Etwas mehr als zwei Jahre lang war Peter Thirring Generaldirektor der Donau Versicherung. Im Juli wechselt er offiziell in den Vorstand der Muttergesellschaft Vienna Insurance Group (VIG). Er werde den "Donau-Spirit, die extrem starke Unternehmenskultur" vermissen, so Thirring im Gespräch mit FONDS professionell. Er hatte nach drei Jahrzehnten in der Generali einen viel beachteten Wechsel in die Donau gemacht. Am meisten überrascht hat ihn rückblickend "wie viel mehr gestalterische Möglichkeiten" es in einem heimischen Unternehmen mit österreichischer Muttergesellschaft gibt, so der Donau-Chef im Interview, das in der aktuellen Heftausgabe von FONDS professionell erscheint, die Abonnenten dieser Tage zugestellt wird.

"Donau bleibt eigenständig"
Aus Thirrings Sicht ist es "hundertprozentig sicher", dass die Donau innerhalb der VIG ein eigenständiges Unternehmen bleibt. "Alles andere wäre auch nicht sinnvoll, denn die Donau hat eine komplett andere Positionierung. Die Wiener Städtische ist Marktführer, die Donau ist die kleinere, regional aufgestellte Versicherung, die näher in den ländlichen Gebieten dran ist“, so der Noch-Chef der Donau.

Die Donau unterscheide sich in ihrer Absage an Selbstversicherungs-Experimente im Onlinezeitalter klar: "Wir digitalisieren zwar sehr viele Abläufe. Aber was wir nicht wollen, ist, dass sich der Kunde selbst versichert. Wir wollen über die Beratung dafür sorgen, dass unsere Kunden richtig versichert sind. Und man muss auch sagen: Derzeit ist das ja gar kein Wettbewerbsnachteil. Der reine Online-Verkauf ist in Österreich marginal, der spielt sich im Promillebereich ab", so Thirring.

Vor dem Sommer erwartet: Kostenaufteilung und Rücktrittsrechte
Noch vor dem Sommer rechnet Thirring mit einem Gesetz, das die Verteilung der Abschlusskosten bei den Lebensversicherungen auf zehn Jahre vorschreibt. Derzeit sieht die gesetzliche Regelung eine Verteilung auf zumindest fünf Jahre vor. Werden die Kosten gleich zu Beginn abgezogen, dauert es oft den größten Teil der Veranlagungszeit, bis das Produkt wieder mehr wert ist als der bereits eingezahlte Betrag. Auch der Zinseszinseffekt wird dadurch drastisch eingeschränkt. Man sieht aber in Österreich bereits einen kleinen Trend zu ungezillmerten Polizzen, wo die Kosten auf die gesamte Laufzeit verteilt werden. Natürlich denke man darüber auch in der Donau nach, so Thirring.

Er hofft, dass auch die quälende Frage der "ewigen Rücktrittsrechte" vor dem Sommer gelöst wird. "Ich bin selbst Jurist. Hätte ich während meines Studiums bei einer Prüfung gesagt, ich kann von einem Vertrag zurücktreten, den beide Seiten erfüllt haben und der schon lang ausbezahlt ist, dann wäre ich durchgefallen. Das ist für einen Juristen eine völlig absurde Situation. Hier wird ein EuGH-Urteil, das auf diese Weise gar nicht auf die österreichische Situation umlegbar ist, ausgenützt für Geschäftemacherei durch Prozessfinanzierer und Rechtsanwälte. Das gehört abgestellt. Diese Kunden hatten ja nie die Absicht zurückzutreten, sondern sie sind incentiviert von Prozessfinanzierern. Das zahlt ja nicht die Versicherungswirtschaft, sondern alle anderen Versicherungsnehmer. Das ist eine indiskutable Situation", so der Versicherungsexperte.

"Versicherungswirtschaft hätte aktiver kommunizieren sollen"
Er bestreitet auf Nachfrage aber nicht, dass der Versicherungsverband VVO in der Kommunikation dieser Thematik Fehler gemacht hat: "Es ist ein komplexes Thema, man kann das nicht in drei Sätzen rüberbringen. Die Kommunikation der Versicherungswirtschaft hätte aktiver sein sollen, um es mal so zu sagen."

Was das Thema Fondsprodukte betrifft, die in den meisten Häusern aufgrund der Regulierungsvorgaben drastisch eingeschränkt werden, gibt es auch in der Donau Konsequenzen: Man arbeite gerade daran, das Angebot bei Standardprodukten im Retail massiv einzuschränken. Statt rund 50 Fonds soll die Palette auf ein einstelliges Maß schrumpfen.

IFRS 17: Warnung vor Bilanzmanipulation
Kopfzerbrechen bereitet Thirring der voraussichtlich 2021 umzusetzende Bilanzierungsstandard IFRS 17, mit dem Versicherungsverträge komplett neu in der Bilanz anzusetzen sind. Es werden zum Beispiel nicht mehr die Prämien als Umsatz ausgewiesen, sondern ein Wert, der um alles, was an den Kunden zurückzuzahlen ist, bereinigt wird. Der Sparprämienanteil ist dann kein Ertrag mehr, sondern eine Verbindlichkeit, was die Umsätze drastisch schmälern wird. Auch sind die Polizzen so in die Bilanz anzusetzen, dass alle erwarteten Kosten auf die gesamte Laufzeit zu schätzen sind.

"Sie können reinschreiben, dass die Verwaltungskosten über die Laufzeit gleich bleiben oder Sie sagen, in zehn Jahren kommt es zu einer Kostendegression. Oder Sie gehen davon aus, dass die Steuer die nächsten 40 Jahre gleich ist. Das kann richtig oder falsch sein. Aber am Ende des Vertrags kommt ganz was anderes raus. Weil alles stark annahmegetrieben ist, können Sie umfangreich eingreifen in die Gestaltung der Gewinn-und-Verlust-Rechnung", so Thirring.

"Exorbitante Jahresergebnisse"
Man werde internationale Konzerne sehen, die "exorbitante Ergebnisse vorstellen, einfach weil sie die Gestaltungsmöglichkeit haben", warnt Thirring. Die Vorgaben würden die Versicherungszahlen nicht wie erhofft vergleichbar, sondern im Gegenteil intransparent machen: "Ein paar Aktuare wissen, mit welchen Grundlagen sie gerechnet haben. Und die haben auch nicht den Gesamtüberblick. Ich halte das für kritisch", so der Donau-Chef.

Für seine Zeit nach der VIG hat Thirring klare Pläne: Eine weitere Funktion oder ein politisches Amt schließt er aus: "Ich freue mich, jetzt in den VIG-Vorstand zu kommen und Frau Professor Stadler als Generaldirektorin unterstützen zu können. Ich war sogar überrascht, dass ich mit 61 noch für fünf Jahre einen Vertrag in der VIG bekomme".

"Die Gegner bereiten sich vor wie die Profis"
Mit 66 sei Schluss. Danach will Thirring endlich in die internationale Tennisseniorenliga einsteigen. Das hatte er schon mit 60 vor. "Ich bin ein relativ guter Tennisspieler. Allerdings fehlt mir momentan die Zeit. Da muss man sich ganz anders vorbereiten. Die Gegner sind ja alle in Pension und bereiten sich vor wie die Profis. Das geht bei mir schlecht."

Das Zepter in der Donau abzugeben, fällt ihm nicht schwer: Thirring übergibt ein Haus, das nach einigen schwierigen Jahren 2016 in die Profitzone zurückkehrte und sein Profil als regionaler Nischenplayer mit Fokus auf persönliches Service abseits von Online-Versicherungen noch einmal geschärft hat. Die Weichen seien gestellt, sein Nachfolger, der bisherige Finanzvorstand Ralph Müller, übernehme bereits das Ruder und er selbst könne sich schon auf seine Aufgaben in der VIG vorbereiten. (eml)

Das gesamte Interview lesen Abonnenten in der Printausgabe 2/2018 von FONDS professionell oder im E-Magazin.