Kunden der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland standen gestern ohne Zugriff auf das Konto und ohne Zugang zum Bankschalter da. Die FMA hat die Regionalbank, die über Einlagengelder in Höhe von rund 437,5 Millionen Euro verfügt (Zahlen per Ende 2018) und eine Bilanzsumme von rund 800 Millionen Euro ausweist, in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gesperrt. Es steht der Verdacht im Raum, dass über Jahre hinweg die Bilanz frisiert wurde. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sprach von einem Schock und einer "dramatischen" Lage.

Es tauchen immer mehr Unternehmen, Vereine und andere Körperschaften auf, die mit hoher Sicherheit ihr Geld verlieren dürften: Energie Burgenland hat bei der Privatbank etwa rund fünf Millionen Euro veranlagt. "Ich gehe davon aus, dass dieses Geld weg ist", so Doskozil. Er sagte, die Bank werde sehr wahrscheinlich nicht fortbestehen. Das an der Wiener Börse notierte Hightech-Unternehmen Frequentis war ebenfalls Kunde und bangt nun um rund 31 Millionen Euro. Die Einlagensicherung steht nur für 100.000 Euro gerade. An der Börse sackte der Frequentis-Kurs gestern um elf Prozent ab. Das Unternehmen betont, dass es keine Auswirkung auf den operativen Betrieb gibt.

Viele kleine Firmen müssen zittern
Auch viele kleinere Betriebe müssen zittern – nicht nur regionale. Die Helvetia Versicherungen-AG-Tochter protecta.at Finanz- und Versicherungsservice GmbH mit Sitz in Wien hatte laut einer der Redaktion vorliegenden Courtagevereinbarung ebenfalls ein Konto bei der Bank. Die Mutter Helvetia selbst sei jedoch nicht betroffen und unterhalte auch keine Vertriebsverbindungen zur Commerzialbank, sagte eine Sprecherin zu FOND professionell ONLINE. Der deutsche börsenotierte Ticketverkäufer CTS Eventim ist ebenfalls betroffen. Eventim hält 71 Prozent am österreichischen Konzertveranstalter Barracuda, der Einlagen von rund 34 Millionen Euro bei der Bank hat. Auch die Online-Plattform Ö-Ticket gehört zu Eventim.

Der erste Schritt für sämtliche Kunden ist nun, umgehend ein neues Konto bei einer anderen Bank zu eröffnen, um weiter am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können. Man braucht eine neue Kontoverbindung auch rasch, um Geld von der Einlagensicherung (ESA) zu erhalten, die nächste Woche mit der Auszahlung beginnen will, wie es gegenüber der Redaktion heißt. Pro Kunde sind Einlagen bis zu 100.000 Euro und Anlegerentschädigungsansprüche (etwa für Betrug im Wertpapierbereich) bis zu 20.000 Euro gesichert. Wie es aus der ESA gestern gegenüber zu FONDS professionell ONLINE hieß, dürften Einlagen in Höhe von 420 bis 450 Millionen Euro gedeckt sein. Ob der Bilanzskandal auch den Wertpapierbereich erfasst und daher Anlegerentschädigungen dabei sind, konnte ein Mitarbeiter heute noch nicht sagen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Bank-Chef Martin Pucher hat Selbstanzeige erstattet.

TPA ortet Täuschung
Die Causa hat auch die verantwortlichen Prüfer der TPA Wirtschaftsprüfung GmbH ereilt. Diese haben seit 2006 der Bank den Bestätigungsvermerk erteilt. Nun hat die TPA nach Eigenangaben sämtliche Bestätigungen der vergangenen Jahre zurückgezogen. Man prüfe rechtliche Schritte gegen die Bank. Man gehe davon aus, dass die Wirtschaftsprüfer "unerwartet Opfer einer umfangreichen und komplexen Täuschung durch das Management der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG wurden". Das Vertrauen der Prüfer in die Korrektheit der zur Verfügung gestellten Unterlagen sei offensichtlich missbraucht worden.

Allerdings liefert auch die TPA einen Hinweis, dass sich die Malversationen in den vergangenen Wochen schon abgezeichnet hatten. Den Bestätigungsvermerk für das Geschäftsjahr 2019 konnte TPA noch nicht erteilen, weil die Bank prüfungsrelevante Unterlagen zuletzt nur schleppend oder gar nicht geliefert hatte. Die Prüftätigkeit für das vergangene Jahr habe deshalb seit Monaten geruht. Auch hatte ein Insider der Redaktion gestern bereits gesagt, dass Gerüchte über Ungereimtheiten schon seit einiger Zeit kursiert hatten.

Unterstützungen
Einige Kreditinstitute im Bundesland – darunter die Bank Burgenland und Erste Bank – haben laut Landesmedieninfo längere Öffnungszeiten eingeführt, um betroffenen Commerzialbankkunden zu servicieren. Auf der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg stehen für betroffene Bankkunden Mitarbeiter der Schuldnerberatung, Bankenombudsstelle und des Konsumentenschutzes bereit: Eine eigene Hotline ist unter 057600-2465 erreichbar. Für Firmen bei der Wirtschafts­agentur des Burgen­lands WiBuG wurde eine Hotline unter 059010-210 eingerichtet. Es stehen laut den Angaben Haftungen im Rahmen des Wirtschaftsförderungsgesetzes zur Verfügung und es gibt Unterstützung bei Bankkontakten. Betroffene Vereine und Gemeinden müssen sich für Auskünfte an die Abteilung 2 des Landes wenden.

Ins Trudeln geraten könnte durch das Bank-Aus auch der Fußballverein SV Mattersburg, dem die Insolvenz droht. Die Commerzialbank war einer der Hauptsponsoren. Bank-Chef Martin Pucher, der seine Vorstandsagenden zurückgelegt hat, kündigte auch den Rückzug als Clubpräsident beim SV Mattersburg an. Er hatte den Verein 32 Jahre lang geführt. Die von ihm mitaufgebaute Fußballakademie in Mattersburg, an der das Land mit 40 Prozent beteiligt ist, könnte künftig als Landessportzentrum weitergeführt werden. Der SV Mattersburg ist zu 35 Prozent an der Fußballakademie beteiligt. Landeshauptmann Doskozil überlegt, sie  für den Breitensport zu öffnen, sollte der Akademiebetrieb als solcher nicht mehr möglich sein. (eml)