Der europäische Gesetzgeber hat sich mit seiner Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente, besser bekannt als Mifid II, zum Ziel gesetzt, den Anlegerschutz in den Mitgliedsstaaten der ­Europäischen Union weiter zu verbessern. Dazu gehört auch die Vorgabe, dass Anlageberater zukünftig jene Kenntnisse und Kompetenzen, die für das Erbringen von Wertpapierdienstleistungen erforderlich sind, nachzuweisen haben.

Das Vorschreiben einer entsprechenden fachlichen Kompetenz der handelnden Personen ist nicht wirklich neu. Geschäftsleiter von Kreditinstituten werden schon seit mehreren Jahren von der Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA im Rahmen des sogenannten Fit-&-Proper-Tests auf ihre fachliche und persönliche Eignung geprüft. Eine solche Prüfung vor der FMA bleibt den Anlageberatern zumindest vorerst noch erspart.

Kompetenznachweis
Mit dem nun erforderlichen Nachweis reagiert der Gesetzgeber auch auf die ständige Kritik vieler Experten, die eine Ursache der extremen Zunahme von Anlegerverfahren vor den Zivilgerichten auch darin gesehen haben, dass für die Berechtigung zur Vermögens­beratung lange Zeit nur ein dürftiger Kom­petenznachweis gefordert wurde. 

Der erste Schritt zum erfolgreichen Nachweis der eigenen Kompetenzen und Kenntnisse beginnt damit, jene Vorschriften zu kennen, die dieser Neuerung zugrunde liegen. Die Kernbestimmung findet sich in § 55 Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) 2018. Rechtsträger haben demnach dafür zu sorgen und der FMA nachzuweisen, dass jene natürlichen Personen, die gegenüber Kunden Informationen über Anlageprodukte zur Verfügung stellen beziehungsweise diese dazu beraten, über jene Kenntnisse und Kompetenzen verfügen, um den Kunden bestmöglich im Sinne des WAG beraten zu können. Daraus geht bereits hervor, dass sich die gesetzliche Bestimmung nicht an den einzelnen (natürlichen) Berater, sondern an den jeweiligen Rechtsträger, für den der Berater auftritt, richtet.

Welche Rechtsträger damit gemeint sind, legt auch das WAG 2018 fest. Dazu zählen neben Kreditinstituten, Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleis­tungsunternehmen auch Kapitalanlagegesellschaften und Alternative Investmentfonds Manager, die individuelle Portfolioverwaltung und Anlageberatung erbringen. Diese Rechtsträger haben zukünftig die Pflicht, die erforderliche fachliche Qualität ihrer Anlageberater sicherzustellen. 

ESMA-Leitlinie 
Die Kriterien, anhand derer die Rechtsträger und die FMA beurteilen sollen, ob die notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen vorliegen, sind der von der europäischen Aufsichtsbehörde ESMA bereits Anfang 2016 erlassenen "Leitlinie für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen" zu entnehmen. Mit diesem vorgegebenen Kriterienkatalog erhofft sich die ESMA nicht nur einen besseren Anlegerschutz, sondern auch ein stärkeres Angleichen der Kenntnisse und Kompetenzen der Berater auf ein bestimmtes Niveau. Die Leitlinie wird gleichzeitig mit dem WAG 2018 Anfang Jänner 2018 in Kraft treten. 

FMA-Rundschreiben
Aber auch das österreichische Pendant zur ESMA, die FMA, war nicht untätig. Basierend auf dem eingangs erwähnten § 55 WAG 2018 hat die FMA am 21. August 2017 ein Rundschreiben zu den Kompetenzkriterien veröffentlicht. Dieses Rundschreiben baut auf der eben genannten ESMA-Leitlinie auf und übernimmt den darin definierten Kriterienkatalog. Aus dem Rundschreiben der FMA ergibt sich, dass Berater, die Informationen über Anlageprodukte, Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen erteilen, zukünftig jedenfalls über folgende Kenntnisse und Kompetenzen verfügen müssen: 

1. Zum Anlageprodukt: Die Berater müssen die wesentlichen Merkmale, Risiken und Funktionen der angebotenen Anlageprodukte kennen. Dazu zählen auch die allgemeinen steuerlichen Auswirkungen und die Summe aller Kosten und Gebühren, die dem Kunden im Zusammenhang mit den Geschäften entstehen können. Je komplexer dabei ein Produkt ist, desto höher ist der Sorgfaltsmaßstab, den der Berater bei Beratungsleistungen über das Produkt an den Tag zu legen hat. Das ­bedeutet wohl auch, dass bei komplexen ­Produkten ein höherer Schulungsaufwand ­gefordert sein wird. 

2. Zum Markt: Neben den Produkt­eigenschaften wird künftig ein grundlegendes Verständnis der Finanzmärkte verlangt. Berater sollen verstehen, wie die Finanz­märk­te funktionieren und wie sich deren Ent­wicklungen auf den Wert der angebotenen Anlageprodukte des Kunden auswirken können. Dies umfasst ein Verständnis vom Einfluss verschiedener wirtschaftlicher Kenn­zahlen sowie globaler, nationaler ­be­ziehungsweise regionaler Ereignisse auf die Märkte und auf den Wert der Anlageprodukte. 

Der Berater muss außerdem den Unterschied zwischen vergangenen und zukünftigen Wertentwicklungsszenarien sowie die Grenzen der vorausschauenden Prognosen kennen. Die für das Anlageprodukt relevanten Daten, etwa Anlegerinformatio­nen, Prospekte und Finanzdaten, sind zu bewerten. Hierbei wird das Verständnis der spezifischen Marktstrukturen und Kenntnisse der Handelsplätze sowie allfälliger Sekundärmärkte verlangt. Auch die Bewertungsgrundsätze, die dem Produkt zugrunde liegen, müssen den Beratern ein Begriff sein. Nicht zu vergessen sind die Aspekte des Marktmissbrauchs und die Bekämpfung der Geldwäsche. (gp)


Den gesamten Artikel von Mag. Christian Lenz, Rechtsanwalt, und Mag. Christina Hauser, Rechtsanwaltsanwärterin, bei der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Brandl & Talos Rechtsanwälte finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 4/2017 von FONDS professionell, die Ende November erscheint.