Die Smartphone-Bank N26 gewinnt rasant Kunden. Was steckt hinter dem Erfolg? Das wollte die Redaktion von FONDS professionell wissen – und hat bei Christian Rieck nachgefragt, der an der Frankfurt University of Applied Sciences lehrt. Rieck, Jahrgang 1963, macht nicht nur als Wissenschaftler und Autor Karriere, er ist auch als launiger Redner gefragt, unter anderem zur Frage, wie der Megatrend rund um Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Robotik die Finanzbranche umkrempeln wird.


Herr Rieck, das Unternehmen N26 spricht davon, täglich fast 10.000 neue Kunden zu gewinnen. Warum begeistern sich so viele Menschen für die Smartphone-Bank?

Christian Rieck: Da die sozialen Medien so schnell sind, verbreiten sich auch die Themen sehr schnell. Sie verschwinden aber auch ebenso flott wieder. Ob die neue Lust an der Bank so schnell wieder verschwindet wie ein Abziehbildchen, wird sich erst noch zeigen. N26 ist aber ein deutliches Zeichen dafür, dass sich auch Bankgeschäfte modisch aufpeppen lassen. Das haben die klassischen Banken unterschätzt beziehungsweise dabei in die falschen Richtungen gedacht. Dass man nur ein hippes Frontend braucht, damit haben die wenigsten gerechnet, meine Person eingeschlossen.

Kapitalgeber bewerten das Unternehmen mit über zwei Milliarden Euro, obwohl es noch keine Gewinne erzielt hat. Rechtfertigt das skalierbare Geschäftsmodell Ihrer Meinung nach die hohe Bewertung?

Rieck: Skalierbarkeit allein reicht nicht aus. Wichtig ist, dass man den anderen Anbietern den Weg abschneidet, einfach das Gleiche nachzumachen, denn bei der Konkurrenz würde es ja genauso skalieren. Der Markt scheint zu vermuten, dass die traditionellen Banken durch N26 vom Kunden abgeschnitten werden und zu reinen, austauschbaren Backoffice-Einrichtungen verkommen. Zugleich dürfen aber auch keine anderen Frontend-Anbieter entstehen. Diesen zweiten Teil sehe ich im Moment nicht. Der Erfolg von N26 steht und fällt mit der Frage, ob das Unternehmen einen Netzwerkeffekt schaffen kann, den andere dann nicht mehr knacken können.

Was müssen traditionelle Banken tun, um ihre Kunden zu halten und neue Kunden zu gewinnen?

Rieck: Die traditionellen Banken müssen branchenweite Kooperationen eingehen. Das Zahlungsverkehrssystem und die Kreditkarten-Schemes sind in der Vergangenheit ein wenig aus Zufall entstanden, haben dann aber über den Netzwerkeffekt ein Bollwerk errichtet, durch das kein Branchenfremder an den Banken vorbei eindringen konnte. So etwas brauchen die Institute auch für die neuen Bereiche. Außerdem sollten die Kreditinstitute versuchen, ein hippes Frontend zu schaffen. Die Banken erscheinen unglaublich altbacken. N26 zeigt, dass man darüber nur eine hauchdünne Schicht Show legen muss, um beim Kunden gut anzukommen.

Was empfehlen Sie Mitarbeitern, die derzeit noch im Kontoservice einer Bank oder Sparkasse tätig sind?

Rieck: Bisher waren mausgrau und Fehlerfreiheit der Schlüssel zum Erfolg. In Zukunft wird man mehr bunte Vögel brauchen, die gut mit ihren Roboter-Kollegen zusammenarbeiten können. Die Branche braucht sich aber nichts vorzumachen: Die Banken werden zukünftig sehr viel weniger Mitarbeiter in den klassischen Bereichen benötigen.

Vielen Dank für das Gespräch. (mh)


Eine ausführliche Analyse zu N26 lesen Sie in FONDS professionell 2/2019 ab Seite 222. Angemeldete FONDS professionell KLUB-Mitglieder können den Beitrag auch hier im E-Magazin abrufen.