörde betont, dass seither H2O seine Strukturen verändert habe. Das Investmenthaus selbst erkennt die Ergebnisse der FCA-Untersuchung an, die den Zeitraum 2015 bis 2019 betreffen. H2O habe seither seine Organisation erheblich verbessert, die Risikomanagement- und Compliance-Teams ausgebaut sowie die Governance und interne Verfahren gestärkt, betont Loïc Guilloux, Vorstandschef von H2O AM. "Diese Veränderungen stellen sicher, dass die Lehren aus dieser Zeit in unserer Unternehmenskultur verankert sind", so Guilloux.

Guilloux hatte Anfang 2023 die Firmenführung von Crastes übernommen. Die französische Finanzaufsicht AMF hatte Crastes mit einem fünfjährigen Bann für das Management von Fonds belegt. Zudem soll er 15 Millionen Euro Strafe zahlen. Crastes übernahm die Rolle des "Group Corporate & Market Strategy Director". Die Gesellschaft H2O erhielt damals eine Buße in Höhe von 75 Millionen Euro, die höchste Strafe für einen Asset Manager in Frankreich. Co-Gründer und Investmentchef Chailley soll drei Millionen Euro zahlen. H2O hat die Entscheidung der AMF vor Gericht angefochten. (ert)