Die Mitglieder des "Arbeitskreis Kapitalmarkt Österreich" fordern ein stärkeres politisches Bekenntnis für ihren Bereich ein. Im Regierungsprogramm angekündigte Maßnahmen wie die Förderung der Altersvorsorge oder die Wiedereinführung der Behaltefrist für die Kapitalertragsteuerbefreiung (KESt) bei Wertpapieren müssten rasch umgesetzt werden, heißt es.

Was die Behaltefrist betrifft, stellen sich die Verbände einen Rahmen von einem Jahr vor. Es sei ein wesentlicher Schritt, zwischen kurzfristiger Spekulation und langfristiger Investition in Unternehmensanteile zu unterscheiden, so die Autoren des Positionspapiers. Der Wegfall der KESt würde die Anleger zu Wertpapierinvestitionen motivieren. Abseits davon solle die KESt auf Kapitalmarktprodukte von 27,5 auf 25 Prozent gesenkt werden (und damit auf den Wert, den auch Sparbuchanleger auf ihre Erträge zahlen). Es handle sich um "eine sachlich nicht gerechtfertigte steuerliche Ungleichbehandlung".

Vorsorgedepot
Eine Möglichkeit sei es, die Behaltefrist mit dem Modell eines "Vorsorgedepots" oder "Sperrdepots" zu lösen. Dahinter steht die Idee, dass anstelle der aktuell existierenden (aber nicht rentierlichen und nicht nachgefragten) prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge ein steuerbegünstigtes oder -befreites Depot eingeführt wird. Anleger sollen hier Vorsorgeprodukte (etwa einen Investmentfonds oder ein Versicherungsprodukt) frei wählen und wechseln können, wobei die Beiträge fix der Pensions- und Pflegevorsorge gewidmet sind. Angeregt wird, dass jährlich ein maximaler Betrag steuerbegünstigt eingezahlt werden kann.

Ein weiterer Vorschlag zeigt, dass bei den Details noch Diskussionsbedarf besteht. Die Lobbyingverbände erwähnen, dass dieses Sperrdepot "eventuell" mit einem Fokus auf heimische Investments oder auch auf ESG-Kriterien ausgestattet sein könne. Ob sich ein sinnvolles Vorsorgemodell Beschränkungen auferlegen sollte, wird in dem Papier nicht hinterfragt. Aus Sicht der Anleger könnte man ins Treffen führen, dass Einschränkungen beim Investmentuniversum Gefahren mit sich bringen, während Diversifizierung der beste Gewinnbringer und Verlustschutz ist.

Verbesserungen bei der zweiten Säule
In ihrem siebenseitigen Papier fordern die Initiatoren zahlreiche weitere Schritte. Etwa die steuerliche Gleichstellung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge: Derzeit können nur Arbeitgeber ihre Beiträge für Mitarbeiter absetzen. "Wichtig für den weiteren Ausbau und die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge ist die steuerliche Absetzbarkeit der Arbeitnehmerbeiträge in das Pensionskassenmodell", heißt es.

Dieser Vorschlag betrifft ebenso die zweite Säule der Vorsorge wie die Forderung, dass ein Prämienmodell für Geringverdiener implementiert wird. "Bei Geringverdienern greift die steuerliche Absetzbarkeit nicht: Hier sollte ein Prämienmodell analog zur prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge gestaltet werden, mit einem maximal geförderten Einzahlungsbetrag von EUR 2.957,80 (2020)", heißt es. Die Prämienförderung von derzeit 4,25 Prozent würde dann eine Prämienzuzahlung von 125,71 Euro pro Jahr bedeuten.

"Mifid-II-Maßnahmen führen zu Marktversagen"
Um den österreichischen Kapitalmarkt zu stärken, müssten aus Sicht der Verbände außerdem einige Maßnahmen der Vergangenheit korrigiert werden. So habe das strikte Vergütungssystem für Research- und Corporate-Access-Leistungen durch Mifid II dazu geführt, dass große Investmentgesellschaften sich nur noch auf wenige und große Analysehäuser und Investmentbanken beschränken. Daraus sei eine Marktkonzentration entstanden, unter der nationale und internationale kleinere Investmentbanken enorm leiden. "Hier ist eindeutig von einem Marktversagen zu sprechen", heißt es. Für die gelisteten Unternehmen Österreichs, die im internationalen Vergleich kleiner und deshalb oft nicht am Schirm der großen Häuser sind, seien kleinere, aber aktive Investmentbanken "enorm wichtig, um ein ausreichendes Maß an Research-Coverage und Zugang zu den passenden Investoren und Anlegergruppen zu erhalten".

Generell sprechen die Autoren ein Problem des österreichischen Kapitalmarktes beziehungsweise der Unternehmensfinanzierung an, diese ist in hohem Maß von der Bankfinanzierung abhängig. Auch im Positionspapier wird auf eine Analyse der Wiener Börse zu den Eigentumsverhältnissen verwiesen: Demnach ist der Anteil österreichischer institutioneller Aktionäre an den ATX-Prime-Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren von 21,9 auf 16,6 Prozent gefallen. "Dieser Rückgang um rund ein Viertel ist ein Ergebnis von steigenden regulatorischen Vorgaben bei Banken, Versicherungen und Pensions-/Vorsorgekassen, ist aber auch auf den Trend des Outsourcing des aktiven Aktienmanagements vieler Institute zurückzuführen", heißt es.

"Mangel an institutionellen Anlegern"
Parallel dazu seien die Börsengänge in Österreich trotz positiver Kursentwicklung und einem internationalen IPO-Boom seit 2019 komplett zum Erliegen gekommen. "Der Mangel an in Österreich aktiven institutionellen Anlegern verunmöglicht de facto IPOs von kleineren und mittelständischen Unternehmen", heißt es. Die Maßnahmen des Positionspapiers sollen die Aktivität und das für heimische Investitionen vorhandene Kapital steigern. 

Dem Arbeitskreis, der das Positionspapier erstellt hat, gehören folgende Verbände an: Aktienforum, CFA Austria (Chartered Financial Analyst), CIRA (Interessensgemeinschaft für Investor Relations), ÖVFA (Berufsvereinigung für Finanzanalysten und Asset Manager), Fachverband der Pensionskassen der WKO, VÖIG (Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften) und Wiener Börse. (eml)


Das Forderungenpapier kann auf der Homepage der ÖVFA heruntergeladen (externer Link) werden.