Seit August 2022 gelten die strengen Wohnkreditvergaberegeln der "Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung", kurz KIM-V. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hatte sie auf Basis von Entscheidungen im Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) erlassen, weil die Banken zusehends Immobilienkredite mit so tiefen Eigenmittelanteilen und hohen monatlichen Belastungen zu derart langen Laufzeiten vergaben, dass nationale und internationale Warnstellen Gefahren für den Finanzmarkt sahen. Seitdem ist die Verordnung Anlass lautstarker Beschwerden von Banken und Kreditnehmern, die sich von der FMA eingeschränkt sehen.

Die Behörde wird nun aber vom VfGH gestützt. Das Gericht wies eine Klage gegen die KIM-V mangels Aussicht auf Erfolg ab. Die FMA habe die Verordnung entsprechend dem Gesetz erlassen, teilt der VfGH mit.

Vorarlberger abgeblitzt
Eingebracht hatte den Antrag auf Aufhebung der Kreditregeln ein Vorarlberger, der eine Wohnung kaufen wollte, dessen Kreditantrag aber abgelehnt wurde. Gegenüber dem VfGH argumentierte er, die KIM-V sei gesetzwidrig, denn nach Bankwesengesetz (BWG) dürfen derartige Beschränkungen nur erlassen werden, wenn systemische Risiken aus Fremdkapitalfinanzierungen von Immobilien mit möglichen negativen Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität vorliegen. Solche Risiken lägen aber nicht, beziehungsweise nicht mehr, vor.

Das sahen die VfGH-Richter anders. Das BWG verlangt für derartige Einschränkungen eine Empfehlung des FMSG und eine stützende Einschätzung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) beziehungsweise letztlich die Zustimmung des Finanzministeriums. Sowohl das FMSG (in dem das Finanzministerium vertreten ist) als auch die OeNB haben bestätigt, dass die Voraussetzungen für eine Verordnung 2022 vorlagen und nach wie vor vorliegen, erklären die Verfassungsrichter. Sie verweisen außerdem darauf, dass zusätzlich der EU-Systemrisikorat (ESRB) nachvollziehbar die Notwendigkeit solcher Bestimmungen argumentiert hat. Ein Antrag auf Aufhebung der FMA-Verordnung hätte daher keine Aussicht auf Erfolg, heißt es.

Schuldendienstquote überschritten
Der Antragsteller aus Vorarlberg wollte eine sanierungsbedürftige Eigentumswohnung um 190.000 Euro plus Nebenkosten kaufen – ein zusätzliches Sanierungsdarlehen in der Höhe von 11.000 Euro wurde in den Kreditantrag integriert. An Eigenmitteln waren 30.000 Euro vorhanden, sodass die Bank rund 180.000 Euro finanzieren hätte müssen. Das Problem: Die monatliche Kreditrate von rund 900 Euro hätte gemäß Haushaltsrechnung zirka 50 Prozent des Einkommens ausgemacht – erlaubt ist aber nach der KIM-V nur eine Schuldendienstquote von 40 Prozent. Auch hätte der Kredit für den Vorarlberger die höchstmögliche Beleihungsquote von 90 Prozent überschritten. Das Ausnahmekontingent der finanzierenden Bank war aber bereits ausgeschöpft.

Mit der KIM-V gilt neben der maximalen Schuldendienstquote von 40 Prozent und der Eigenkapitalquote von mindestens zehn Prozent (beziehungsweise mit Nebenkosten von 20 Prozent) auch eine Höchstlaufzeit von 35 Jahren. Banken und Häuslbauer, aber auch Politiker, die mit dem Thema leistbares Wohnen Aufmerksamkeit erzielen wollen, geben der Verordnung oft die Schuld an dem hohen Einbruch in der Immobilienfinanzierung.

Einbruch bei der Neukreditvergabe
Tatsächlich ist zwischen Juli 2022 (ein Monat vor Einführung der KIM-Regeln) und Oktober 2023 (den letzten verfügbaren OeNB-Daten) die Neukreditvergabe im Immobilienbereich in Österreich um fast 66 Prozent zurückgegangen. Allerdings sieht man hohe Rücksetzer auch in den meisten anderen EU-Ländern. In Deutschland, wo es solche Maßnahmen nicht gibt, sei die Neukreditvergabe noch stärker eingebrochen, argumentiert die FMA

Aus Sicht der Behörde liegt der Grund für die Abkühlung nicht in den neuen Kreditregeln, sondern in der hohen Inflation und den gestiegenen Zinsen, die auf die Leistbarkeit drücken. Außerdem, so die FMA, schöpft jede zweite Bank die Ausnahmekontingente gar nicht aus, die ihnen die KIM-V zugesteht.

Diskussion über Schuldendienstquote
Dass die KIM-V besser gestaltet werden könnte, haben wiederholt jedoch auch Beobachter von außerhalb der Bankindustrie nahegelegt. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr – Eröffnungsredner am ersten Tag des FONDS professionell KONGRESSES im März in Wien – schlug unlängst eine Anpassung der Bedingungen vor. Es würde Sinn ergeben, bei der Schuldendienstquote keinen Prozentwert, sondern einen absoluten Betrag festzulegen, um unnötige Einschränkungen vor allem bei Höherverdienern zu vermeiden. Ein Beispiel: Ein Haushalt mit einem Einkommen von 10.000 Euro im Monat, kann vermutlich auch eine Schuldendienstquote von 50 Prozent des Einkommens stemmen, weil die restlichen 5.000 Euro noch immer reichen, um den Alltag zu bestreiten. (eml)