Die Lenkung eines Portfolios komplett einer künstlichen Intelligenz (KI) zu überlassen, birgt große Risiken. Dies meinen mehrere Branchenkenner im Gespräch mit FONDS professionell. Generative KI war unlängst mit dem Start des Systems ChatGPT in den Fokus gerückt. Zahlreiche Unternehmen, auch Banken und Asset Manager, loten Einsatzmöglichkeiten solcher Programme aus. So experimentiert unter anderem die US-Fondsgesellschaft PGIM mit dem Einsatz von ChatGPT.

Der Einsatz birgt grundsätzlich Potenzial. So schätzte jüngst eine Studie der Strategieberatung Strategy&, die zu der globalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC gehört, dass Asset Manager mithilfe von KI die Kosten mittelfristig zwischen fünf und 15 Prozent senken können. Das McKinsey Global Institute wiederum prognostizierte, dass Banken mithilfe generativer KI ihre Erträge um 2,8 bis 4,7 Prozent pro Jahr ausweiten, gemessen am Umsatz, den die Branche im Jahr 2022 erwirtschaftete.

"Finger weg von KI"
Bei der Steuerung von Portfolios sehen jedoch mehrere Branchenbeobachter den Einsatz als fragwürdig an, allein schon aus aufsichtsrechtlichen Gründen. "Bislang heißt es für Portfoliomanager noch: Finger weg von KI", betont Florian Forst, Partner der Beratungsgesellschaft Arthur D. Little. "Denn sie ist nicht revisionssicher." Gegenüber der Aufsicht müsse dargelegt werden können, aus welchen Informationen und aus welchen Gründen die KI eine Anlageentscheidung getroffen habe.


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"Aus Sicht der Regulierer handelt es sich bei ChatGPT um eine Hochrisikoanwendung", ergänzt Lukas Wolf von der Unternehmensberatung KPMG. "Denn es ist eine Blackbox." Die Transparenz müsse aber gewährleistet und die Entscheidungen müssten nachvollziehbar sein.

"KI ist keine Alpha-Maschine"
Zudem bezweifeln die Experten, dass die künstliche Intelligenz konsistente Anlageergebnisse erzielen könnte. "Eine voll durchgreifende Investmentstrategie der KI würde eine hohe Volatilität aufweisen", meint Forst von Arthur D. Little. "Denn sie kann jeden Tag zu einer anderen Beurteilung der Lage kommen." Genauso sieht das Sandro Schmid von der Technologieberatung LPA – Lucht Probst Associates. "Bei der Portfoliokonstruktion ist eine KI hungrig – sie kann geradezu gierig werden", meint der Experte. "Denn von beispielsweise 20 Titeln nimmt sie sieben raus und gewichtet dafür einen sehr hoch."

Darüber hinaus sei KI sehr volatil und schwanke bei ihren Entscheidungen. "Entscheidet sie sich in einer Woche für einen Titel, gewichtet sie in der nächsten Woche womöglich schon einen anderen höher", erläutert Schmid. "So eine Umschichtung lässt sich den Kunden kaum erklären." Andere Rechenmodelle würden nicht mit Einzeltiteln, sondern mit Clustern aus Wertpapieren arbeiten, die eine hohe Korrelation zueinander aufweisen. "Hierbei senken sie die Risiken bei gleicher oder manchmal auch etwas besserer Rendite", erklärt Schmid und betont: "KI ist aber keine Alpha-Maschine."

"Im Wilden Westen der KI-Fonds"
Marvin Labod, Leiter der quantitativen Analyse beim Frankfurter Investmenthaus Lupus Alpha, wiederum sieht KI zwar als gutes Hilfsmittel. "Sie kann in Daten Muster erkennen und so Anomalien aufspüren, die im Markt noch nicht eingepreist sind", schreibt der Analyst in einem Artikel. In effizienten Märkten würden derartige Anomalien jedoch nur extrem kurzfristig bestehen. "Sämtliche Informationen werden praktisch sofort in die Kurse eingepreist werden", erläutert Labod. "Daran kommt auch eine KI nicht vorbei."

Weiterhin brauche die KI ein stabiles Umfeld. "Die Kapitalmärkte aber sind chaotisch", so Labod. "Emotionen und Interpretationen treiben sie an." Die gleichen Daten könnten so oder anders gedeutet werden. "Das macht sie, wortwörtlich, für KI unberechenbar", argumentiert Labod. Zudem warnt er vor einem KI-Washing. Denn mitunter stecke hinter einem Fonds, der KI im Namen trägt, lediglich eine quantitative Strategie. "Wir befinden uns quasi noch im Wilden Westen der KI-Fonds", folgert der Lupus-Alpha-Mann. Besonders bei der Programmierung könne ChatGPT dagegen eine große Hilfe sein. (ert)


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