Die EU-Kleinanlegerstrategie (RIS, Retail Investment Strategy) hat die Investmentbranche mit ihren geplanten Teilprovisionsverboten im Vorjahr gehörig geschockt. Für beratungsfreie Geschäfte sollen laut Vorschlag Zuwendungen von Produktherstellern an Vertriebler nicht mehr erlaubt sein, und ein generelles Verbot wäre spätestens bei einer Überprüfung binnen drei Jahren wieder auf dem Plan gestanden. Nun sprechen sich aber immer mehr Experten auf EU-Ebene gegen ein Kappen des historisch gewachsenen Vergütungsmodelles aus. Zuletzt der für Wirtschaft zuständige ECON-Ausschuss. Eine endgültige Entscheidung des EU-Parlaments, das dazu im April tagt, und des Ministerrats steht noch aus.

Die Asset-Management-Branche sollte die angestoßene Kehrtwende nicht als Bestätigung für die Beibehaltung des bisherigen provisionsbasierten Vertriebsansatzes werten, mahnen nun Gian Vahedi und Max Biesenbach, Kapitalmarktexperten bei der Strategieberatung Simon-Kucher. Nicht zuletzt müsse man sich aufgrund der zunehmenden Vorliebe der Kunden für kostengünstige ETFs ohnehin Alternativen überlegen.

Banken stellen bereits um
Es sei zu beobachten, dass Vertriebspartner von Asset Managern – beispielsweise Banken – zunehmend provisionsbasierte Vergütungen durch andere Gebührenmodelle ersetzen. "Dieser Trend ist unserer Erfahrung nach nicht ausschließlich regulatorisch motiviert, sondern häufig eine geschäftspolitische Entscheidung, um für den Endkunden die größtmögliche Kostentransparenz zu schaffen und gleichzeitig den wachsenden Anteil von ETFs monetarisieren zu können", schreiben die beiden in einer Pressemitteilung.

Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, dass Asset Manager trotz des möglichen Ausbleibens eines Provisionsverbots eine neue Vertriebsstrategie definieren, die den langfristigen Absatzerfolg sichert. Eine potenzielle Entscheidung gegen ein Provisionsverbot dürfe außerdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Aufsichtsbehörden europaweit das Thema Provisionen vor dem Hintergrund möglicher Interessenkonflikte und der Verhältnismäßigkeit (Höhe der Provisionen) gerade beobachten.

Junge tendieren zu ETFs
Auch habe die mediale Diskussion um das Thema Provisionen zu einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit geführt. Besonders jüngere Anleger würden die Kosten häufiger hinterfragen. "Diese Investorengruppe kauft eigenständig Investmentprodukte, anstatt sich diese verkaufen zu lassen. Bevorzugt werden dabei kostengünstige Produkte im ETF-Mantel, für die bereits heute keine Provisionen von Asset Managern an ihre Vertriebspartner gezahlt werden", so Vahedi und Biesenbach. (eml)