Seit Kurzem prangt am Taunusturm im Frankfurter Bankenviertel ein neues Firmenschild: Baillie Gifford Investment Management (Europe) Limited. Hier hat die europäische Dependance des schottischen Vermögensverwalters ihre Zelte aufgeschlagen. Niederlassungsleiter ist David Gaschik, der zu Jahresbeginn von First State zu Baillie Gifford wechselte (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Der Asset Manager möchte nun auch in Deutschland und Österreich Fuß fassen und für seine Kunden präsenter sein, wie Stuart Dunbar im Interview mit FONDS professionell ONLINE erklärt. Der für den Vertrieb in Europa zuständige Partner berichtet außerdem über den Anlageansatz des Asset Managers und erläutert, welche Kundengruppen das Investmenthaus hierzulande ansprechen möchte.

Herr Dunbar, ist Baillie Gifford eigentlich immer noch als Anwaltskanzlei tätig? Zumindest war die Firma das in den Anfängen, wie man lesen kann.

Stuart Dunbar(lacht): Nein. Die Gesellschaft wurde 1907 tatsächlich als Anwaltskanzlei gegründet. Ziemlich schnell haben wir aber das Geschäftsmodell geändert, wie viele andere schottische Kanzleien auch.

Warum?

Dunbar: Anfang des 20. Jahrhunderts gab es viele Wohlhabende in Schottland, die investieren wollten. Es gab aber kaum Vermögensverwalter, daher wandten sie sich an ihre Anwälte. Und so spezialisierten sich die Juristen auf die Geldanlage und die Einrichtung von Investment Trusts – und gaben die Anwaltstätigkeit schließlich ganz auf. Baillie Gifford etwa hat anfangs Geld von Kunden in Gummibaum-Plantagen in Britisch-Malaya investiert, die Gummi für die Reifen von Henry Fords frühen Automobilen lieferten. Seitdem haben wir uns auf Investmentfonds spezialisiert.

Wie viele Produkte managen Sie jetzt?

Dunbar: Insgesamt verwalten wir gut 20 Anlagestrategien, die über Fonds investierbar sind. Zwölf davon sind auch in Deutschland und Österreich zum Vertrieb zugelassen. Wir haben extra in Dublin eine eigene Fondsgesellschaft gegründet, die diese Fonds verwaltet und in Europa vertreiben kann – der Brexit lässt grüßen. Die restlichen richten sich an Anleger in den USA, Großbritannien oder Asien. Darüber hinaus managen wir individuelle Mandate für institutionelle Anleger. Darin stecken rund 75 Prozent der von uns verwalteten 225 Milliarden Euro.

Wo liegt die spezielle Expertise Ihres Hauses?

Dunbar: Wir sind Aktienspezialisten und suchen die Firmen, die ein wirklich hohes Wachstumspotenzial haben. Sie sollten ihren Wert innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppeln oder über zehn Jahre verfünffachen können. Es gibt akademische Studien, etwa von Hendrik Bessembinder, der als Professor an der Arizona State University lehrt, die zeigen, dass es nur sehr wenige Firmen sind, die wirklich die Börsen treiben. Diese Unternehmen müssen wir sehr früh finden, denn dann stimmt auch die Rendite.

Wie gehen Sie vor?

Dunbar: Mit klassischem, fundamental ausgerichtetem Bottom-up-Research. Wir analysieren, ob das Geschäftsmodell einer Firma langfristig zu einer beherrschenden oder disruptiven Marktstellung in der jeweiligen Branche führen kann, beispielsweise durch eine neue Technologie. Haben wir ein solches Unternehmen gefunden, bleiben wir dabei und unterstützen das Management auch mit Rat und Tat. Wir verstehen uns als sehr langfristige Investoren und schauen nicht auf Quartalszahlen oder den Lärm der Finanzmärkte. In der Regel investieren wir in börsennotierte Unternehmen. In Großbritannien haben wir für einige Fonds aber auch Werte aufgenommen, die noch nicht an der Börse gelistet sind. Der bekannteste dürfte Spotify sein.

Von den zwölf in Deutschland und Österreich zugelassenen Fonds finden sich neun Aktienfonds, zwei Rentenfonds und ein Multi-Asset-Produkt. Sie investieren also auch in Anleihen.

Dunbar: Ja, wir haben auch Credit-Teams, da die Analysen für Aktieninvestments natürlich auch für Anleihen, vor allem für Unternehmensanleihen, genutzt werden können. 90 Prozent der Fonds sind aber Aktienportfolios, die sehr erfolgreich sind und auch sein müssen – sowohl im Interesse unserer Kunden als auch im eigenen.

Das ist eine ehrliche Antwort, da Sie von der Performance der Produkte profitieren…

Dunbar: Nicht nur das. Baillie Gifford hat die Rechtsform einer unbeschränkt haftenden Partnerschaft. Alle 43 Partner der Gesellschaft, darunter ich selbst, haften im Fall von Misswirtschaft mit ihrem eigenen Vermögen. Wir schlafen nachts nur gut, wenn wir für unsere Anleger langfristig Erfolg haben.

Und? Immer gut geschlafen in letzter Zeit?

Dunbar: Ja, ich habe keine Schlafprobleme. Zugleich sind die guten Resultate ein Grund dafür, dass wir auch nach Deutschland und Österreich expandieren. Im Laufe der Zeit sind immer mehr Anleger auf uns aufmerksam geworden und haben uns ihr Geld anvertraut. Für diese möchten wir präsent sein und haben uns daher entschlossen, in Frankfurt ein Büro zu eröffnen. Zuvor haben wir bereits Niederlassungen in New York und Hongkong eröffnet, um die Anleger vor Ort zu unterstützen. Ich möchte aber betonen, dass wir nicht vom Wachstum getrieben sind, sondern von einer breiteren Kundschaft.

Auf welche Vertriebskanäle konzentrieren Sie sich in Deutschland und Österreich?

Dunbar: Unser Niederlassungsleiter David Gaschik wird unsere Publikumsfonds bei Privatbanken, Dachfondsmanagern, Familiy Offices und Fondsplattformen vorstellen. Auf der institutionellen Seite sprechen wir vor allem Versicherer, Pensionskassen und Versorgungswerke an. Hier haben wir wegen unserer vielen Mandate eine große Expertise.

Haben Sie dabei eine Flaggschiffstrategie, die Sie besonders prominent ins Schaufenster stellen?

Dunbar: Nein, aber wir haben einige größere Fonds, die recht bekannt sind. Der im Jahr 2004 aufgelegte Long Term Global Growth Fund, der in ein sehr konzentriertes Portfolio von rund 30 Titeln investiert, war in den letzten 15 Jahren sehr erfolgreich. Der Fonds ist relativ volatil, da die Firmen zwar großes Potenzial haben, aber auch verlieren können. Für vorsichtigere Anleger dürfte eher der breitere Global Alpha Fund geeignet.

Wir danken für das Gespräch.(jb)