Die Unsicherheit darüber, was die Mifid-II-Regulierung mit sich bringen wird, war groß unter den heimischen Finanzmarktteilnehmern. Sechs Jahre ist es mittlerweile her, dass die Grundsätze für die EU-Richtlinie definiert wurden. Ab Jänner 2018 werden die neuen Regeln nun auch in Österreich gelten. Durch die im Sommer veröf­fentlichte Novelle des Wertpapieraufsichts­gesetzes (WAG 2018) erhofften sich die ­betroffenen Unternehmen nun Klarheit da­rüber, wie die EU-Richtlinie in Österreich ­umgesetzt wird. 

Viele Fragen offen
Spricht man dieser Tage mit Experten, zeigt sich allerdings, dass viele Fragen weiterhin offen sind und die Branche noch einige Hausaufgaben zu machen hat. "Die meisten schieben die Umsetzung im eigenen Unternehmen, so lange sie können, hinaus, offensichtlich in der Hoffnung, dass ihnen dann schon irgendjemand zur Seite stehen wird. Viele wissen offensichtlich noch nicht, was da eigentlich auf sie zukommt", erklärt Günther Ritzinger, Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Kapitalmarkt Consult.

Ähnliches berichtet Andreas Dolezal, Compliance Officer des Wiener Vermögensverwalters Schiketanz ­Capital Advisors. Der Unternehmensberater macht sein Know-how in Sachen Mifid II neuerdings auch anderen Unternehmen zugänglich und erklärt: "In den Gesprächen mit kleineren konzessionierten Unternehmen merkt man ganz deutlich, dass diese noch eini­gen Aufholbedarf haben, was die Vorbereitung auf Mifid II betrifft." Jüngst hat ­Dolezal daher gemeinsam mit dem Wiener Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Cornelius Necas das Projekt "Sind Sie mifit?" gestartet. "Ziel ist es, jene Unternehmen, die noch ­Hilfe bei der Umsetzung benötigen, während des gesamten Umstellungsprozesses von ­Mifid I auf Mifid II zu begleiten", erklärt Dolezal. Bedarf dürfte es jedenfalls noch genügend geben.

So bestätigt auch der Geschäftsführer des WKO-Fachverbandes der Finanzdienstleister, Philipp H. Bohrn: "Der Branche steht noch ein heißer Herbst bevor, es ist allerdings nicht unmöglich, sich in der noch vorhandenen Zeit umfassend auf die Neuerungen vorzubereiten. Einige größere Unternehmen sind auch schon sehr weit mit ihren Vorbereitungen auf Mifid II, andere haben noch einiges vor sich. Bei kleinen Unternehmen, bei denen es im Hintergrund keine Riesenstruktur gibt, ist es aber auch verständlich, dass sich diese erst jetzt mit dem Thema auseinandersetzen. Denen fehlt es einfach an Kapazitäten, da beschäftigt man sich mit den Themen halt erst, wenn diese auch tatsächlich auf dem Tisch liegen."

Geschäftsmodell
Wie stark ein Unternehmen von Mifid II betroffen sein wird, hängt laut Ritzinger vor allem vom jeweiligen Geschäftsmodell ab: "Besonders stark wird es die Haftungsdächer treffen. Hier gibt es etliche Punkte, die für viel Arbeit sorgen werden. Zum Beispiel werden die Telefonaufzeichnungen eine echte Herausforderung darstellen. Hier Leitlinien zu schaffen und diese dann auch zu überwachen wird äußerst schwierig. Aber auch das Thema rund um die Annahme von Vorteilen wird noch für Kopfzerbrechen sorgen. Bei den Fondsgesellschaften wird es hingegen die Zielmarktdefinition sein, die die Branche noch beschäftigen wird."

Ähnlich sieht dies auch Bohrn, der aber sowohl im Bereich der Produktregulierung als auch bei der Telefonaufzeichnung bereits gute Lösungsansätze erkennen kann. "Wir ­sehen im Bereich der Zielmarktdefinition durchaus praktikable Lösungen, so arbeiten wir gerade an Musterzielmärkten und Clus­tern, um die jeweiligen Produktgruppen einfacher zuordnen zu können."

Beim Thema Telefonaufzeichnung sieht Bohrn unterschiedliche Herangehensweisen: "Von einzelnen kleineren Unternehmen habe ich gehört, dass diese sich ein System zur Aufzeichnung zugelegt haben, die Kosten dafür dürften sich nicht einmal im vierstelligen Bereich bewegen. Größere Un­ter­nehmen werden wohl eher ­darauf verzichten und eine strikte Regelung einführen. Den Kunden wird gleich anfangs mit­geteilt, dass es etwa keine Annahme und Übermittlung von Aufträgen per Telefon ­geben wird. Es wird einfach von vornherein ausgeschlossen, dass eine Aufzeichnungs­verpflichtung zum Tragen kommt.

Dieses Vorgehen bestätigt im Übrigen auch Alexander Varga, Geschäftsführer des Pools Jung DMS & Cie. in Österreich. So wird es laut Varga in Zukunft klare Leitlinien geben, die von den Beratern einzuhalten sind. "Eine Aufzeichnung der Telefongespräche wird es bei uns nicht geben, da wir keine Annahme und Übermittlung von Aufträgen über Telefon ­zulassen werden", erklärt der Poolchef. 

Informationspflichten 
Daneben wird auch die Umsetzung der Berichts- und Informationspflichten die Unternehmen in nächster Zeit noch stärker beschäftigen. So gilt es laut Bohrn zu klären, wie in Zukunft über Kosten und Nach­kosten informiert werden muss. "Portfolioverwalter müssen Kunden in Zukunft etwa darüber informieren, wenn das Portfolio vom letzten Berichtszeitraum zehn Prozent verloren hat. Da wird man mit den Depotbanken Lösungen suchen müssen“, liefert der Fachgruppengeschäftsführer ein Beispiel.

Auch wenn für ­einen Großteil der Neuerungen durch Mifid II schon durchaus klar ist, wie diese in der Praxis umzusetzen sein werden, zeigt sich ­also, dass doch noch einige Fragen offen sind. So gibt auch Ritzinger zu, dass seitens der Finanzmarktaufsicht (FMA) noch etliche Punkte abzuarbeiten sind. Die offenen Fragen müssen nun mit der FMA geklärt werden, woran auch die Wirtschaftskammer interessiert ist. "Mit der FMA wird es im Herbst sechs Roadshow-Termine in ganz Österreich geben. Es sind auch zwei Veranstaltungen nur für die Wertpapierfirmen ­geplant, um offene Fragen zu klären", kündigt Bohrn an. Zudem verweist der WK-Mann auf das WKO-Online-Angebot: "Wir haben eine Checkliste und einen Fragen-und-Antworten-Katalog ausgearbeitet. Auf unserer Internetseite finden unsere Mitglieder alle Dokumente und Unterlagen, etwa auch ein Musterhandbuch zu Mifid II." (gp)


Den gesamten Artikel sowie einen tabellarischen Überblick über alle wesentlichen Neuerungen und welche Marktteilnehmer von ­diesen betroffen sind, finden Sie in der Heftausgabe 3/2017.