Nach der Wienwert-Pleite im Jahr 2018 müssen die Gerichte Detailarbeit leisten. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Anleihe-Anleger Geld vom Prospekthaftpflichtversicherer zurückbekommen können. Nicht unbedingt, sagt der Oberste Gerichtshof (OGH), der dem Erstgericht eine Klage gegen den Prospekthaftpflichtversicherer retourniert hat. Nun muss das Erstgericht klären, ob der Wienwert-Vorstand vor Vertragsbeginn einen Verdacht haben konnte, dass sich die Lage verschlechtert. Die Entscheidung kann als Punkt zugunsten der Versicherung gewertet werden, die sich selbst falsch informiert sieht und deshalb keine Deckung gewährt.

Angestrengt wurde das Verfahren vom Wienwert-Insolvenzverwalter – er war nach der Pleite selbst von Anleihezeichnern angeklagt worden, die argumentierten, Basisprospekt und Nachtragsprospekte seien falsch und unvollständig gewesen. Daraufhin klagte der Insolvenzverwalter seinerseits gegen den Prospekthaftpflichtversicherer Swiss Re, der die Anleiheemissionen für den Zeitraum ab dem 29. August 2017 versicherte, und verlangte Versicherungsdeckung.

Prospekthaftpflichtversicherer steigt aus Vertrag aus
Der Versicherer hingegen sagt, der Wienwert-Vorstand habe vor Vertragsabschluss die finanzielle Lage nicht ausreichend dargestellt und notwendige Nachträge zum Prospekt nicht veröffentlicht. Man sei daher nicht zur Deckung verpflichtet. Die Wienwert-Verantwortlichen hätten "ihre Obliegenheit zur Anzeige von gefahrerheblichen Umständen vor Vertragsabschluss nicht erfüllt".

Die beiden ersten Instanzen wiesen die Auffassung der Versicherung zurück. So gab es zum Beispiel vor Vertragsabschluss bereits Medienberichte über Probleme bei Wienwert. Außerdem war die Assekuranz von der Versicherungsmaklerin auf ein Verwaltungsstrafverfahren der FMA gegen Wienwert aufmerksam gemacht worden. Es wäre von der Versicherung durchaus zu erwarten gewesen, dass sie solche Unterlagen liest, sagten die ersten beiden Instanzen.

Was hat der Vorstand gewusst?
Der OGH stellt nun aber klar: Für die Frage, ob gedeckte Prospekthaftungsansprüche bestehen, kommt es sehr wohl auf die richtige oder unrichtige Information an. Dem Erstgericht gibt der OGH auf, erst einmal zu klären, ob für die Wienwert-Vorstände "vor Vertragsbeginn eine Verdachtslage (und damit eine Anzeigepflicht nach § 16 VersVG) dahin bestand, dass die Prospekte wegen einer Verschlechterung der finanziellen Lage unrichtig oder unvollständig (geworden) sein könnten". Sollten die Wienwert-Vorstände die Situation gegenüber der Versicherung verschleiert haben, dann müsste der Insolvenzverwalter beweisen, dass eine korrekte Info durch den Wienwertvorstand die Versicherung nicht umgestimmt hätte.

Es war dem obersten Gericht zufolge das erste Mal, dass sich der versicherungsrechtliche Fachsenat mit einer Haftpflichtversicherung für unrichtige oder unvollständige Wertpapierprospekte befassen musste. Das OGH-Urteil schwächt die Position der Anleiheanleger, die gern individuelle Ansprüche gegen den Prozesshaftpflichtversicherer geltend machen würden. (eml)