Die britische Investmentboutique Liontrust ringt mit empfindlichen Mittelabflüssen. Allein in den sechs Monaten bis Ende September 2023 zogen Anleger unter dem Strich 3,2 Milliarden britische Pfund (3,7 Mrd. Euro) von der Gesellschaft ab. Liontrust verwaltete per Ende September 27,7 Milliarden Pfund (32,2 Mrd. Euro). Der Aktienkurs ist im Sinkflug. Mit der schwindenden Marktkapitalisierung der Gesellschaft droht der Abstieg aus dem britischen Aktienindex FTSE 250.

Ein Grund für die Misere dürfte die 96 Millionen Pfund schwere, letztlich gescheiterte Übernahme des strauchelnden Schweizer Fondshauses GAM sein. Die Briten hatten eine Kaufofferte lanciert, die unter den GAM-Aktionären jedoch kaum auf Anklang stieß. Vielmehr initiierte eine Gruppen aktivistischer Investoren, angeführt von dem französischen Internet- und Telekom-Milliardär Xavier Niel, eine Gegenofferte. Die Truppe, die sich NewGAMe nennt, setzte sich am Ende durch.

Fondsvolumen implodiert
Die Offerte für GAM ist bei weitem nicht der erste Versuch von Liontrust, sich durch Übernahmen Wachstum zu erkaufen, wie die Wirtschaftszeitung "Financial Times" (FT) berichtet. Als Erfolg dürfte Liontrust-Chef John Ions wohl den Kauf von Alliance Trust Investments im Jahr 2017 feiern. Damit holte sich Liontrust die Expertise für nachhaltige Investments ins Haus.

Als Gegenbeispiel führt die "FT" dagegen die Akquisition der Aktienboutique Majedie ins Feld. Das Volumen des Tortoise-Fonds von Majedie implodierte von 712 Millionen im Mai auf zehn Millionen Pfund im August, weil die beiden Portfoliomanager das Haus verließen. Im Oktober kündigte zudem der Manager des 1,2 Milliarden Pfund schweren Edinburgh Investment Trust von Majedie seinen Rückzug an.

Alles auf eine Karte gesetzt
Erschwerend kommt hinzu, dass das Geschäftsmodell von Liontrust trotz zahlreicher Zukäufe nach wie vor auf britische Aktien abzielt. Gerade dieser Anlageklasse bringen Investoren derzeit jedoch eine gehörige Portion Skepsis entgegen. Mit dem Scheitern des GAM-Deals verliert Liontrust auch die Aussicht auf den Zugang zu einem Investmentspektrum, das deutlich über britische Aktien hinausreicht.

Die Kosten für die misslungene Offerte beziffert Liontrust auf elf Millionen Pfund. Weitere Aufwendungen stehen noch an. Für das Halbjahr per Ende September wies Liontrust einen Verlust vor Steuern in Höhe von 10,1 Millionen Pfund aus – Abschreibungen nicht berücksichtigt. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum hatte sich der Vorsteuergewinn noch auf 14 Millionen Pfund beziffert. (ert)