Baki Irmak hat 2017 eine lang gehegte Idee verwirklicht, mit Pyfore Capital sein eigenes Unternehmen gegründet und im Frühjahr 2018 einen Fonds aufgelegt. Um vielversprechende Aktien für The Digital Leaders Fund ausfindig zu machen, misst er die Spuren, die Unternehmen im Internet hinterlassen – offensichtlich mit Erfolg. Trotz der jüngsten Korrektur an den Börsen haben Anleger, die das Portfolio seit seiner Auflage halten, ihren Einsatz mehr als verdoppelt. Rund 150 Millionen Euro verwaltet der Fonds inzwischen. Ein zweiter Fonds, der EM Digital Leaders, der in den Schwellenländern investiert, ist im April 2021 hinzugekommen. Bei einem Herbst-Spaziergang durch die Neue Frankfurter Altstadt berichtet Baki Irmak, warum er sich dafür entschieden hat, seine eigenen Fonds aufzulegen und wie sie investieren.


Herr Irmak, Fondsmanager werden zuweilen gefragt, wann Sie sich in Ihrem Leben zum ersten Mal mit dem Thema Geld und Börse beschäftigt haben. Fragen wir heute mal anders: Wann in Ihrem Leben haben Sie sich zum ersten Mal mit dem Thema Technik beschäftigt?

Baki Irmak: Das war in der 1980er-Jahren während meiner Zeit auf dem Gymnasium. Ich gehöre schließlich zur C64-Generation. Es gab unfassbar viele Spiele für den C64, alle Jungs und Mädels waren Fans, das war ja ein echter Hype. Ich habe dann C64-Spiele vertrieben. Damit habe ich mir ein gutes Taschengeld verdient. Das Thema Geld und Kapitalmärkte hat mich früh fasziniert. Mein Großvater war Kaufmann, ich bin mit dem Glauben aufgewachsen, dass das ein ehrenwerter Beruf ist. Die Börse bietet die Möglichkeit, Gesellschafter von vielen Unternehmen zu werden. Daher fand ich den Job des Fondsmanagers schon immer spannend. 

Zwischendurch haben Sie auch mal mit dem Gedanken gespielt, Archäologe zu werden, oder?

Irmak: Ja, man hat ja als Abiturient oft noch eine naive, romantisch verklärte Vorstellung von manchen Berufen. Nach einem Gespräch mit dem Leiter der Ausgrabungen in Ephesos hat sich dieser Berufswunsch erledigt. Nach meinem Philosophie- und BWL-Studium habe ich mich entschieden, es so zu machen wie der deutsche Kaufmann und Hobby-Archäologe Heinrich Schliemann. Ich dachte mir, ich verdiene erstmal richtig Geld, und dann kann ich machen, was ich will.

Seit 2017 sind Sie auf jeden Fall Ihr eigener Chef. Wie kamen Sie nach 14 Jahren bei der DWS und der Deutschen Bank, in denen Sie gar nicht als Portfoliomanager tätig waren, auf die Idee, einen eigenen Fonds aufzulegen?

Irmak: Die Idee, mich mit einer Fondsboutique selbstständig zu machen, hatte ich schon viel früher. Ich habe nach meinem Studium recht bald als Junior-Fondsmanager bei BHF Trust angefangen, bin dann zur Cominvest und wenig später zu Delbrück Bethmann Maffei, der heutigen Bethmann Bank, gewechselt. Das heißt, ich hatte schon Erfahrung im Portfoliomanagement, als ich 2003 zur DWS gegangen bin. Dort hatte ich verschiedene Positionen. So war ich ab 2010 Leiter der gesamten Konzernkommunikation, zwei Jahre später habe ich in London die Unternehmenskommunikation der frischgebackenen Deutschen Asset and Wealth Management übernommen. Das war alles sehr extrem interessant, aber in der ganzen Zeit war ich immer wieder einmal kurz vor dem Absprung und dachte an eine eigene Investmentboutique. 

Und was hat den Ausschlag dafür gegeben, den Plan in die Tat umzusetzen?

Irmak: 2014 wurde ich bei der Deutschen Asset and Wealth Management zum Chief Digital Officer ernannt und habe die digitale Transformation auf den Weg gebracht. In dieser Zeit ist mir klar geworden, dass die Fähigkeit, sich an die digitale Welt anzupassen, und an das Tempo, mit dem die technologische Entwicklung voranschreitet, für die Zukunft eines Unternehmens das Allerwichtigste ist. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass diese Adaptionsfähigkeit den Aktienkurs künftig maßgeblich beeinflussen wird. Oder anders ausgedrückt: Die Welt wird in Echtzeit neu verteilt. Mit dieser Überzeugung wollte ich einen Fonds managen. Als 2016 die Deutsche Asset and Wealth Management wieder aufgelöst wurde, war ich noch kurz Leiter Digitalisierung des Privatkundengeschäfts der Deutschen Bank. 2017 habe ich dann aber den Absprung geschafft, Pyfore Capital gegründet und im April 2018 The Digital Leaders Fund aufgelegt.

Wie investiert der Fonds?

Irmak: Nach meiner Auffassung gibt es drei Gruppen von Digitalisierungsgewinnern. Die erste Gruppe sind die "Digital Transformation Leaders", also traditionelle Unternehmen, die ihr Geschäft erfolgreich digitalisiert haben. Die zweite Säule bilden die "Digital Business Leaders", Plattformanbieter, die fast 100 Prozent ihrer Umsätze mit der Digitalisierung erwirtschaften. In der dritten Gruppe finden sich Firmen, die mit ihren Produkten oder Dienstleistungen die Digitalisierung erst ermöglichen. Diese nennen wir "Digital Enablers". In alle drei Gruppen investieren wir.

Sie verfolgen einen ganz besonderen Ansatz, um gute Aktien für Ihre Fonds aufzuspüren. Können Sie diesen bitte erläutern?

Irmak: Um besonders erfolgreiche Unternehmen zu identifizieren, bedienen mein Team und ich uns der klassischen Fundamentalanalyse. Vor allem aber messen wir die digitale Spur, die Firmen im Internet hinterlassen. Diese messen wir, indem wir uns etwa anschauen, wie sich der Traffic auf der Webseite eines Unternehmens entwickelt. Wir prüfen, wie es mit den Downloads bei den Apps aussieht, schauen, wie User sie täglich, wöchentlich und monatlich nutzen. Das Verhältnis von den täglichen zu den monatlichen Nutzern sagt zum Beispiel sehr viel über die "Stickyness", die Loyalität der Kunden aus. Wir sehen uns auch an, wie hoch die Marketingausgaben der großen Unternehmen auf den unterschiedlichen Plattformen ausfallen, oder wie Firmen von ihren Mitarbeitern auf speziellen Portalen bewertet werden. Kurz, wir schauen auf die gesamte digitale Spur, auf Konsumenten- und auf Insiderdaten. All diese Datenpunkte laufen bei uns in einer Applikation zusammen, die Fundamentaldaten ebenso. Zusammen ergeben sie quasi auf Knopfdruck ein rundes Bild eines Unternehmens, sodass wir eine sehr gute datengestützte Grundlage für Investmententscheidungen haben. 

Woher beziehen Sie all diese Daten?

Irmak: Bei hochspezialisierten Providern. Diese Anbieter haben ihre Daten ursprünglich Digital-Unternehmen oder solchen, die in der digitalen Welt unterwegs sind, zur Verfügung gestellt, damit sie ihren Erfolg messen, bewerten und sich mit der Konkurrenz zu vergleichen können. Aber wir als Investoren können sie auch hervorragend nutzen. Wir sind übrigens nicht die Einzigen, die das tun. Alle großen US-Hedgefonds bedienen sich dieser alternativen Datenbanken. Mit einem Unterschied: Sie verwenden die Daten zu Trading-Zwecken, wir nutzen sie langfristig als Investoren.

Im April dieses Jahres haben Sie Ihren zweiten Fonds, den EM Digital Leaders, aufgelegt, der in den Schwellenländern investiert. 

Irmak: Ja, wir haben uns gesagt: Wir können in den etablierten Märkten über die digitale Spur den Erfolg von Unternehmen messen – das können wir in den Emerging Markets genauso gut. Über Google Play zum Beispiel sind weltweit Daten verfügbar. Im App-Store von Apple kann ich auch die Entwicklung von chinesischen Unternehmen messen. Natürlich greifen wir etwa in China auf andere Provider zurück als in Europa oder den USA, aber das Prinzip ist das gleiche. Ich sage immer: Ein Unternehmen kann vielleicht mich veräppeln, aber es kann nicht Apple oder Google veräppeln. Denn die digitale Spur ist ehrlich.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)