Die enorme Inflation – im August waren es im Euroraum 9,1 Prozent – macht sich nicht nur bei den täglichen Besorgungen bemerkbar. Oft wird vergessen, dass auch die persönlichen Investitionen massiv betroffen sind. Welches Produkt sich rentiert und welches zum Verlustbringer wird, muss angesichts der rapiden Teuerung neu beurteilt werden. Dass Anlass zum Handeln besteht, macht nun die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in einer Stellungnahme klar. Anleger sollen ausdrücklich über die Gefahren aufgeklärt werden. 

Die ESMA erwartet, dass Informationen, die an Retailanleger hinausgehen (auch Botschaften, die von Anlegern "wahrscheinlich" empfangen werden können), künftig "in nachvollziehbarer Form Inflationsrisiken und deren mögliche Auswirkung auf Wert und Rendite der Investition reflektieren". Unter anderem hebt die ESMA Garantie- oder Kapitalschutzprodukte hervor. Wer diese anbietet, muss laut den Unterlagen erklären, dass das Kapital des Anlegers nicht vor der Inflation geschützt ist, und dass die Rendite nach Inflation negativ sein könnte.  

Geeignetheitsprüfung unter neuen Vorzeichen
Insbesondere geht es der ESMA darum, dass die Inflation in der Geeignetheitsprüfung berücksichtigt wird. Hier soll die Möglichkeit, dass die Inflation die Performance oder den Wert einer Anlage untergräbt, "sorgfältig berücksichtigt werden". "Insofern ist es besonders wichtig, dass Firmen den Anlagehorizont der Kunden sorgfältig einschätzen und verstehen", heißt es. Die Geeignetheitsprüfung sei in der für den Finanzvertrieb relevanten Mifid-II-Regulierung eine der wichtigsten Erfordernisse, betont die Behörde.

Ausdrücklich erwartet die ESMA außerdem, dass bei Anlageempfehlungen und bei Portfoliomanagementservices verstärkt auf Diversifizierung geachtet wird. Auch hierbei solle die Inflation mitgedacht werden, schließlich seien die Anlagen unterschiedlich von der Teuerung betroffen. Zudem betont die Behörde, dass die Kunden das Verhältnis von Risiko und Rendite verstehen sollen. Kunden müssten verstehen, dass es bei risikofreien Assets zwangsweise geringere Renditen gibt.

"Deutliche Hinweise" erforderlich
Im Prinzip sind die Anforderungen nicht neu. Die ESMA ordnet mit ihrer Aufforderung nur die Inflation ausdrücklich in den Rahmen der Mifid-II-Regulierung ein. Darin heißt es, dass jegliche Information an Anleger fair, klar und unmissverständlich sein muss. Den Standard wollen die Aufseher nun explizit auch im Umfeld der Teuerung gewahrt sehen. In der Regulierung heißt es auch, dass die Informationen stets einen "deutlichen Hinweis auf jegliche relevante Risiken" geben müssen, sobald man potenzielle Vorzüge eines Investments in den Raum stellt (Artikel 44(2) Mifid II Delegated Regulation). Anleger könnten vielfach nicht einschätzen, wie sie die Inflation im Sparverhalten und bei Investitionsentscheidungen berücksichtigen sollen, so die ESMA. (eml)


Service: Statement betreffend die Auswirkungen der Inflation im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen an Privatkunden (ESMA35-43-3328).