Tanja Bender arbeitet seit 2018 im Frankfurter Büro von Candriam, dem europäischen Asset-Management-Arm des US-Finanzkonzerns New York Life. Als der langjährige Niederlassungsleiter Achim Gilbert das Unternehmen verließ, um fortan bei QNG, einer Tochtergesellschaft des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG), zu arbeiten, übernahm Bender seine Position.


Frau Bender, Sie wurden im März zur Niederlassungsleiterin für Deutschland und Österreich ernannt – punktgenau zum Lockdown. So hatten Sie sich Ihren Start als Länderchefin sicherlich nicht vorgestellt.

Tanja Bender: Das stimmt. Seitdem ich zur Leiterin des Büros ernannt wurde, bin ich quasi als Krisenmanagerin im Einsatz (lacht). Ein Vorteil war natürlich, dass ich das Team schon gut kannte, weil ich bereits vor zwei Jahren zu Candriam kam. Außerdem waren wir zum Glück von Beginn an technisch sehr gut ausgerüstet. Wir konnten alle problemlos von zuhause aus arbeiten und die Kunden weiter betreuen.

Ist bei Ihnen nach wie vor Homeoffice angesagt?

Bender: Wir sind zu sechst im Team und haben uns so aufgeteilt, dass immer drei Kollegen zuhause arbeiten und drei im Büro sind. Unsere Räumlichkeiten sind groß genug, dass wir Abstand halten können.

Dürfen Sie wieder vor die Tür, um Kunden zu besuchen?

Bender: Ja, aber selbstverständlich nur, wenn der Kunde das wünscht. Außerdem müssen wir uns natürlich an die Corona-Regeln halten, die in dem jeweiligen Bundesland gelten. Wir konnten auch wieder an der einen oder anderen Kundenveranstaltung teilnehmen. Aktuell noch nicht möglich ist es, dass unsere Kollegen aus dem Ausland uns besuchen, also beispielsweise Portfoliomanager aus Brüssel oder Paris. Doch auch so läuft das Geschäft alles in allem erfreulich gut weiter, sei es über Webinare, Video- oder Telefonkonferenzen. Vertrieb bleibt ein People's Business – aber das ist auch ohne Handschlag möglich.

Ziehen alle Kunden bei der Digitalisierung der Kommunikation mit?

Bender: Fast alle. Interessant ist, dass manche institutionellen Investoren zu Beginn der Pandemie kommunikationstechnisch noch nicht so gut aufgestellt waren und daher kaum den Dialog gesucht haben. Oder sie fassen ihr Portfolio aus anderen Gründen aktuell überhaupt nicht an. Erfreulich ist dagegen, dass die meisten Kunden derzeit mehr Zeit haben als früher.

Weil sie selbst weniger Dienstreisen und Termine haben?

Bender: Wahrscheinlich. Insgesamt hat sich das Geschäft meiner Beobachtung nach zumindest etwas entschleunigt. Uns kommt das zugute, weil uns das die Möglichkeit gibt, auch komplexere Investmentstrategien zu erläutern. Diese Zeit hatten wir früher mitunter nicht. So ist es uns gelungen, die Anlagen mancher Kunden gewissermaßen zu veredeln.

Dennoch wird Corona nicht spurlos an Ihren Geschäftszahlen vorüber gegangen sein. Haben die Kunden viel Geld abgezogen?

Bender: Anfangs gab es Rückgaben, zum einen von Anlegern, die in den Panikmodus geschaltet hatten, zum anderen von Investoren, die wegen interner Vorgaben oder aufgrund der Regulierung zu Verkäufen gezwungen waren. Doch das Geschäft hat sich schnell stabilisiert. Unter dem Strich konnten wir trotz Lockdown Kunden hinzugewinnen. Aktuell betreuen wir rund 2,1 Milliarden Euro von Kunden aus Deutschland und Österreich – das ist mehr als vor dem Corona-Crash.

Die konkreten Zahlen für Deutschland und Österreich hatte Ihr Vorgänger erstmals für das Jahr 2018 offengelegt. Damals waren es in Summe rund 1,7 Milliarden Euro. Ein stattlicher Teil davon lag allerdings in Geldmarktfonds. Dieses Geld ist erfahrungsgemäß schnell abgezogen, außerdem werfen diese Produkte für die Anbieter kaum eine Marge ab.

Bender: Mittlerweile stecken nur noch rund 100 Millionen Euro in Geldmarktfonds. Ein großer Teil insbesondere unserer institutionellen Kunden entfällt auf Absolute-Return-Strategien, sowohl im Aktien- wie auch im Rentenbereich. Bei Privatanlegern sind einige unserer Themenfonds echte Blockbuster, zum Beispiel die beiden von Rudi Van den Eynde gemanagten Fonds Candriam Oncology Impact und Candriam Biotechnology. Hinzu kommen – über alle Anlageklassen hinweg – unsere Nachhaltigkeitsfonds.

Die nachhaltige Geldanlage boomt, mittlerweile auch im Geschäft mit Privatanlegern. Bald werden Anlageberater verpflichtet sein, ihre Kunden zu fragen, ob sie bei ihren Investments ESG-Kriterien berücksichtigt wissen möchten. Das dürfte die Nachfrage weiter befeuern. Wissen Sie schon, ob Ihre Fonds im Bankenvertrieb gesetzt sein werden?

Bender: Nein, das kann noch keiner wissen, weil Brüssel immer noch an den Details arbeitet. Im politischen Prozess sind bekanntlich immer Überraschungen möglich. Doch wenn wir uns mit Vertrieben unterhalten, bekommen wir durchaus die Rückmeldung, dass unser ESG-Ansatz dem entspricht, was offensichtlich gewollt ist. Es kann sein, dass auch wir unsere Nachhaltigkeitsfonds an der einen oder anderen Stelle anpassen müssen. Doch ich bin überzeugt davon, dass wir unsere grundsätzlichen Hausaufgaben in diesem Bereich gemacht haben.

Diskutiert wird auch noch darüber, wie über die Effekte des nachhaltigen Investierens kommuniziert werden sollte. Aussagen à la "Wer 10.000 Euro in diesen Fonds steckt, spart soundso viel Kilogramm Kohlendioxid ein" sind ja eher irreführend.

Bender: Unsere Branche darf nicht den Eindruck erwecken, dass Privatanleger, die nachhaltig investieren, ihre Schuldigkeit getan haben. ESG-Fonds sind kein Ablasshandel, nach dem Motto: Ich habe einen Sparplan auf einen Ökofonds abgeschlossen, darum kann ich weiterhin mit gutem Gewissen das Auto nehmen, statt mit dem Fahrrad zu fahren. Das ist nicht so! Um unsere Welt zu erhalten, ist ein großer Pakt nötig, an dem alle mitarbeiten müssen. Nachhaltige Investments sind ein Teil davon, reichen alleine aber nicht aus.

Was kann die Asset-Management-Branche tun, um keine überzogenen Hoffnungen zu schüren, die eines Tages womöglich zu Enttäuschungen führen würden?

Bender: Gefragt sind da in erster die Linie die Berater. Sie sollten Nachhaltigkeit nicht als Marketing-Gag missverstehen, sondern ernst nehmen. Dann ist diese Diskussion eine große Chance, die Kunden zu sensibilisieren und die Gespräche auf eine andere Ebene zu heben. Wir als Asset Manager können an dieser Stelle in erster Linie beim Knowhow-Transfer helfen. Ein Beispiel ist unsere 2017 lancierte Lernplattform "Candriam Academy" zu nachhaltigen Investments. Bislang haben europaweit mehr als 5.000 Teilnehmer dieses Programm durchlaufen, nicht nur Anlageberater, sondern auch der eine oder andere Großinvestor und interessierte Endanleger.

Sie sind jetzt seit einem halben Jahr in der neuen Position tätig. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Bender: Wenn sich Kunden für einen Asset Manager entscheiden, geben im Wesentlichen zwei Punkte den Ausschlag: die Produktqualität und der Service. Die Qualität unserer Fonds steht und fällt mit der Arbeit unserer Kollegen aus Brüssel, Paris und den anderen Investmentstandorten. Den Service haben wir dagegen selbst in der Hand. Unsere Kunden sind offensichtlich nicht nur mit den Produkten, sondern auch mit unserer Dienstleistung hier vor Ort zufrieden, sonst würden sie uns nicht noch mehr Geld anvertrauen. Trotzdem gilt es, an diesem Punkt weiter zu arbeiten. Ich habe den Anspruch, dass unsere Kunden tatsächlich persönlich beraten werden, trotz Digitalisierung. Außerdem bin ich der Meinung, dass jeder, der bei uns investiert, ein Recht darauf hat, innerhalb von 48 Stunden eine Antwort auf seine Frage zu erhalten. Daran wollen mein Team und ich uns messen lassen.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)