"Was hat in den letzten drei Jahren die Kapitalmärkte wirklich getrieben?" Mit dieser Frage eröffnet Martin Lück, Blackrocks Chief Investment Strategist für Deutschland, Schweiz, Österreich und CEE, seine bereits fünfte Präsentation auf der jährlich in Wien stattfindenden "Blackrock Winterkonferenz".

Eine Umfrage unter Blackrock-Investoren bestätigt, dass der Großteil der Marktteilnehmer geopolitische Ereignisse als den stärksten Einflussfaktor für die Märkte sieht. Dies ist wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass wir nicht nur Kapitalmarktteilnehmer, sondern in erster Linie Menschen sind, die täglich mit Nachrichten aus aller Welt regelrecht bombardiert werden. So entsteht Lück zufolge leicht der falsche Eindruck, dass Handelskrieg, Brexit und Co. für die Achterbahnfahrt an den Märkten verantwortlich sind. Ein Blick in die Vergangenheit offenbart den wahren Grund. 

2020 kann gar nicht schlecht werden, wenn…
Nach dem Goldilocks Szenario von 2017 mit steigendem Wachstum, niedrigen Zinsen, starken Unternehmensgewinnen und entsprechend auch starken Aktienkursen gab es 2018 die Angst, dass sich etwas verändern könnte. Immerhin gestaltet sich die Jagd nach Rendite als etwas schwieriger, wenn der Notenbank-Put vom Tisch genommen wird, und dieser "das einzige Pferd auf der Rennstrecke ist".

"Sehen Sie mal ganz genau hin! Wann hat die Volatilität wirklich zugenommen? Wann kam es an den Märkten zu einem Abverkauf? Es waren immer Events, die mit der Angst vor höheren Zinsen zu tun hatten. Die Rezessionsangst kam erst Ende2018 dazu, und das hat dann zu diesem extrem schlechten Jahresende geführt."

Trotz Rezessionsängsten und wenig Aussicht auf die Bewältigung geopolitischer Dispute haben die Zentralbanken auch 2019 wieder den Ausschlag gegeben: Von allen großen Zentralbanken wurde unisono kommuniziert, dass Zinsanhebungen nicht auf der Agenda stehen. Die großen Indizes sind gegen Ende des Jahres zwischen 20 und 25 Prozent im Plus, und das in einem Jahr voller Rezessionsängste und teilweise schrumpfender Gewinne. "Das Jahr 2020 kann eigentlich gar kein schlechtes werden, solange die Zentralbanken mit dem Fuß auf dem Gaspedal bleiben", meint Lück.

                                       Bye bye höhere Zinsen. Der Markt schreibt die EZB ab

Wachstum lässt auf sich warten
Auf der makroökonomischen Seite sieht Lück trotz der lockeren Finanzierungsbedingungen als Ergebnis der Zentralbankpolitik das globale Wachstum derzeit noch nicht auf dem Vormarsch. Grund für die Verzögerung sind vor allem der Handelskrieg und die dadurch auf Eis gelegten Investitionen vieler Unternehmen.

Im Hause Blackrock erwartet man allerdings, dass sich dieser Knoten lösen wird und dass die Finanzierungsbedingungen über die Sicht des ersten Halbjahres 2020 dazu führen werden, dass sich das Wachstum in den G3-Staaten (USA, Europa, Japan) wieder beschleunigt. Auch in China stabilisiert sich das Wachstum langsam wieder. Der positive Effekt, den sich viele von einer deutlichen Beschleunigung der chinesischen Volkswirtschaft versprechen, dürfte jedoch bescheidener ausfallen als noch in der jüngeren Vergangenheit, da der Stimulus der chinesischen Regierung deutlich geringer geworden ist.

                                     Zentralbank-Doping für das globale Wachstum

Beim Stichwort "China" rückte natürlich auch das Thema Globalisierung in den Vordergrund. "Die Globalisierung als Anteil des Welthandels am globalen Bruttoinlandsprodukt hatte bereits 2011 ihren Peak und ist seitdem am Abnehmen", stellt Lück fest. Während die Globalisierung zwar vielen Menschen aus der Armut geholfen hat – dies trifft vor allem auf Schwellenländer zu – blieben Nebenwirkungen nicht aus. Der geschaffene Wohlstand wurde ungleich verteilt und bescherte so den aktuellen populistischen Schwenk. "Wer glaubt, dass eine Wahlniederlage Trumps alles wieder ins rechte Lot rückt, irrt sich. Auch die Demokraten sind keine ausgeprägten Freihändler, sondern sehr globalisierungskritisch", gibt der Investmentstratege zu bedenken. Ob dieser De-Globalisierungs-Prozess nur temporär oder von Dauer ist, lässt sich allerdings nur schwer voraussagen.

Fazit
Das Fazit des Investmentstrategen für 2020 ist insgesamt betrachtet zuversichtlich: "Ich glaube, 2020 wird ein verhalten gutes Jahr. Die Aktienkurse sollten in etwa in der Größenordnung des Gewinnwachstums zulegen. In den USA ist durchaus Wachstum über dem Trend von zwei Prozent möglich, während in Europa mit einem Prozent Wachstum etwa die Hälfte zu erwarten ist. Die Größenordnung, die ich mir vorstelle und die auch mit vielen Schätzungen übereinstimmt, ist, dass in Amerika die Unternehmensgewinne für die großen Indizes in der hoch einstelligen respektive knapp zweistelligen Größenordnung zulegen können. Im Bereich Fixed Income ist keine enorme Verkaufswelle zu befürchten, aber das Potenzial für Zugewinne ist ebenfalls begrenzt.“ Die Lösung laut Lück: "Ausgeglichen investiert sein." (aem)