Frauen legen weniger häufig ihr Geld am Kapitalmarkt an. Wenn sie aber den Schritt gemacht haben, dann sind Portfoliostruktur oder Risikoverhalten ähnlich wie bei den Männern. Das zeigen Studien und Erfahrungswerte, die im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung der Fachgruppe der Finanzdienstleister Wien präsentiert wurden. Es geht also in der Anlageberatung in vielen Fällen darum, die erste Hürde zu überwinden – weg vom beliebten Sparbuch hin zum Anlegen.

Die Verantwortung dafür, dass das geschieht, liege auch bei den Finanzberatern, die die spezifischen Situationen von Frauen kennen und ansprechen müssen, sagten die Podiumsteilnehmerinnen. "Wir müssen durch Fragestellungen den Bedarf aufzeigen", sagte Silvia Richter, Leiterin des Wiener Standortes der Zürcher Kantonalbank Österreich (ZKB) mit Verweis auf den hohen Unterschied bei den Alterspensionen (laut Statistik Austria liegt der Medianwert bei den Frauen um knapp 50 Prozent unter jenem der Männer).

"Wir sind fast verpflichtet, in der Beratung darauf hinzuweisen, dass es in der Pension einen Gap geben könnte", so die Expertin. Man müsse Kunden vorrechnen, dass sich "gewisse Dinge nicht ausgehen werden". "Dazu gehört auch, einer jungen Frau zu sagen, möglicherweise hält die Ehe nicht für ewig, und dass man für diesen Fall vorsorgen muss", so Richter.

"Dann muss der Mann für die Frau einen Fondssparplan eröffnen"
Mercedes Schoppik, Senior Sales Manager der Masterinvest KAG, appellierte eindringlich, die eklatant tieferen Gehaltsbiografien und die Altersarmut von Frauen ernst zu nehmen – Ein Viertel der alleinstehenden Frauen sei in der Pension armutgefährdet. Gerade in solchen Fällen sei es wichtig, zu vermitteln, dass man vorsorgen muss, und es gehe dann nicht darum, über Veranlagungsthemen zu reden; "für eine alleinerziehende Einzelhandelskauffrau, die in Teilzeit arbeitet, ist die Pension das wichtigste", so Schoppik. In solchen Konstellationen seien Investmentfonds-Ansparpläne das geeignete Vehikel, weil man hier mit 50 oder 100 Euro monatlich beginnen und jederzeit aussetzen kann, wenn das Budget die Einzahlung in den Fondssparer nicht erlaubt. Dabei sei einem Aktienfonds der Vorzug zu geben, so Schoppik.

Berater müssten bereits beim Erstgespräch die "Fragen stellen, die unangenehm sein könnten". Etwa, wie ist das Vermögen in der Familie aufgeteilt? "Es gibt in Österreich viele Frauen, die gar kein Einkommen haben. Dann ist meine Meinung, dass der Mann einen Sparplan für sie anlegen muss", so Schoppik. Für diese Forderung gab es Applaus im Publikum, insbesondere etliche männliche Finanzberater drückten ihre Zustimmung aus.

Pandemie und Tiefzinsumfeld
Schoppik warnte außerdem davor, dass die Corona-Pandemie so wie das hartnäckige Tiefzinsumfeld die finanzielle Schlechterstellung von Frauen weiter verstärken könnten. Unbezahlte Betreuung und Pflege nahmen während der pandemiebedingten Lockdowns zu und die Mehrleistung blieb bekanntlich zu einem Großteil an den Frauen hängen. In dieser Situation der beruflich-privaten Mehrfachbelastung denke wohl kaum jemand erstrangig an Veranlagungen. Und das Niedrigzinsumfeld betreffe Frauen, die sich weniger oft an den Kapitalmarkt wagen und lieber beim nicht einträglichen Sparbuch bleiben, ebenfalls härter. Möglicherweise würden sich die wahren Auswirkungen dieser Schlechterstellung in ein paar Jahren noch dramatischer darstellen, so Schoppik.

Finanzbildung wesentlich
Wesentlich sei es in dieser Hinsicht, die Finanzbildung zu verbessern. "Es geht hier um existenzielle Dinge. Es muss schon in Schulen erklärt werden, was ein Investmentfonds ist", so Schoppik.

Dafür sprach sich auch Christoph Obererlacher, Geschäftsführer von Swiss Life Select Österreich (SLS) aus. Sein Unternehmen hat heuer eine Studie unter 1000 Österreichern zur Zuversicht in Finanzfragen in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Personen mit hohem Finanzwissen haben zu 73 Prozent eine hohe finanzielle Zuversicht, Befragte mit geringem Wissen sind hingegen nur zu 59 Prozent von einer guten finanziellen Zukunft überzeugt. Sehr tief ist dieser Wert unter Frauen – nur rund 52 Prozent haben eine geringe finanzielle Zuversicht.

Frauen verdienen mehr
Indes offenbart eine weitere SLS-Untersuchung positives: Die Beraterinnen (rund 19 Prozent im selbständigen SLS-Vertrieb) würden rund 32 Prozent mehr verdienen als die Männer. Man könne den "Equal Pay-Day" also auch andersherum denken. "Am 12. 9. haben unsere Frauen so viel verdient, wie die Männer im ganzen Jahr", so Obererlacher.

Wirtschafts- und Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck betonte in ihrer Eröffnungsansprache, dass die Wirtschaftsbildung in Kombination mit digitalen Fähigkeiten in Österreich vorangebracht werden müsse. Es gehe dabei nicht nur um ein frauenpolitisches sondern um ein wirtschaftspolitisches Thema, das auch den Standort betreffe. Bei der Finanzbildung sei Österreich in den vergangenen Jahren "nicht so schnell vorangekommen".

Weniger Finanzbildung
Generell zeigten die Studien, die im Vorfeld der Diskussion präsentiert wurden, dass Frauen in den meisten Ländern ein geringeres gemessenes Finanzwissen haben. Eine Erklärung liefert die Psychologie: Stereotype Zuschreibungen des Umfeldes sorgen dafür, dass Mädchen von Anfang an von diesem Thema ausgeklammert werden. Damit wird es ihnen verwehrt, von klein auf eine kognitive Landkarte dazu aufzubauen. Interessant ein Aspekt auf den die deutsche Finanzpsychologin Monika Müller (FCM Finanz Consulting) gegenüber der Redaktion aufmerksam machte: Mädchen, die in reine Mädchenschulen gehen, legen später exakt das selbe Risikoverhalten an den Tag, wie Männer, weil sie sich in solchen Themen frei von geschlechterspezifischen Klischees entwickeln konnten. (eml)


Das Video und Folien zur Veranstaltung finden Sie im Webangebot der Wirtschaftskammer Wien.