Vor zehn Jahren legte Edda Schröder, Gründerin und Inhaberin des Frankfurter Impact-Investors Invest in Visions, den IIV Mikrofinanzfonds auf. Er war der erste seiner Art, der auch Privatanlegern offensteht. Heute beschäftigt Invest in Visions 25 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und verwaltet 935 Millionen Euro. Mikrofinanz-Investments gehören mittlerweile zu den etablierten Anlageklassen. Nun geht Schröder mit einem neuen Fonds an den Start. Was sie damit erreichen möchte, berichtet sie im Interview mit FONDS professionell ONLINE.


Frau Schröder, Sie sind derzeit auf Roadshow, um Investoren den neuen Fonds vorzustellen, den Invest in Visions zum 1. Juni 2021 herausgebracht hat. Worum handelt es sich bei dem "IIV Sustainable SME Debt Fund EM – Finance for Future" und welches Ziel verfolgen Sie mit diesem Fonds?
Edda Schröder: Die drei Buchstaben SME im Fondsnamen stehen für "Small and Medium Enterprises", also für kleine und mittlere Unternehmen. Genau solche Firmen wird der Fonds in den Entwicklungs- und Schwellenländern über Finanzinstitute finanzieren. Das ist für mich die logische Fortsetzung des Themas Mikrofinanz.

Inwiefern?
Schröder: Es gibt in den Ländern, in denen wir mit unseren Mikrofinanzfonds Unternehmen finanzieren, solche, die gewachsen sind und daher auch einen größeren Kapitalbedarf haben. Die Mikrofinanzinstitute, die wir refinanzieren, dürfen aber nur Einzeldarlehen in Höhe von maximal 10.000 Euro vergeben. Die Finanzierungen, die kleine und mittlere Unternehmen benötigen, liegen im Durchschnitt jedoch bei 200.000 US-Dollar. 

Kleine und mittelständische Unternehmen, kurz: KMU, könnten sich doch an Geschäftsbanken wenden. 
Schröder: So einfach ist das nicht. Das zeigt die Tatsache, dass es eine Finanzierungslücke von ungefähr 4,5 Billionen US-Dollar für rund neun Millionen kleine und mittlere Unternehmen gibt. Diese haben keine Möglichkeit, an Darlehen zu kommen. Obwohl sie gewachsen sind, erhalten sie bei den großen Geschäftsbanken immer noch keine Finanzierungen. Von den Mikrofinanzinstituten wiederum bekommen sie keine Kredite mehr, weil sie schon zu groß sind. Genau diese fehlende Mitte, das sogenannte "Missing Middle" wollen wir mit dem Fonds angehen und helfen, die Lücke zu schließen. Das ist wichtig, damit in den Entwicklungs- und Schwellenländern Infrastruktur aufgebaut wird und Arbeitsplätze geschaffen werden können. Denn wenn man sich die Zahlen der Weltbank anschaut, ergibt sich wirklich ein erschreckendes Bild.

Was besagen die Zahlen?
Schröder: Die Weltbank geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 etwa 600 Millionen Arbeitsplätze entstehen müssen, um das Beschäftigungsniveau von heute weltweit zu halten. Der Grund dafür ist, dass die demografischen Wachstumsraten in den Entwicklungsländern sehr hoch sind. Aktuell umfasst die Weltbevölkerung rund 7,9 Milliarden Menschen, jeden Monat kommen 1,5 Millionen hinzu, und zwar überwiegend in Asien, Ländern wie Palästina, Pakistan und in Sub-Sahara. Ich denke, es ist daher jetzt angezeigt, dort Wirtschaftssysteme zu schaffen, damit die Länder wachsen, die Menschen konsumieren können, in Lohn und Brot sind. Es ist wichtig, dass in den Staaten Volkswirtschaften aufgebaut werden, sodass sie künftig nicht mehr so abhängig vom Export sind. Es müssen eigene Industrien entstehen, damit nicht weiterhin Ressourcen aus den Ländern entnommen werden, sondern dort verbleiben. Diesen Weg wollen wir mit dem SME-Fonds beschreiten.

Wann wird er an den Start gehen?
Schröder: Wir sind noch in der Phase der Auflegung. Wir haben schon einige interessante Unternehmen, die wir finanzieren möchten, zum Beispiel eine Recycling-Firma in Ecuador. Unser erstes Anliegen ist es wie gesagt, Arbeitsplätze in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu schaffen. Ein weiteres Ziel ist die Transformation der Firmen in nachhaltige Unternehmen. Dazu gehört etwa, dass Frauen in Führungspositionen kommen. Wichtig ist aber auch, dass Themen wie Umweltschutz und Klimawandel angegangen werden. 

Zeigen Investoren Interesse an dem SME-Fonds?
Schröder: Ja, wir stoßen mit unseren Zielen wohl auch deshalb auf offene Ohren, weil jeder weiß, wie wichtig Themen wie Klimawandel und Nachhaltigkeit sind. Der Fonds ist ein Spezialfonds für professionelle und semi-professionelle Investoren. Gerade Unternehmer, die selbst nachvollziehen können, wie schwierig es sein kann, an Finanzierungen zu kommen, zeigen Interesse. 

Der Mikrofinanzfonds, den Sie 2008 aufgelegt haben, richtete sich auch an institutionelle Investoren. Am 10. Oktober 2011 folgte aber der IIV Mikrofinanzfonds, der erster Fonds seiner Art, der auch Privatanlegern offensteht, und der gerade sein zehnjähriges Jubiläum gefeiert hat. Planen Sie von Ihrem neuen SME-Fonds auch eine Retail-Variante?
Schröder: Ja, als sich im Jahr 2011 das Investmentgesetz änderte, konnten wir den Mikrofinanzfonds als Publikumsfonds auflegen. Ich hoffe, dass wir für den neuen Fonds auch eine Regelung bekommen, mit der wir das schaffen. Wir machen schon ein bisschen Lobbyarbeit über unsere Kapitalverwaltungsgesellschaft Hansainvest, damit es klappt. 

Was spricht denn dagegen?
Schröder: Die Regulierung, die ich in diesem Punkt etwas kontraproduktiv finde. Auf der einen Seite möchte man Impact Investing fördern, auf der anderen Seite ist es aber regulatorisch derzeit nicht möglich, einen Darlehensfonds für Privatanleger aufzulegen. Das liegt daran, das ein deutscher Publikumsfonds im Normalfall nur zu bis 30 Prozent Kredite vergeben darf. Wir vergeben mit unserem Mikrofinanzfonds aber wesentlich mehr Darlehen, nämlich bis zu 90 Prozent. Das geht, weil Mikrofinanz im Kapitalanlagegesetzbuch, bis 2013 noch Investmentgesetz, auch durch unsere Lobbyarbeit eine Sonderstellung bekommen hat. Und das würde ich mir jetzt für den SME-Fonds auch wünschen. 

Mit der Darlehensgröße steigt aber auch das Risiko.
Schröder: Das ist richtig. Gleichzeitig haben die Banken, welche diese höheren Darlehen ausreichen, aber auch ein ganz anderes Risikosystem als Mikrofinanzinstitute. Die Kreditprozesse sind anders, wir können uns die Bilanzen der kreditnehmenden Firmen anschauen. Wir kommen jetzt aus dem sogenannten informellen Sektor, in dem viele Mikro-Kleinstunternehmer angesiedelt sind, in den formellen Sektor. Das ist eine ganz andere Kategorie, von daher würde ich mir wünschen, dass wir es durchsetzen können, den SME-Fonds auch für Privatanleger anzubieten.

Über welche Banken werden die Darlehen aus dem Fonds denn an die Unternehmen vergeben?
Schröder: Der Mikrofinanzbereich hat sich extrem weiterentwickelt, die Mikrofinanzinstitute sind in fast allen Ländern, in denen wir tätig sind, inzwischen reguliert. Einige sind auch stark gewachsen und Mikrofinanzbanken geworden. Bei diesen gehört die KMU-Finanzierung bereits mit zum Geschäft. Und den Topf würden wir füllen. Es gibt aber auch neue Institute, sogenannte Non Banking Financial Institutions, kurz: NBFI, und vollregulierte Banken. Es sind nicht mehr nur, wie im Bereich Mikrofinanz, NGOs oder kleine Kooperativen, von denen die Darlehen vergeben werden. 

Wechseln wir das Thema: Seit Inkrafttreten der EU-Offenlegungsverordnung im März dieses Jahres weisen viele Fondsgesellschaften zahlreiche Sondervermögen als Artikel-8- oder gar als Artikel-9-Produkte aus. Finden Sie es schwierig, dass es für die Einordnung keine klaren Kriterien gibt?
Schröder: Zunächst einmal finde ich es schwierig, dass wir im Moment mehrere Regelwerke haben, die zu mehr Nachhaltigkeit im Finanzwesen führen sollen, obwohl noch nichts Definitives feststeht. Das ist eine Art Grauzone und macht es kompliziert für die Akteure. Wir setzen uns stark dafür ein, dass in die EU-Taxonomie auch das 'S' der drei Buchstaben ESG, also das Social, aufgenommen wird. Andernfalls würden wir als Mikrofinanz- oder SME-Fonds aus dem Thema Nachhaltigkeit herausfallen. 

Dabei ist der IIV Mikrofinanzfonds ein Impact Fonds.
Schröder: Ja, und wir haben die entsprechenden Investmentprozesse noch einmal verschärft und alles in die Dokumentation aufgenommen. Das wird jetzt auch von unserem Wirtschaftsprüfer geprüft. Wenn alle Fondsgesellschaften es so machen würden, wäre Artikel 9 der Offenlegungsverordnung tatsächlich ein Prädikat für einen Fonds. Aber bislang ist das nicht verpflichtend, jeder kann seine Produkte einstufen, wie er möchte. Ab dem kommenden Jahr wird die korrekte Zuordnung jedoch geprüft, daher hoffe ich, dass es dann zu etwas mehr Transparenz kommt. 

Vielen Dank für das Gespräch. (am)