Nach 15 Monaten im Amt verordnet Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing seinem Institut eine Radikalkur. Das Investmentbanking wird eingedampft. Stattdessen konzentriert sich das Haus zukünftig auf das Geschäft mit Privat- sowie Firmenkunden. Dafür entsteht eine neue Einheit, die Unternehmensbank, teilte das größte deutsche Geldhaus mit. Hinzu kommt nach den vergangenen Stellenstreichungen noch einmal ein herber Einschnitt: 18.000 Stellen sollen wegfallen, wie bereits bekannt wurde. Bis 2022 sollen so die bereinigten Kosten um sechs Milliarden auf 17 Milliarden Euro sinken, die Erträge demgegenüber um zwei Milliarden Euro steigen. Für zwei Jahre fällt die Dividende aus.

Mit diesem Strategieschwenk wagt Sewing den Bruch mit dem lange gelebten Anspruch, in der internationalen Spitzenliga des Investmentbanking mitspielen zu wollen. Den Grundstein für diese Ambition hatte 1989 der damalige Vorstandssprecher Alfred Herrhausenmit dem Kauf der britischen Investmentbank Morgan Grenfell gelegt. Auch nach der Finanzkrise 2008, als die Erträge im Wertpapierhandel einbrachen und zugleich Regulierer die Kapitalanforderungen für das Geschäft hochschraubten, wagte keiner der folgenden Vorstandschefs, diesen Anspruch zu kippen.  

Aus für den Aktienhandel
Sewing nimmt diesen Schnitt nun vor. Aus dem Aktienhandel zieht sich das Haus zurück. Mit der BNP Paribas sei bereits eine vorläufige Einigung erzielt worden, wonach das französische Institut die Deutsche-Bank-Kunden in diesem Feld weiter betreuen werde. Der Handel mit Zinsprodukten soll zurückgefahren werden, sodass die Anforderungen an Sicherheiten um 40 Prozent zurückgehen. Damit muss das Institut weniger Kapital vorhalten.

Im Zuge des Umbaus schiebt das Institut Vermögenswerte in Höhe von 74 Milliarden Euro in eine interne Abwicklungseinheit. In dieser "Bad Bank" sollen die Papiere über die nächsten Jahre liquidiert werden. Die Standorte in London und New York verlieren an Bedeutung. Das Geschäft in Nord- und Südamerika will das Haus aber nicht gänzlich aufgeben.

Die Investmentbank soll sich auf "ihre traditionellen Stärken im Finanzierungs-, Beratungs- und Zins- und Währungsgeschäft konzentrieren", heißt es in der Mitteilung. Dabei sollen die Bereiche ausgebaut werden, die für Unternehmen von besonderer Relevanz sind. Die neu geschaffene Unternehmensbank wiederum soll die zentrale Einheit für Firmenkunden der Deutschen Bank und der Postbank werden.

"DWS bleibt eine Säule der Strategie"
Die Fondstochter DWS "bleibt eine der Säulen in der Strategie der Deutschen Bank", heißt es zudem in der Mitteilung. Sie werde weiterhin ihr Ziel verfolgen, einer der Top-10 Vermögensverwalter weltweit zu werden. Der Asset-Management-Ableger strebe zudem danach, seine Rendite auf das materielle Eigenkapital von 18 Prozent im Jahr 2018 auf mehr als 20 Prozent im Jahr 2022 zu steigern. Zuletzt waren immer wieder Gerüchte über einen Teilverkauf der DWS aufgekommen.

Den Umbau der Deutschen Bank will Sewing mit bordeigenen Mitteln stemmen. Eine Kapitalerhöhung möchte der Manager vermeiden. Die Kosten der Transformation werden aber auf die Ergebnisse schlagen und die Kernkapitalquote von 13,7 auf 12,5 Prozent drücken. Dies stellt eine Gratwanderung dar. Denn damit operiert die Deutsche Bank über die nächsten Jahre nur knapp über der regulatorisch geforderten Hürde.

Auf Sparen allein setzt Sewing aber nicht. Er will bis 2022 rund 13 Milliarden Euro in Technologie und Digitalisierung investieren. Damit soll das Institut seine Effizienz steigern sowie Produkte und Dienstleistungen verbessern.

Alte Elite abgesetzt
"Wir packen all das an, was notwendig ist, um das volle Potenzial unserer Bank zu entfalten: unser Geschäftsmodell, unsere Kosten, unser Kapital und unser Führungsteam", sagt Sewing der Mitteilung zufolge. So setzte Sewing bereits den Chef der Investmentbank Garth Ritchie ab. Die Verantwortung für die Sparte sowie für die neu gegründete Unternehmensbank übernimmt Sewing selbst.

Privat- und Firmenkundenvorstand Frank Strauß verlässt ebenfalls das Haus. Die Leitung der Privatkundenbank übernimmt Karl von Rohr, der im Vorstand bereits die Vermögensverwaltung mit der Fondstochter DWS verantwortet. Ebenfalls gehen wird per Ende Juli Compliance-Vorständin Sylvie Matherat.

Neues Führungsgremium
Neu in den Vorstand rückt Christiana Riley, welche die regionale Verantwortung für Nord- und Südamerika trägt. Zudem soll im September Bernd Leukert als Vorstand für Digitalisierung, Daten und Innovation zu dem Geldhaus stoßen. Er saß zuvor im Vorstand von SAP. Zuletzt wird Stefan Simon als Chief Administrative Officer die Rechtsabteilung leiten und für die Beziehungen zu den Aufsichtsbehörden verantwortlich sein.

Die Bank schafft zudem mit dem "Group Management Committee" eine Führungsebene aus Vorstand und den Leitern der operativen Geschäftsbereiche. Mitglied dieses Komitees wird unter anderem Asoka Wöhrmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der DWS. Ab August stößt zudem Manfred Knof von der Allianz zur Deutschen Bank als neuer Leiter des Privatkundengeschäfts für Deutschland. Ebenfalls in das Gremium rückt Fabrizio Campelli, der das Geschäft mit vermögenden Privatkunden weltweit steuert. (Die wichtigsten Personalwechsel finden Sie hier.)

"Nicht ohne Risiko"
"Der Ausstieg aus dem Aktiengeschäft, das im Wettbewerb kaum noch bestehen konnte, ist konsequent. Ebenso die Rückbesinnung auf das Anleihe- und Finanzierungsgeschäft, in dem die Deutsche Bank ihre Wurzeln hat und als kompetent und konkurrenzfähig gilt", beurteilt Michael Hünseler, Leiter Credit Portfolio Management bei Assenagon Asset Management, den Strategieschwenk.

"Gleichzeitig ist die neue Strategie nicht ohne Risiko", erläutert Hünseler. Insbesondere das Geschäft mit Anleihen sei stark rückläufig. "Dieses Segment des Kapitalmarkts kann als dysfunktional bezeichnet werden – Umsätze und Margen sinken und sind zum Teil nur durch erhöhte Risikonahme zu verteidigen." Die mit 7,4 Milliarden Euro bezifferten Kosten der Restrukturierung bezeichnet Hünseler zudem als "horrend". (ert)