Die europäischen Banken sind ein Dauerkrisengebiet, urteilt Michael Hünseler, Head of Credit Portfolio Management bei der Investmentgesellschaft Assenagon. Dass im vergangenen Jahr die Kosten für die Beschaffung von Liquidität und Kapital drastisch gestiegen sind, setzt den Finanzinstituten zusätzlich zu. Strengere regulatorische Auflagen tun ihr Übriges.

Die Folgen sind dramatisch: "In Deutschland schrumpft der Börsenwert der beiden verbliebenen großen Privatbanken unaufhörlich. In Italien setzt sich die Regierung über ihr Wahlversprechen hinweg, keine Steuergelder mehr für Bankenrettungen aufzuwenden. Und in Dänemark sorgt das größte Institut des Landes, die Danske Bank, seit Monaten mit einem Geldwäsche-Skandal für Negativ-Schlagzeilen", fasst Hünseler die Situation zusammen.

Konto ja, Bank nein
Damit nicht genug: In Zeiten von Plattformen und Digitalisierung würden im Grunde alle klassischen Geschäftsfelder der Geldhäuser unter Beschuss genommen, stellt Hünseler fest: "Kredite, Leasing, Factoring, Zahlungsverkehr, Anlageberatung und Handel – alles wird den Finanzinstituten streitig gemacht." Ein provokantes Bonmot von Microsoft-Gründer Bill Gates kommt dem Assenagon-Fachmann, leicht abgewandelt, hier in den Sinn: "Ein Konto braucht jeder, eine Bank allerdings niemand mehr." Wer sich nicht schnell auf den Wandel einstellt, so Hünselers Befürchtung, drohe wie einst die Dinosaurier an seiner eigenen größenbedingten Inflexibilität zu scheitern.

Die Realität sehe entsprechend düster aus. "Ein kostenloses Girokonto ist eben auch ein ertragsloses Girokonto", sagt Hünseler. Banken müssten sich rasant verändern, um in einem Umfeld zunehmender Digitalisierung und verschärften Konkurrenzkampfes bestehen zu können. "Wer angesichts wachsenden Wettbewerbs und sinkender Margen dauerhaft mehr als 70 Cent Kosten für einen Euro Umsatz aufwendet, dem wird in nicht allzu ferner Zukunft die Stunde schlagen", warnt der Anlageprofi.

Europäische Superbank bleibt wohl Zukunftsmusik
Nationale Zusammenschlüsse wie sie in Deutschland – Stichwort "Deutsche Commerzbank" – zur Debatte stehen, seien kein Königsweg, sagt Hünseler. "Die Komplexität einer Fusion bindet auf lange Zeit wertvolle Ressourcen", gibt er zu bedenken. Zusammenschlüsse, bei denen sich das Potenzial vorwiegend auf Kosteneinsparungen bei sich überschneidenden Geschäftsaktivitäten beschränkt, hätten aller Erfahrung nach geringe Erfolgsaussichten.

Zudem ist die Verschmelzung zweier unterschiedlicher IT-Systeme kompliziert und teuer, wie die letztendlich gescheiterte Migration der EDV-Kerne bei der Deutschen Bank und der Postbank eindrucksvoll zeigten. Sinnvoll wäre angesichts des hohen Aufwands von Fusionen höchstens ein grenzüberschreitender Schulterschluss, bei dem sich die Partner vor allem nach Geschäftsfeldern und regionaler Ausrichtung ergänzen, findet Hünseler.

Die Chancen auf eine pan-europäische Superbank sind allerdings gering, sagt der Assenagon-Experte. So läge etwa ein Schulterschluss der unter Druck geratenen Unicredit mit der Société Générale nahe – allerdings würden sich im aktuellen Umfeld Franzosen und Italiener nicht auf Augenhöhe begegnen. Und der Unicredit fiele es schwer, sich den Franzosen als Juniorpartner unterzuordnen. (fp)