Die Finanzdienstleistungsbranche hat es versucht, genutzt hat es nicht: Die EU-Kommission hat wichtige technische Regeln für die europäische Verordnung über die dreiseitigen Produktinformationsblätter PIB von verpackten Anlageprodukten (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products, kurz Priip) verabschiedet, ohne dabei Änderungswünsche der Branche zu berücksichtigen. Dies hat FONDS professionell ONLINE aus zuverlässiger Quelle erfahren.

Zu diesen Wünschen zählt auch die von der Branche verzweifelt geforderte Verschiebung des Startdatums am 31. Dezember 2016. Pikant: Selbst die der Kommission untergeordneten europäische Wertpapieraufsichtsbehörden Esama, Eiopa und Eba (Esas) haben in einem Brief unverblümt ihre Bedenken über den sportlichen Zeitplan für den Priip-Start geäußert.

Diese werden dadurch noch vergrößert, dass das EU-Parlament und der ständige EU-Ministerrat nun zwei Monate Zeit haben, die Standards zu überprüfen und gegebenenfalls ihr Veto einzulegen. Die Esas haben aber schon angekündigt, der Branche unter die Arme greifen zu wollen. Daher werden sie wahrscheinlich schon vor Ende August ein Papier veröffentlichen, das in Form von Fragen und Antworten zu den Standards wichtige Punkte klären werde. 

Risiko- und Kostentransparenz
Wie die Kommission Ende vergangener Woche mitteilte, spezifizieren die veröffentlichten Standards den exakten Inhalt der PIBs. Enthalten sein muss das Anlageziel des Produktes und die zu erwartende Rendite, die Kosten für den Anleger und die möglichen Risiken. Wichtig ist dabei, dass die Kennzahlen für alle Produktarten – Fonds, Zertifikate, kapitalbildende Lebensversicherungen – identisch sind und diese damit vergleichbar machen.

Ob die hehren Ziel der Brüssler Technokraten erfüllt werden können, steht auf einem anderen Zettel. Schließlich weist die Fondsbranche schon länger auf eine ganze Reihe von Problemen hin, beispielsweise die Errechnung des Risikoindikators SRI (Summary Risk Indicator). Dabei sollen das Markt-, Liquiditäts- sowie das Counterpart- beziehungsweise Ausfallrisiko einer Anlage mitberücksichtigt werden. Experten wundern sich: Wie kann man diese Risiken vernünftig in den SRI für jedes Produkt einfließen lassen? Schließlich hätten Fonds beispielsweise kein Counterpart-Risiko, Zertifikate dagegen schon.

EU-Abgeordneter warnt Kommission
Diese Bedenken werden auch von Verbraucherschützen und ihren politischen Verbündeten geteilt. Sven Giegold, der für die Grünen im Europäischen Parlament sitzt, hat nach einem Bericht der Financial Times (FT) bereits angemerkt, dass die Berechnungsmethode für die künftigen Renditen große Fehler enthalten. Dadurch würden die Gewinnvorhersagen höher ausfallen, als sie in der Realität seien. Er warnte daher, dass er ohne Verbesserungen keine Mehrheit im Parlament für die Verordnung sehe. (jb)