Die Hauptversammlung von Warren Buffetts Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway ist für Acatis-Chef Hendrik Leber beeindruckend und enttäuschend zugleich gewesen. Beeindruckt gibt er sich in seinem aktuellen Investmentkommentar von den rund 40.000 Besuchern in Omaha mit mehr jüngeren und internationaleren Teilnehmern als in den Vorjahren. Doch dazu mischte sich viel Enttäuschung: Und die geht weit über das Fehlen von Buffetts langjährigem Weggefährten Charlie Munger hinaus.

Keine klare Perspektive geliefert
Enttäuscht war Leber etwa von Warren Buffetts Auftritt. So blieb der 93-Jährige mit der Beantwortung von etwa 35 Fragen der Investoren weit hinter den Vorjahren zurück, als er teils bis zu 70 Fragen beantwortete. Und auch einige seiner Aussagen waren für den Acatis-Chef recht perspektivlos. "In rund fünf Jahren hat Buffett es nicht geschafft, den immer stärker wachsenden Cash-Berg von rund 182 Milliarden US-Dollar investiert zu bekommen", schreibt Leber. Dabei hätte es seiner Meinung nach ausreichend Gelegenheiten gegeben: Etwa an den Märkten zur Corona-Zeit oder auch in das firmeneigene Energiesegment, wo aufgrund des rasch steigenden Stromverbrauchs große Investitionen nötig seien. "Buffett hingegen findet Staatsanleihen mit einer Rendite von 5,4 Prozent attraktiver – da stimmt was nicht", meint Leber.

Doch damit nicht genug: Buffett halte künstliche Intelligenz für eine Bedrohung, kenne aber nicht die Herausforderungen aus der KI, denen sich seine Firmen stellen müssten. So etwa beim Autoversicherer Geico: Der verliere Marktanteile, weil sein Pricing nicht mehr genau genug sei. Auch wenn die Firma optisch noch gut aussehe, sei sie technologisch wohl schon lange ein Sanierungsfall. "Bis Ende 2025 sollen die Aufräumarbeiten in der IT dauern. Wettbewerber wie Progressive unterbieten Geico massiv im Preis und holen Geschäft weg", so Leber.

Unzeitgemäßes Verständnis von Mitspracherechten
Weiterer Kritikpunkt: Buffett sei ein kategorischer Gegner von Aktionärsdemokratie. Das wurde laut Leber deutlich bei den Aktionärsinitiativen, die überwiegend Nachhaltigkeits- und Diversitätsthemen beinhalteten: "Selbst die Publikation schlichter Scope-1- und -2-Statistiken wurde kategorisch ohne Diskussion abgelehnt", berichtet Leber. "Das geht in der heutigen Zeit nicht mehr."

Im Hinblick auf die Hauptversammlung 2025 erklärte Buffett: "Ich hoffe nicht nur, dass Sie kommen, sondern auch, dass ich komme." Für Leber ist es indes an der Zeit, dass Buffett das Ruder an den designierten Nachfolger Greg Abel übergibt. "Dann wird auch endlich eine Entscheidung über das herumliegende Bargeld in Höhe von 182 Milliarden Dollar gefällt." Auch Versicherungschef Ajit Jain müsse einen körperlich fitteren Nachfolger finden. Schließlich seien Versicherungen der wichtigste Geschäftszweig. Und Buffetts Co-Manager Ted Weschler und Todd Combs möchte Leber zukünftig mit auf der Bühne sehen. Doch trotz aller Kritik – für Leber ist Berkshire Hathaway immer noch "eine unglaublich solide Firma, die man weiter halten sollte". (jh)