Alliance Bernstein (AB) gehört mit einem verwalteten Vermögen von 725 Milliarden US-Dollar und mehr als 4700 Mitarbeitern an 54 Standorten zu den größten aktiven Asset Managern der Welt. Gemessen daran sorgt das Unternehmen hierzulande eher selten für Schlagzeilen. Ende November vergangenen Jahres gelang dem Investmenthaus mit Sitz in Nashville, Tennessee, jedoch ein veritabler Coup: Damals wurde bekannt, dass Starmanager Thorsten Winkelmann gemeinsam mit vier Kollegen zum Jahreswechsel zu AB wechseln würde. Der tägliche Arbeitsweg hat sich für Winkelmann übrigens kaum geändert – das Frankfurter AB-Büro liegt genau gegenüber der Allianz-Global-Investors-Zentrale, von wo aus sein Team zuletzt Mandate mit einem Volumen von mehr als 20 Milliarden Euro verwaltete. Ein paar Monate länger an Bord als Winkelmann ist Thiemo Volkholz: Er wechselte im September von PGIM Investments zu Alliance Bernstein, um dort den Publikumsfondsvertrieb in Deutschland und Österreich zu leiten. FONDS professionell ONLINE traf ihn in der Frankfurter AB-Repräsentanz zum Interview.


Herr Volkholz, nach rund einem halben Jahr bei Alliance Bernstein: Was hat Sie überrascht, weil Sie es von früheren Karrierestationen so vielleicht nicht kannten?

Thiemo Volkholz: Sehr positiv ist mir die wirklich große Bereitschaft der Portfoliomanager aufgefallen, den Kunden im direkten Dialog für Fragen zur Verfügung zu stehen und dafür auch mal längere Reisen auf sich zu nehmen. Aus meiner Sicht ist das ein echter Mehrwert für die Investoren, weil sie sich persönlich mit denjenigen austauschen können, die tatsächlich die Anlageentscheidungen treffen. Das habe ich in diesem Umfang bisher so noch nicht erlebt.

Seit das fünfköpfige Team um Thorsten Winkelmann von Allianz Global Investors zu AB gewechselt ist, teilen Sie sich sogar ein Büro mit einigen Portfoliomanagern. Wussten Sie von dieser Personalie, bevor Sie zum Unternehmen kamen?

Volkholz: Nein, ich habe wie alle anderen erst im November davon erfahren. Für uns aus dem Vertrieb ist das natürlich eine sehr positive Entwicklung: Wir haben nicht nur ein renommiertes Portfoliomanagement-Team hinzugewonnen, sondern bekommen auch hautnah mit, was sich in den Fonds tut. Thorsten Winkelmann und zwei seiner Kollegen sitzen hier in Frankfurt, zwei weitere Kollegen in London. Dass AB es den Portfoliomanagern ermöglicht, von hier aus zu arbeiten, unterstreicht meiner Meinung nach das Commitment des Unternehmens für den hiesigen Markt.

Können Sie beziffern, wie relevant der deutsche und österreichische Markt für Ihr Haus ist, etwa mit Blick auf das betreute Vermögen?

Volkholz: Unser Unternehmen veröffentlicht nur Zahlen für einzelne Regionen, nicht auf Länderebene. Im Retail-Bereich betreuen wir rund 26 Milliarden US-Dollar für Kunden aus der EMEA-Region inklusive Großbritannien. Dass Deutschland und Österreich für AB ein sehr wichtiger Markt ist, erkennen Sie aber schon daran, dass es in keinem anderen europäischen Land ein größeres Vertriebsteam gibt als hier.

Nicht mal in Großbritannien?

Volkholz: Nein, von London aus steuern wir zwar unser Europageschäft, dort sitzen zahlreiche Portfoliomanager und unterstützende Funktionen, aber genauso viele Sales-Kollegen wie hier. Wir sind als einer der wenigen US-Asset-Manager mit München und Frankfurt an gleich zwei Standorten in Deutschland präsent. Mittlerweile sind wir hier schon seit fast einem Vierteljahrhundert aktiv.

Wie groß ist Ihr Team für den Vertrieb der Publikumsfonds denn?

Volkholz: Mit mir sind wir vier Kollegen im Wholesale-Vertrieb. Hinzu kommen vier Client-Service-Mitarbeiter in München und zwei Marketingexperten. In Summe sind wir also zu zehnt für das Publikumsfondsgeschäft tätig. Unser Anspruch ist es, unsere Vertriebspartner sofern gewünscht auch dezentral betreuen zu können, inklusive Marketingmaterialen, die für den lokalen Markt angepasst wurden.

In welchen Vertriebskanälen fühlen Sie sich schon gut positioniert, und wo sehen Sie die besten Wachstumschancen?

Volkholz: Ich denke, dass wir bei den unabhängigen Vermögensverwaltern und freien Finanzberatern mit unseren Produkten eine gute Durchdringung erreicht haben. Das möchten wir natürlich beibehalten und auch weiter ausbauen. Weiteres Potenzial sehe ich bei Family Offices. Ich denke, dass wir dieser Kundengruppe einiges zu bieten haben. AB hat beispielsweise einige Makroökonomen, die hervorragend und produktunabhängig über die Finanzmärkte sprechen können. Mit Blick auf unsere Produktpalette ist für diese Zielgruppe nicht nur unser Publikumsfondsangebot interessant, sondern auch unsere Expertise im Private-Debt-Segment. Ein weiteres Wachstumsfeld sehe ich bei den Fondsselektoren.

Inwiefern?

Volkholz: Dort ist AB vor allem für seine Aktienstrategien bekannt. Wir verwalten aber auch viele Anleihemandate. Diese Produkte standen während der Niedrigzinsphase natürlich nicht so im Fokus, aber das Zinsumfeld hat sich ja bekanntlich geändert. In den Vereinigten Staaten managen wir beispielsweise eine erfolgreiche Anleihestrategie, die rein systematisch gesteuert wird. Systematische Ansätze kennt man eher aus der Aktienwelt, im Rentenbereich sind sie selten. Unsere Strategie kann damit eine echte Diversifikation zu den klassischen, nach fundamentalen Kriterien verwalteten Strategien bieten. Auch in Österreich wollen wir unser Engagement ausbauen. Das ist für uns ein sehr interessanter Markt, mit professionellen Ansprechpartnern und guten Wachstumsaussichten.

Möchten Sie perspektivisch ein Büro in Wien eröffnen?

Volkholz: Wir werden den Markt zunächst von München aus betreuen. Ob das immer so bleiben wird, kann ich Ihnen Stand heute nicht sagen. Sollte das Geschäft so groß werden, dass eine Präsenz vor Ort sinnvoll erscheint, ist das sicherlich eine Option.

Wie gut ist Ihr Haus denn bei den Banken präsent, etwa in deren Wealth Management?

Volkholz: Wir haben es schon in der Vergangenheit geschafft, mit unseren Fonds bei vielen Banken auf die Auswahlliste zu kommen. Die erste Hürde ist also genommen. Jetzt gilt es, dass auch in entsprechende Zuflüsse umzusetzen. Das wird uns nur gelingen, wenn wir die Banken noch besser als bisher im Vertrieb unterstützen können. Wir möchten beispielsweise Marketingmaterialien erarbeiten, die wirklich auf den Bedarf der Endkunden abzielen. Das gilt, denke ich, für die gesamte Branche. Früher ging es in der Fondsvermarktung oft um die Frage, welche Botschaft man an die Anleger transportieren möchte. Doch das funktioniert so nicht mehr. Wir müssen entschiedener die Sicht der Kunden einnehmen und versuchen, sie auf diesem Weg zu erreichen.

Mit welchen Produkten denken Sie, in nächster Zeit punkten zu können? Sprich: Auf welchen Fonds liegt der Vertriebsfokus?

Volkholz: Da sind natürlich an erster Stelle die beiden gerade aufgelegten Fonds unseres neuen Teams um Thorsten Winkelmann zu nennen, das AB European Growth Portfolio und das AB Global Growth Portfolio. Diese Produkte runden zum einen unsere vorhandene Fondspalette ab, zum anderen profitieren wir an dieser Stelle natürlich vom sehr guten Ruf des Teams. Ein anderer Fonds, der zwar kein Geheimtipp mehr ist, den viele Investoren aber dennoch nicht unbedingt auf dem Schirm haben, ist unser AB International Health Care Portfolio. Dessen Management verfolgt einen in diesem Segment ungewöhnlich breit diversifizierten Investmentansatz und hat damit beachtlichen Erfolg. Als interessant – wenn auch für eine andere Zielgruppe – erachte ich zudem unser AB American Multi-Asset Portfolio. Unserem Haus traut man denke ich eine gewisse Kompetenz sowohl bei US-Aktien als auch bei amerikanischen Anleihen zu. In diesem recht neuen Fonds kombinieren wir diese Stärken.

Mischfonds sind gerade allerdings nicht wirklich gefragt. In diesem Segment gab es nach vielen guten Jahren zuletzt signifikante Abflüsse.

Volkholz: Die Rückflüsse sind, denke ich, aber eine Momentaufnahme. Es wird immer Investoren geben, die die Asset-Allocation-Entscheidung delegieren möchten. Wer zudem von der Stärke des amerikanischen Kapitalmarkts überzeugt ist, für den dürfte unser Fonds einen näheren Blick wert sein. Wir haben übrigens noch einen weiteren Fonds im Sortiment, von dem ich angetan bin.

Und zwar?

Volkholz: Unser AB Emerging Markets Low Volatility Equity Portfolio investiert in den Schwellenländern, die bei vielen Anleger gerade ja nicht unbedingt hoch im Kurs stehen. Viele sind zwar von den Wachstumsperspektiven der Emerging Markets überzeugt, schrecken aber vor den Kurskapriolen zurück. Unsere Portfoliomanager schaffen es mit ihrem Low-Volatility-Ansatz in der Regel, rund 90 Prozent der Aufwärtsbewegung mitzunehmen, aber nur 70 Prozent eines Abwärtstrends. Das sorgt für eine konstantere Kursentwicklung und damit für eine höhere Verweildauer im Fonds, was dem Ertrag des Anlegers unter dem Strich sehr gut tut.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)