Dass Deutschland "overbanked" sei, wie es so oft heißt, muss hinterfragt werden, wenn man die Expansion österreichischer Kreditinstitute in das Nachbarland betrachtet. Mehrere Beispiele hat FONDS professionell in seiner kürzlich erschienenen Heftausgabe aufgezeigt, von denen hier auszugsweise zu lesen ist.

"Es klafft eine Lücke"
Zu Beginn des Jahres 2019 lenkte die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (RLB OÖ) die Blicke auf sich. Die Linzer eröffneten im Jänner in Stuttgart ihre neunte süddeutsche Niederlassung. Dass dieser Markt übersättigt sei, könne man so nicht stehen lassen, sagt Michael Huber, Pressesprecher der RLB. "Es klafft in Deutschland eine Lücke, zwischen den großen Banken, die an mittelständischen Unternehmen kein Interesse haben, und den Instituten, die zu klein sind, um eine gewisse Größe zu stemmen. Genau da stechen wir hinein", so Huber. Mit einer Bilanzsumme von gut 40 Milliarden Euro (Stand ­Juni 2018) könne die Landesbank sowohl den Mittelstand als auch die Industrie bedienen. 

Den 6.200 Unternehmenskunden werden alle relevanten Dienste geboten – von Financial Engineering über Handelsfinanzierungen und Leasing bis Factoring. Die feste Verankerung im süddeutschen Raum erreichte die RLB OÖ allerdings weniger durch Standardprodukte, meint Huber, sondern vielmehr aufgrund von Sonderfinanzierungen, die mitunter regional sensibel sein können – etwa weil Arbeitsplätze betroffen sind: "Ein Punkt, der uns von vielen abhebt, ist, dass wir auch über Eigenkapital finanzieren. Das ist zum Beispiel ein Riesenthema bei Unternehmensübergaben, oder Buy-outs und Buy-ins", sagt Huber.

Auf Augenhöhe
Beachtenswert ist, dass in diesem oft hochemotionalen Bereich durchaus ein gewisser Austro-Bonus zum Tragen kommen kann. "Wir sehen, dass wir als Oberösterreicher in dem Raum ganz gut auf Augenhöhe kommunizieren können. Wir haben das erlebt, dass jemand sagt: 'Ich kann mit euch besser reden als mit jemandem aus Hamburg.' Man dürfe das Atmosphärische im Firmenkundenbereich nicht unterschätzen. Soft Facts wie Vertrauen, spielen eine "enorme Rolle".

Energisch treibt auch die ebenfalls in Linz beheimatete Oberbank ihre Expansion voran. Allein heuer sind neun Filialeröffnungen in Deutschland geplant, 2018 sind sieben neue Standorte dazugekommen. Bis zum Jahresende sollen es 43 deutsche Standorte sein, mittelfristig 50. Eine beachtliche Entwicklung in einem Land, in dem in den vergangenen zehn Jahren 10.000 Bankstellen dichtgemacht haben.

Reformbereite Asterixbank
Gegen diesen Strom kann die Oberbank deshalb so kräftig anschwimmen, weil sie früh Strukturreformen angepackt hat, die andere verabsäumt haben. Sie begann schon vor der Finanzkrise, Verwaltungsaufgaben zu zentralisieren. Damit wurden die Kosten aus den Filialen genommen. Von der deutschen Tageszeitung FAZ bekam das Institut einst den Beinamen "Asterixbank" verpasst. Denn während die meisten anderen Häuser nach der Finanzkrise über viele Jahre schwer in Bedrängnis gerieten, performte die Oberbank wie ein gallisches Dorf gegen den Trend: Seit 2010 gab es jedes Jahr ein Rekordergebnis.

Dass mit Oberbank und RLB-OÖ zwei Institute aus der Stahlstadt Linz in Deutschland reüssieren, ist kein Zufall. Oberösterreich ist mit mehr als einem Viertel der heimischen Warenausfuhren das größte Exportbundesland. Industriefinanzierung und Auslandskompetenz gehören daher zu den Kernthemen der regionalen Kreditinstitute.

Vor den Kopf gestoßen
Die Bawag PSK zählt ebenfalls zu den Instituten, die in Deutschland großes Potenzial sehen. Ihre Strategie unterscheidet sich aber fundamental von jener der österreichischen Mitbewerber. Sie will hauptsächlich durch Zukäufe rasch Fuß fassen. Die Südwestbank war der im Jahr 2017 erste Streich. Es folgten 2018 die Deutscher Ring Bausparkasse, der Finanzdienstleister Deutsche Health AG und die IT-Leasingfirma BFL. Weitere werden dazukommen: Der Nachschub bei den Akquisitionsmöglichkeiten sei "robust", sagt ein Sprecher.

Dem hohen Tempo wird allerdings einiges untergeordnet. Zum Beispiel nehmen es die (nicht in Europa verankerten) Bawag-Haupteigner in Kauf, dass durch die Übernahmewelle historisch gewachsene Kundenbindungen auf der Strecke bleiben. In der Südwestbank, der ehemaligen regionalen Privatbank, rumort es: Mitarbeiter werden abgebaut, die Bank setzt nun auf Konsumkredite, und tausende Kunden sind davongelaufen.

Konzept übertragbar?
Den Unmut will die Bank nicht direkt kommentieren. "Es kommt gut an, dass die Bawag Group ein Unternehmen mit einer langen ­Geschichte und großer Tradition ist", heißt es vielmehr. Allem Anschein nach vertrauen die Mehrheitseigner Cerberus und Golden Tree darauf, dass die Österreich-Erfolgsstory auch auf Deutschland übertragen werden kann: Die US-Finanzinvestoren formten aus der im Jahr 2006 mehrheitlich übernommenen maroden Bawag ein hoch­profitables Unternehmen. Damit gelten sie hierzulande als qualifizierte Sanierer. In Deutschland, wo den Übernahmen keine ­Notlage vorausging, muss man sich die Akzeptanz natürlich härter erarbeiten.

BTV setzt sichtbare Zeichen
Von derart rasanten Ausbauplänen hört man aus der Bank für Tirol und Vorarlberg (BTV) nichts. Sie gilt als konservativ in dem Sinn, dass sie sich nie groß vom althergebrachten Bankgeschäft (Einlagen sammeln und als Kredit weitergeben) wegbewegt hat. Dennoch ist die BTV eine Bank, die immer wieder aufsehenerregende Zeichen gegen Filialschließungen setzt – im wahrsten Wortsinn: Ihre Gebäude sind mitunter architektonische Hingucker und damit ein optisches Gegenstück zum Schrumpfungstrend. "Qualität und Stil sollen nicht nur in der Kundenbetreuung ­erkennbar sein", argumentiert Vorstandsvorsitzender Gerhard Burtscher.

Obwohl mit einer Bilanzsumme von zehn Milliarden Euro deutlich kleiner als viele Kollegen, ist die BTV mit ihrer konservativen Strategie auch in Deutschland wohlbekannt: Im Jahr 2006 wurde die erste deutsche Niederlassung gegründet, 2017 folgte in Mannheim die siebente Zweigstelle. Das Haus betreut anspruchsvolle Privatkunden und mittelständische, export­orien­tierte Firmen. Zukäufe spielen für Burtscher keine Rolle, die Bank soll "rein organisch wachsen".

Nicht alle Geldhäuser, die in Deutschland aktiv sind, wollen darüber auch sprechen – ­etwa die Walser Privatbank mit drei deutschen Standorten, die dort ausbauen will. Details ­bleiben aber im Verborgenen – genau so wie die Frage, ob sie wie andere mit Austro-Sympathie punkten kann: Mit österreichischen Medien spricht die Bank nicht über die Deutschlandstrategie, da das marketingtechnisch "nicht zielführend" sei. (eml)


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