Die neue Vorstandschefin der Commerzbank, Bettina Orlopp, hat in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" vor Risiken gewarnt, die bei der Übernahme des zweitgrößten deutschen Filialinstituts durch die italienische Großbank Unicredit aufkommen können. "Nur weil ein Zusammenschluss auf dem Papier gut aussieht, heißt das noch lange nicht, dass er auch gut umgesetzt wird und am Ende erfolgreich sein und Wert für unsere Aktionäre schaffen kann", meint Orlopp, die Anfang Oktober vorzeitig die Nachfolge von Manfred Knof angetreten hatte.

"Die Integration von zwei großen Banken ist extrem schwierig", begründet die frühere Finanzchefin ihre Skepsis gegenüber den Avancen aus Mailand. So sei die Commerzbank selbst nach der Übernahme der Dresdner Bank 2008 mehrere Jahre damit beschäftigt gewesen, die Systeme beider Banken zusammenzuführen. "Einen solchen Stillstand können wir uns in der heutigen Zeit, die von so vielen technologischen Umbrüchen und von einem sehr intensiven Wettbewerb geprägt ist, nicht leisten", argumentiert Orlopp.

"Mit unseren Kunden mehr Geschäfte machen"
Zudem verweist die Managerin auf eine mögliche Abwanderung von Kunden, wie sie bei der Integration von UBS und Credit Suisse zu beobachten seien. Bei den Firmenkunden gebe es zwischen der deutschen Unicredit-Tochter Hypovereinsbank (HVB) und der Commerzbank "große Überlappungen", so Orlopp. Im Falle einer Fusion müssten daher die Kredite an einige Unternehmen reduziert werden, um Klumpenrisiken zu verhindern. Auf der anderen Seite könnten Unternehmen Mittel abziehen, da sie ihr Geschäft über mehrere Geldhäuser streuen wollen.

Daher überrasche es auch nicht, dass Wettbewerber einen solchen Deal gut fänden. "Sie könnten dann mit unseren Kunden mehr Geschäfte machen", meint Orlopp. DZ-Bank-Chef Cornelius Riese hatte sich positiv zu einem Zusammenschluss von Unicredit und Commerzbank geäußert. Weiterhin würde sich das Rating eines deutsch-italienischen Konglomerats verschlechtern, "wahrscheinlich sogar deutlich", meint die einstige McKinsey-Beraterin. Die Refinanzierungskosten würden steigen und manche Kunden würden sich abwenden, da sie nur Geschäfte zu Geldhäusern mit Top-Bonität pflegen würden.

"Eins plus eins eben nicht immer zwei"
"Bei Bankfusionen ist eins plus eins eben nicht immer zwei", folgert die Commerzbank-Chefin. Weiterhin verweist Orlopp auf einen möglichen Krisenfall. "Bei heimischen Instituten ist die Bereitschaft, solchen Firmen im Rahmen eines Bankenkonsortiums zu helfen, meist größer als bei internationalen Geldhäusern", argumentiert die Vorstandschefin in dem "Handelsblatt"-Interview. "Man sollte sich deshalb genau überlegen, ob man relevante heimische Institute leichtfertig aufgeben will."

Die Argumentation der Fusionsbefürworter, insbesondere aus Italien, dass ein Zusammengehen einen europäischen Bankenriesen schaffen und den Finanzmarkt des Kontinents stärken würde, teilt Orlopp nicht. Ein Zusammenschluss der Institute würde zudem die europäische Kapitalmarkt- und die Bankenunion nicht voranbringen. "Im Kern würde es sich um eine Konsolidierung innerhalb Deutschlands handeln", so die Managerin. "Dadurch wird Europa nicht europäischer."

"Mit unserem Widerstand überraschen"
"Wenn ich Kommentare der italienischen Regierung lese, dass bei einem Zusammenschluss auf jeden Fall die Zentrale der Bank und alle wichtigen Funktionen in Mailand bleiben müssten, hört sich das für mich nicht sehr proeuropäisch an", ergänzt Orlopp. Das Frankfurter Institut verfolge vielmehr weiterhin das Ziel, als auch künftig auf eigenen Beinen zu stehen. "Bei uns liegt aktuell nur eine Option auf dem Tisch – und das ist eine sehr gute: die Umsetzung unserer Strategie 2027, die auf der Eigenständigkeit der Bank fußt", so die Bankchefin. Zudem arbeite der Vorstand nun an einer Strategie über das Jahr 2027 hinaus.

Die Gewerkschaft Verdi und der Commerzbank-Betriebsrat haben sich klar gegen eine Übernahme durch die Unicredit positioniert. Sie rechnen in Deutschland mit bis zu 18.000 Stellenstreichungen, sollte es doch zu einer Fusion kommen. "Wir werden mit unserem Widerstand ganz Deutschland überraschen", sagte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Sascha Uebel der "Süddeutschen Zeitung". "Wir werden so laut sein, dass sich das jeder Investor gut überlegen wird." Die Unicredit werde sich "mit uns die nächsten zehn Jahre rumprügeln müssen", so Uebel. (ert)