In einer E-Mail an die Mitarbeiter vom 5. Mai, in die die Nachrichtenagentur "Bloomberg" Einblick hatte, schrieb EZB-Chefin Christine Lagarde, sie verstehe, dass einige von der diesjährigen Gehaltserhöhung enttäuscht seien, bestand aber darauf, dass künftige Anpassungen "angemessen" sein müssten. Auf die Forderung der Gewerkschaft der EZB, die Lohnerhöhungen an den Anstieg der Verbraucherpreise zu koppeln, antwortete sie: "Eine Indexierung der Gehälter an die Inflation ist nicht wünschenswert und nicht beabsichtigt." Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.

Mahnende Erinnerung an die 1970er-Jahre
Auch über ihre eigenen Praktiken hinaus gehört die EZB zu den vehementesten Gegnern der Indexierung – einer Politik, die früher verbreitet war und in einigen Ländern immer noch angewandt wird. Auf der Sitzung des EZB-Rats im Oktober wurde daran erinnert, dass in den 1970er-Jahren die Indexierung der Löhne sowohl Stagnation als auch Inflation aufrecht erhielt, heißt es in einem Bericht über die Beratungen.

Entsprechende Zurückhaltung herrscht auch anderswo: So hat der Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, erklärt, dass er in diesem Jahr keine Gehaltserhöhung annehmen wird. Die meisten seiner Mitarbeiter erhalten lediglich eine Anhebung von 1,5 Prozent. In Brasilien streiken die Angestellten der Zentralbank wegen ihrer Gehälter.

Lagarde äußerte sich nach einem Treffen zwischen dem Direktorium und Personalvertretern in der vergangenen Woche, bei dem es um eine Lohnerhöhung von 1,48 Prozent ging, die im Januar in Kraft trat. "Ich verstehe, dass diese Zahl viele von Ihnen wegen der hohen Inflation enttäuscht hat", schrieb sie in der E-Mail. "Wir verstehen, dass die Inflation für viele von Ihnen ein Grund zur Besorgnis ist, ebenso wie für viele Menschen außerhalb der EZB."

Die Preise in der Eurozone stiegen im April um 7,5 Prozent, verglichen mit dem mittelfristigen Ziel der EZB von zwei Prozent. (mb/Bloomberg)